Wording in der Berichterstattung

"Prorussische Separatisten" ist ein irreführender Begriff

07:39 Minuten
Die Flagge der Russischen Botschaft weht am frühen Morgen vor einer roten Ampel. Die russische Armee ist am frühen Morgen in die Ukraine einmarschiert.
Welche Begriffe sind derzeit angemessen? Die Journalistin Gesine Dornblüth spricht schon seit längerem von "russischer Aggression", denn für sie gibt es im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nichts zu beschönigen. © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Gesine Dornblüth im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
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Die Journalistin Gesine Dornblüth findet in den Medien verwendete Begriffe wie "Ukrainekrise" und "Separatisten in der Ostukraine" irreführend. Russland sei der Aggressor und so sollte man das Land auch bezeichnen, sagt die Osteuropa-Expertin.
Wladimir Putins Rede, in der er seine Aggression gegen die Ukraine rechtfertigt, ist in den Medien vielfach analysiert und kommentiert worden.
Für Historiker und Osteuropa-Expertinnen ist Putins Rede gespickt mit groben Geschichtsverdrehungen und Unwahrheiten. Der russische Präsident zeigte sich darin als „Kriegsbrandstifter", sagte etwa der Historiker Karl Schlögel kürzlich in „Fazit“.

Das eigene Wording hinterfragen

Trotz aller kritischen Distanz zu Putins Machtgebaren: Die Journalistin und Osteuropa-Expertin Gesine Dornblüth rät vor allem Medienvertreterinnen und –vertetern, ihr eigenes Wording zur aktuellen Krise zu überprüfen und Begriffe und Behauptungen kritisch zu hinterfragen.

Es ist bereits ein Fortschritt, dass die Außenministerin von einer Russlandkrise spricht und nicht mehr von einer Ukrainekrise. Ich spreche schon seit Langem von einer russischen Aggression. Denn nichts anderes ist es, was wir da sehen.

Und diese Aggression habe auch nicht erst jetzt begonnen, da Putin Soldaten Richtung Ukraine geschickt habe, sondern bereits 2014.
Ebenso findet Dornblüth es unangemessen, von „prorussischen Separatisten“ in der Ostukraine zu sprechen. Denn: Begriffe wie „Rebellen“ oder „Separatisten“ suggerierten, dass sich in den Gebieten Menschen gegen Unterdrückung wehrten.

"Separatisten" suggeriert "Unterdrückung"

„Es gibt aber keine Verfolgung Russischsprachiger im Osten der Ukraine", betont Dornblüth. Deshalb sei der Begriff irreführend – zumal es sich nicht um ukrainische Bürger handele, die für Separation kämpften, „sondern das sind von Russland unterstützte Kämpfer, zum Teil sind es russische Staatsbürger“. Deshalb sei es ebenso falsch, von einem „Bürgerkrieg“ zu sprechen.
Für Medienvertreterinnen und -vertretern in Deutschland sei es oft schwierig, unter Zeitdruck und ohne Russischkenntnisse Quellen im Fernsehen und im Netz wie Texte oder Videos richtig einzuordnen, räumt die Journalistin ein.

Welchen Experten kann man folgen?

Dornblüth hat Slawistik studiert und war fünf Jahre lang Russland-Korrespondentin des Deutschlandradios. Deshalb könne sie mittlerweile recht gut einschätzen, welchen Kollegen oder Experten, die in den Sozialen Medien und in Talkshows aktiv seien, man folgen und vertrauen könne.
Es gebe Osteuropa- und Putin-Kenner wie den Buchautor Alexander Rahr, die zwar durch tiefe Einblicke und kluge Darstellungen überzeugten. Man müsse sich jedoch klar darüber sein: „Er ist auch Lobbyist und er macht Unternehmensberatung für Gazprom.“

"Wenn A sagt, es regnet ..."

Deshalb  sei es klüger, sich lieber an die Journalistenregel zu halten: „Wenn A sagt, es regnet, und B sagt, die Sonne scheint, dann ist es nicht die Aufgabe von Journalisten, beides zu zitieren, sondern aus dem Fenster zu gucken und herauszufinden, wie das Wetter ist.“
(mkn)

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