Wolfgang Joop über Wohndesign

"Ich habe immer versucht, ein Stück Rokoko mitzunehmen"

Wolfgang Joop, aufgenommen bei einer Sendung "Germanys Next Topmodel"
Wolfgang Joop beschwerte sich früher über sein unruhiges Leben - heute schätzt er es. © dpa / picture alliance / Revierfoto
Wolfgang Joop im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 15.11.2017
Wolfgang Joop hat gerade ein neues Modelabel gegründet – mit 72. Geboren in Potsdam, wohnt er wieder in der Landeshauptstadt. Er erfindet sich immer wieder neu. Stillstand sei für ihn etwas Schreckliches, so Joop.
Das Architekturmagazin "Architectural Digest" veranstaltet eine Tagung in München, und mit dabei ist der Modedesigner Wolfgang Joop. Uns interessierte, wie das Wohndesign aus Joops Sicht das Bewusstsein bestimmt. Er kam in Potsdam zur Welt, wo er auch die ersten Lebensjahre verbrachte. Jetzt lebt und arbeitet er mit seinem Partner Edwin Lemberg wieder auf Krongut Bornstedt, auf dem er damals aufgewachsen ist. Dazu wollten wir mehr wissen.
Liane von Billerbeck: Krongut Bornstedt, da könnte man ja sagen, das ist eher eine aristokratische Atmosphäre. Wie hat denn die Ihr Denken und auch Ihr Design geprägt?
Wolfgang Joop: Die Prägung habe ich jetzt nicht auf dem Krongut bekommen. Wenn ich mir aber, wenn ich so will, mein Gesamtwerk angucke, die Bilder, die ich gemalt habe, die Bilder, die ich auch schon verkauft habe, die Bücher, die ich geschrieben habe und die Kleider, die ich entworfen habe, die haben immer wieder eine ähnliche Botschaft. Für mich ist der ideale Mensch ein etwas verträumter Mensch, der nicht unbedingt nach seinen Absichten oder nach seinem Status schaut, sondern der eigentlich Symbole versteht. Das finde ich immer viel wichtiger. Das Krongut zum Beispiel ist auch ein Symbol, und zwar nicht nur ein Symbol der Aufwendigkeit oder der Kostbarkeit, sondern das war das Bedürfnis der Königin Viktoria, aus dem Schloss auszubrechen, um sich in diesem Gut zu verstecken. Nur wenige konnten das, mit ihrer eigenen Kraft ein neues Haus schaffen.

Verlust von Schloss Sansoucci

von Billerbeck: Verrückt ist ja, dass ich in einem Interview gelesen habe, dass Sie von sich gesagt haben, Sie seien Skorpion, und die hätten keinen Geschmack. Kann man sich das leisten als Designer?
Joop: Wir alle richten uns nach Symbolen. Und wenn ich jetzt zurückkehre, und wenn ich mein Gesamtkunstwerk betrachte, so ist mir aufgefallen schon sehr früh, dass es mir leichter gefallen war, mit dem Finger links und rechts eine Rocaille zu ziehen als einen geraden Strich. Will sagen, ich habe sehr früh, vielleicht durch den Verlust von Schloss Sanssouci, in dessen Nähe ich eben aufgewachsen bin, wenn ich das erinnern wollte in New York oder in Kalifornien oder in Hamburg, dann habe ich immer versucht, ein Stück Rokoko mitzunehmen: als Symbol, da komme ich her. Und natürlich einen Rokokostuhl für mich – ich habe sehr viele –, immer noch.
von Billerbeck: Sie sammeln Stühle seit Ihrer Kindheit.
Joop: Ein Stuhl hat für mich immer eine große Symbolkraft. Und dann habe ich ja sehr viele Stühle gesammelt von Alexandre Noll, habe mich jetzt von den letzten vier getrennt, weil ich einen neuen Stil bauen möchte.

Ein Leben in Unruhe

von Billerbeck: Das heißt, Sie erfinden sich auch immer wieder neu. Das ist ja auch das Thema, über das Sie während dieser Tagung diskutieren: "Reinvent yourself". Macht man das auch mit 72, sich immer wieder neu erfinden, eine neue Firma gründen, eine neue Marke gründen und immer wieder von vorn anfangen und nie derselbe sein, nie der Gleiche sein, der man war?
Joop: Ich habe keine so feste Vorstellung von mir als Person, eher von einem, der irgendwie durch die verschiedenen Wände geht und dann in einem anderen Raum landet. Und in jedem neuen Raum musste ich dann neue Freunde suchen. Aber für mich ist der Stillstand etwas ganz Schreckliches. Früher habe ich mich darüber beschwert, dass mein Leben so unruhig war, aber heute hab ich gewusst, das war genau das, was ich suchte, nämlich dieses Sich-Losreißen-Dürfen, Dinge hinter sich zu lassen. Die Mode an sich hat mich, glaube ich, deshalb so lange beschäftigt, weil die so frivol ist. Man verwirft das, was man gestern schön fand. Das, woran man gestern gearbeitet hat, das ist auf einmal nichts mehr wert. Diese Lorbeeren welken ganz schnell, und es ist immer nur die aktuelle Kollektion, die interessiert. Keinen interessiert die vom vorigen Jahr, und keinen interessiert die, die noch nicht da ist.
von Billerbeck: Da hört man den Künstler. Das ist ja bei jedem Künstler so, der sagt, ach, das, was ich vorher gemacht habe, das ist Mist, will ich nicht mehr sehen, ich mache jetzt etwas völlig anderes. Wenn Sie mal in die Glaskugel schauen, das Thema Wohnen betreffend – wie wird denn die Mehrheit der Menschen in Zukunft wohnen.

"Es kommt immer eine Kraft aus der Natur"

Joop: Sie werden vor allen Dingen natürlich gewisse Hausgeräte haben, bis zum kleinen Hausroboter. Man muss sehr klein wohnen, denn die Mieten werden immer höher. Und diese exklusiven Wohnorte sind meistens besetzt, und in Europa auch von Ausländern, die sich das unter den Nagel reißen können, weil sie durch irgendein Produkt sehr reich geworden sind. Ich glaube, dass es zum Beispiel da einfach ganz große Unterschiede geben wird, aber ich sehe, dass die Städte hier in Ostdeutschland, dass diese Städte, einige sind jetzt wirklich von den jungen Leuten verlassen worden, und die Alten, die geblieben sind, fingen an zu gärtnern und Ackerbau und Viehzucht zu betreiben mitten in der Stadt. Das finde ich eine supertolle Vorstellung, dass sich auch diese Städte einfach verändern. Wir wissen, wie schnell die Natur übergreift, wie schnell die Natur alles, was wir so bauen und basteln, einfach erledigt. Und das finde ich immer was ganz Großartiges. Ich weiß, es kommt immer eine Kraft aus der Natur, die wieder erledigt.
von Billerbeck: Wolfgang Joop war das, die Modelegende, darüber, wie sich das Wohnen verändern wird und auch unser Denken prägt. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Joop: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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