Wozu Züchtung?
Die Diskussion um Züchtungsmethoden, egal ob Gentechnik, Protoplastenfusion oder Mutationszüchtung wird gewöhnlich von einer ganz anderen Frage bestimmt: Wozu brauchen wir überhaupt Neuzüchtungen – schließlich haben wir alles, was des Menschen Herz begehrt. Aus dieser Perspektive ist letztlich jedes neue Verfahren, jede neue Sorte ein unnötiges Risiko. Und es lässt sich auch nicht bestreiten, dass wir bei unseren Nutzpflanzen über eine Vielzahl unübertroffen ertragreicher Sorten verfügen.
Die drei Gründe:
1. Ein nostalgischer Blick zurück auf fette Gemüsebeete bestätigt diese Sichtweise. Züchter schufen ganz ohne Gentechnik unsere vielen schmackhaften Kohlsorten: Blumenkohl, Broccoli, Rotkohl, Weißkohl, Rosenkohl und Kohlrabi. Doch sie alle gibt es in der Natur so nicht und hat es nie gegeben. Sie entstanden samt und sonders aus einer einzigen Urform, die heute nur noch Besucher der Nordseeinsel Helgoland zu Gesicht bekommen, wo er wild an den Klippen wächst: Dem Wildkohl. Der aber ähnelt eher dem Raps. Die Züchter haben ihn gründlich umgeformt: für den Kohlrabi haben sie den Stängel monströs anschwellen lassen, für Blumenkohl eine riesige Blüte wuchern lassen und für den Rotkohl die Sprossachse kräftig gestaucht. Würde man die Sprache der Schlagzeilen wählen, würde man diese Produkte als "Krebsgeschwülste" brandmarken. Die Erhöhung der Ausbeute ist ein Verdienst früherer Generationen, das uns heute satt werden lässt. Wenn wir wollen, können wir uns tatsächlich mit dem Erreichten zufrieden geben.
2. Der zweite Grund ist die Beseitigung von gesundheitlich fragwürdigen sekundären Pflanzenstoffen. Die Kartoffel in freier Wildbahn ist durch hohe Gehalte an Solanin geschützt. Da Solanin verdammt giftig ist, haben wir die Konzentration in der Knolle vermindert, so dass wir Menschen Kartoffeln essen können. Oder die Wildmöhre, deren Wurzel nur ein dünner weißer Faden ist, aus der unsere Kulturmöhre entstand. Diese Wildmöhre ist bis an die Wurzelspitze mit Abwehrstoffen bewaffnet, deshalb kann sie sich auch ohne die Hilfe des Menschen in freier Natur gegenüber allen Fraßfeinden behaupten. Überlässt man ein Feld von Kulturmöhren sich selbst, dann sind sie in wenigen Jahren verschwunden. Deshalb brauchen unsere Kulturpflanzen die Pflege des Menschen. Auch hier können wir uns mit dem Erreichten zufrieden geben. Denn unsere Kartoffel- und Möhrensorten sind ertragreich und im Falle der Karotte so arm an Abwehrstoffen, dass wir sie schon roh essen können.
3. Der dritte Grund für die Züchtung ist der gravierende: Durch den globalen Austausch von Waren werden auch Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter global verbreitet. Praktisch jede landwirtschaftliche Kultur, egal ob Erbsen, Weizen oder Kirschen, ist ständig von neuen Schädlingen und Krankheiten bedroht. Sie werden eingeschleppt mit Obstkisten, Pflanzmaterial, kleben an den Schuhen von Ferntouristen, gelangen mit Zierpflanzen in unsere Heimat. So manch ein Lebewesen unter ihnen fühlt sich bei uns wohl und findet ein lauschiges Plätzchen zur Fortpflanzung. Natürliche Feinde haben sie hier meist noch nicht, was ihre Ausbreitung begünstigt. Und schon ist eine oder mehrere Kulturen bedroht.
Aus diesem Grunde werden unsere Nutzpflanzen ständig mit neuen Genen ausgerüstet, um ihre Widerstandsfähigkeit an das aktuelle Ökosystem anzupassen, ohne dass sie deshalb für den Menschen giftig werden. Dies geschah früher durch Mutationszüchtung (im Atomkraftwerk) und anschießendes Einkreuzen – was allerdings zeitaufwendig ist und dem Schädling oder der Krankheit einen zeitlichen Vorsprung verschafft. Beim Gemüse erfordert dieses Verfahren etwa zehn Jahre. Heute bedient man sich wenn möglich der Gentechnik, nicht nur weil das schneller geht, sondern auch wesentlich präziser und damit risikoärmer ist.
