Worte der Wende: Anschluss

Von Ulrike Draesner |
Die friedliche Revolution vor 20 Jahren befreite nicht nur die Sprache, sie schuf auch neue Begriffe wie den Besserwessi. Die Schriftsteller Thomas Brussig (Ost) und Ulrike Draesner (West) erinnern jeden Tag an eine dieser Neuschöpfungen.
Der Anschluss des DDR-Gebietes an das Netz der Telekom erforderte zunächst die Erzeugung von Anschlussfähigkeit sowie die konkrete Ausführung einzelner Anschlüsse, die wiederum zur Herstellung der allgemeinen Anschließbarkeit zuerst auf ihre Anschlussfähigkeit überprüft werden mussten, um jedem Individuum zu seinem ganz individuellen Anschluss zu verhelfen, wobei die bereits vorhandenen Kabel der Anschlussfähigkeit nicht im Weg standen, sie aber auch nicht förderten, da eine Telekomanschlussfähigkeit etwas ganz anderes war und ist als eine sonstige Anschlussfähigkeit in der Welt, wobei der Telekomanschluss kaum etwas anderes tat, als den individuell Angeschlossenen an die Telekom anzuschließen, was in etwa so war, wie ein Fahrrad an den Laternenpfahl zu schließen und dann den Schlüssel wegzuwerfen.

Was auf diese Weise nicht vollendet werden konnte, wurde von der Bundesbahn übernommen. Hier bekam das Wort Beitrittsgebiet noch einmal eine ganz neue, existentielle Bedeutung. Vieles in der politisch von einigen als Anschlussgebiet diffamierten Region war de facto Nicht-Anschlussgebiet, und auch in den übrigen Teilen wurden durch die Bundesbahn sehr viel mehr Anschlussverpassungen und -vermeidungen eingeführt als Anschlüsse, was bald zu einer Entschleunigung, ja Vermeidung des Anschlussredens führte.

Fazit des lachenden Westlers: hatte im Sozialismus die Rhetorik die Wirklichkeit überholt ohne sie einzuholen, überholte nun die Wirklichkeit des Nichtüberholens die Rhetorik.