Wolf, Wildschwein & Co.
Die Wölfe sind wieder da – zumindest in der Lausitz. Mittlerweile leben rund 40 Tiere in der Region. Und in Berlin scheinen sich Wildschweine besonders wohl zu fühlen. Doch nicht jeder freut sich über die Rückkehr der Wildtiere.
Wölfe in der Lausitz
Von Jan-Uwe Stahr
Seit fast 20 Jahren stehen Wölfe in Deutschland unter strengem Naturschutz und dürfen nicht gejagt werden. Zwar galt der Wolf damals in Deutschland als ausgestorben, doch das hat sich inzwischen geändert – zumindest in der Lausitz. Dank polnischer Wolfseinwanderer und der erfolgreichen Zusammenarbeit von Wildbiologen, Naturschützern und Jägern konnten die Raubtiere dort seit Ende der 90er-Jahre auf einem Truppenübungsplatz wieder heimisch werden. Inzwischen haben sie sich prächtig vermehrt: Es gibt fünf Rudel mit insgesamt etwa 35 bis 45 Tieren. Längst leben und jagen sie auch außerhalb des abgesperrten Militärgeländes. Dort sorgen sie für wachsenden Unmut bei ihren Konkurrenten – den Jägern. Kürzlich wurde ein Wolf erschossen – Naturschützer lobten ein Kopfgeld aus.
„Wenn ich jetzt aber verletzt wäre ... nur ein Bein hätte zum Beispiel ... dann bin ich nicht mehr so gelenkig, aber ich bin immer noch ziemlich gut, aber hab schon meine Probleme nicht."“
Stefan Kaasche springt humpelnd umher, hält sich dabei ein Hirschgeweih über den Kopf, richtet es drohend auf den achtjährigen Denni, der versuchen soll, den verletzten „Hirsch“ zu fangen. Denni ist der Wolf ...
„hab nur ein Bein, aber kann mich noch immer ganz gut wehren. Also auch das ist für den Denni ziemlich problematisch.“
Spielerisch sollen die Kinder aus der Cunewalder Tagestätte „Wichtelland“ lernen, wie ein Wolf sich in der freien Natur verhält. Wie er das Wild jagt. Und dass er scheu und heimlich ist und die Menschen sich vor ihm nicht fürchten müssen. Frau Förster, die Leiterin vom Wichtelland, hat Herr Kaasche vom staatlichen Informationsbüro der Wolfsregion Lausitz für eine kindgerechte Aufklärungsstunde eingeladen.
Förster: „Wir gehen viel mit den Kindern in den Wald. Und im Waldgebiet, weil wir relativ nahe dranliegen, kommt auch die Frage von den Kindern: Müssen wir Angst haben? Sind die schon da? Wohnen die bei uns? Ist es weit weg?“
Ja die Wölfe sind da! Fünf Rudel mit insgesamt 40 bis 50 Tieren leben inzwischen in den Wäldern der sächsischen Lausitz und im südlichen Brandenburg.
Ende der 90er-Jahre war ein Wolfspaar aus Polen nach Sachsen eingewandert. Ließ sich auf einem abgelegenen Truppenübungsplatz nieder und bekam im Jahr 2000 Nachwuchs. Erstmalig nachdem die Wölfe vor rund150 Jahren in Deutschland ausgerottet wurden, gab es nun wieder ein heimisches Rudel. Inzwischen sind es bereits fünf Rudel geworden. Längst leben diese Tiere nicht mehr nur auf dem abgesperrten Militärgelände. Heute besiedeln sie etwa 2000 Quadratkilometer bewohntes Kulturland.
Die Rückkehr der in Deutschland lange ausgestorbenen Tierart ist ein großer Erfolg für den Naturschutz. Verbände halfen den Wölfen mit politischer Lobby- und öffentlicher Aufklärungsarbeit. In der strukturschwachen Lausitz hat sich inzwischen ein regelrechter Wolfstourismus entwickelt. Wolfsfreunde und Naturliebhaber können sich im Museumsdorf Ehrlichthof bei Rietschen, nicht nur fachkundig über die sagenumwobene und faszinierende Tierart unterrichten lassen, es gibt auch Exkursionen zur Spurensuche in den Wäldern. Doch es gibt auch eine Kehrseite des Wolfbooms – je mehr Wölfe sich in den ostdeutschen Wäldern ausbreiten, desto verbitterter werden seine Feinde.