Was wäre die Alternative? Der Einsatz von Pestiziden. Hätten wir diese beiden Optionen nicht, also Pestizide und Züchtung, dann würden die Menschen nicht über das Wetter von morgen reden, sondern über die letzte Missernte. Züchtung ist für die Menschheit unabdingbar – und je mehr züchterische Methoden zur Auswahl stehen, desto sicherer können wir sein, dass auch unsere Kinder noch satt werden.
Weiterführende Literatur:
Pollmer U et al: Liebe geht durch die Nase. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000
1. Ein nostalgischer Blick zurück auf fette Gemüsebeete bestätigt diese Sichtweise. Züchter schufen ganz ohne Gentechnik unsere vielen schmackhaften Kohlsorten: Blumenkohl, Broccoli, Rotkohl, Weißkohl, Rosenkohl und Kohlrabi. Doch sie alle gibt es in der Natur so nicht und hat es nie gegeben. Sie entstanden samt und sonders aus einer einzigen Urform, die heute nur noch Besucher der Nordseeinsel Helgoland zu Gesicht bekommen, wo er wild an den Klippen wächst: Dem Wildkohl. Der aber ähnelt eher dem Raps. Die Züchter haben ihn gründlich umgeformt: für den Kohlrabi haben sie den Stängel monströs anschwellen lassen, für Blumenkohl eine riesige Blüte wuchern lassen und für den Rotkohl die Sprossachse kräftig gestaucht. Würde man die Sprache der Schlagzeilen wählen, würde man diese Produkte als "Krebsgeschwülste" brandmarken. Die Erhöhung der Ausbeute ist ein Verdienst früherer Generationen, das uns heute satt werden lässt. Wenn wir wollen, können wir uns tatsächlich mit dem Erreichten zufrieden geben.
2. Der zweite Grund ist die Beseitigung von gesundheitlich fragwürdigen sekundären Pflanzenstoffen. Die Kartoffel in freier Wildbahn ist durch hohe Gehalte an Solanin geschützt. Da Solanin verdammt giftig ist, haben wir die Konzentration in der Knolle vermindert, so dass wir Menschen Kartoffeln essen können. Oder die Wildmöhre, deren Wurzel nur ein dünner weißer Faden ist, aus der unsere Kulturmöhre entstand. Diese Wildmöhre ist bis an die Wurzelspitze mit Abwehrstoffen bewaffnet, deshalb kann sie sich auch ohne die Hilfe des Menschen in freier Natur gegenüber allen Fraßfeinden behaupten. Überlässt man ein Feld von Kulturmöhren sich selbst, dann sind sie in wenigen Jahren verschwunden. Deshalb brauchen unsere Kulturpflanzen die Pflege des Menschen. Auch hier können wir uns mit dem Erreichten zufrieden geben. Denn unsere Kartoffel- und Möhrensorten sind ertragreich und im Falle der Karotte so arm an Abwehrstoffen, dass wir sie schon roh essen können.
3. Der dritte Grund für die Züchtung ist der gravierende: Durch den globalen Austausch von Waren werden auch Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter global verbreitet. Praktisch jede landwirtschaftliche Kultur, egal ob Erbsen, Weizen oder Kirschen, ist ständig von neuen Schädlingen und Krankheiten bedroht. Sie werden eingeschleppt mit Obstkisten, Pflanzmaterial, kleben an den Schuhen von Ferntouristen, gelangen mit Zierpflanzen in unsere Heimat. So manch ein Lebewesen unter ihnen fühlt sich bei uns wohl und findet ein lauschiges Plätzchen zur Fortpflanzung. Natürliche Feinde haben sie hier meist noch nicht, was ihre Ausbreitung begünstigt. Und schon ist eine oder mehrere Kulturen bedroht.
Aus diesem Grunde werden unsere Nutzpflanzen ständig mit neuen Genen ausgerüstet, um ihre Widerstandsfähigkeit an das aktuelle Ökosystem anzupassen, ohne dass sie deshalb für den Menschen giftig werden. Dies geschah früher durch Mutationszüchtung (im Atomkraftwerk) und anschießendes Einkreuzen – was allerdings zeitaufwendig ist und dem Schädling oder der Krankheit einen zeitlichen Vorsprung verschafft. Beim Gemüse erfordert dieses Verfahren etwa zehn Jahre. Heute bedient man sich wenn möglich der Gentechnik, nicht nur weil das schneller geht, sondern auch wesentlich präziser und damit risikoärmer ist.
Was wäre die Alternative? Der Einsatz von Pestiziden. Hätten wir diese beiden Optionen nicht, also Pestizide und Züchtung, dann würden die Menschen nicht über das Wetter von morgen reden, sondern über die letzte Missernte. Züchtung ist für die Menschheit unabdingbar – und je mehr züchterische Methoden zur Auswahl stehen, desto sicherer können wir sein, dass auch unsere Kinder noch satt werden.
Weiterführende Literatur:
Pollmer U et al: Liebe geht durch die Nase. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000