Wulff for President - eine gute Wahl?

Von Peter Lange, Chefredakteur Deutschlandradio Kultur |
Mit der Nominierung von Christian Wulff geht die schwarz-gelbe Koalition einfach auf Nummer sicher. Union und FDP haben sich als entscheidungsfähig gezeigt. Das vor allem zählt. Und Wulff hat auch sicher das Zeug zu einem ordentlichen Bundespräsidenten.
Durch schwere Niederlagen gestählt hat er über die Jahre an Statur und Profil gewonnen. Er hat nichts mehr gemein mit dem etwas linkischen Nachwuchspolitiker, der einst als aussichtsloser Zählkandidat der CDU gegen den übermächtigen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder angetreten ist. Wulff kennt den Politikbetrieb in- und auswendig.

Er wird sich keiner Illusionen hingeben, was die Grenzen seines künftigen Amtes angeht. Und: Er löst für sich auf elegante Art das Problem, dass er bald in der gleichen Situation gewesen wäre wie Roland Koch. Berufspolitiker seit Jugendtagen, in jungen Jahren ganz weit gekommen, aber was dann?

Nur: Wenn der Bundespräsident allein über die Macht des öffentlichen Wortes verfügt – ein begnadeter und überzeugender Redner ist Wulff nicht. Da hätten ihm sowohl Norbert Lammert als auch Joachim Gauck einiges voraus. Insbesondere Gauck, der als Exponent der friedlichen Revolution in der DDR selbst Risiken eingegangen ist, der Krisen selbst erfahren hat und sich über Parteigrenzen hinweg einen Namen gemacht hat als glaubhafter Streiter für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit; ein Rufer gegen alle Larmoyanz, Resignation und Saturiertheit. Gauck hätte den Menschen etwas zu sagen und könnte ihnen gerade in Krisenzeiten Orientierung geben.

Aber die Nominierung des Niedersachsen zeigt eben auch, was Angela Merkel in ihrer eigenen Partei noch durchsetzen kann und was nicht: Ursula von der Leyen, wenn sie denn ernsthaft im Gespräch gewesen sein sollte, war in der CDU weniger vermittelbar als in der Gesellschaft insgesamt. Und Joachim Gauck, der Kandidat von rot-grün, ging allein deswegen nicht, weil die Koalitionsparteien unter Beweis stellen mussten, dass sie noch handlungsfähig sind.

So ist denn die Nominierung von Christian Wulff – wieder einmal – das Ergebnis partei-taktischen Kalküls, eine Entscheidung, die in erster Linie und kurzfristig der Kanzlerin hilft, in zweiter Linie der CDU und dann erst dem Land. Das mag man beklagen, aber es ist politische Normalität. Wären die Mehrheitsverhältnisse anders, da sollte sich niemand täuschen lassen, würde auch rotgrün durchwählen.

Zu den Nebenwirkungen der Personalie Wulff gehört, dass die Kanzlerin wieder einen potentiellen Rivalen losgeworden ist. Günter Oettinger nach Brüssel, Roland Koch aufs politische Altenteil und demnächst Wulff ins Schloss Bellevue - der berühmte Andenpakt einst junger CDU-Nachwuchspolitiker dürfte damit Geschichte sein.