Immer wieder wird auf die streng geschützten Tiere geschossen. In Niedersachsen erlegten Jäger auf einer Gesellschaftsjagd einen durchwandernden Wolf, der vermutlich aus der Lausitz kam. Auch in Brandenburg wurde schon geschossen – und in der Lausitz. Der letzte bekannt gewordene Fall liegt erst einige Monate zurück.
„Das war im Januar, da wurde ein geschossener Wolf gefunden, bzw. man hat ja auch erstmal einen toten Wolf gefunden ... "
Forstwirtin Jana Schellenberg vom Informationsbüro Wolfsregion-Lausitz:
„... und alle toten Wölfe die werden im Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin untersucht. Und bei diesem Kadaver stellte man aber fest, dass die Wölfin mit Jagdmunition getötet wurde. Es handelt sich also um einen illegalen Abschuss – das ist eine Straftat.“
Genetische Untersuchungen ergaben: Der erschossene Wolf gehörte zu dem Nochtener Rudel. Der Landkreis Görlitz stellte Strafanzeige, mehrere Naturschutzverbände lobten gemeinsam sogar ein Belohnung aus: 10.000 Euro für die Ergreifung des Täters. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf.
„Aber bislang ohne Ergebnis. Es scheint auch kein Ermittlungsergebnis zu geben, weil eben wenige Indizien vorliegen. Denn der Fundort der toten Wölfin entspricht ja nicht dem Tatort. Die Wölfin war nämlich nicht sofort tot, nachdem sie verletzt wurde, sondern sie hatte wohl noch überlebt, ein, zwei Tage vielleicht. Kann sich natürlich dann auch entfernt haben von dem Ort des Geschehens.“
Die Jagd auf den unbekannten Wolfskiller erzeugte aber auch Kopfschütteln.
„Das ist ja lachhaft, also nen Kopfgeld auszuloben das ist Quatsch. Es wird das nie dann irgendjemand anzeigen, Jäger nicht und auch nicht andere Leute.“
Christian Berndt, Wildfleisch-Händler aus Kodersdorf ist Jäger und Vorsitzender des Kreisjagdverbandes Landkreis Görlitz. Er wehrt sich gegen den Verdacht, den nicht wenige Wolfsfreunde hegen, dass manche Jäger in der Lausitz zu Selbstjustiz greifen, angesichts der immer zahlreicheren Wölfe. Denn die sind bekanntermaßen ihre schärfsten Konkurrenten bei der Jagd auf Reh- und Rotwild.
„Die Jäger haben das nicht geschossen. Es gibt viele, die Waffen haben. Es gibt Sportschützen, es gibt auch illegale Waffen, es gibt auch Leute, die das provozieren wollen ... und der Wolf, der dort geschossen wurde oder verwundet gefunden wurde, wer weiß wo das passiert ist.“
Der tote Wolf sei absichtlich an einen Wegrand gelegt worden, wo er dann von Spaziergängern gefunden wurde, glaubt Jäger-Vertreter Berndt. Aber warum? Und von wem?
„Tja, fragen Sie die Leute – es ist sehr mysteriös.""Die Leute“ – das sind für den Kreisjagdverbandssprecher vor allem die Wolfsfreunde – Naturschützer und Jagdgegner, die die Waidmänner in die Rolle der Bösen drängen wollen. Eine Rolle, die früher ganz klar dem Wolf zugeteilt war. Dabei verstehen sich auch die Jäger als Naturschützer – als Heger und Pfleger „ihres“ Wildes. Dessen Verhalten sich verändert hat, seitdem die Wölfe durch die Reviere streifen, sagt Berndt. Zum Beispiel die Rothirsche.
„"Sie waren ja nie mit Wölfen konfrontiert worden oder nur ganz sporadisch. Auch zu DDR-Zeiten hatten wir Wölfe da, die wurden natürlich immer abgeschossen, weil das nicht in unser Bild passte. Aber jetzt war's dann so, dass die Rotwild-Rudel sich zusammengezogen haben, dass Großrudel sich gebildet haben.“
Die neuen Rotwild-Großrudel hätten dann auch mehr Schaden in den Feldern angerichtet – Wildschaden, für den die Jagdpächter den Landwirten Ersatz zahlen müssen. In manchen Wolfsrevieren seien die Hirsche aber auch einfach abgewandert und das Rehwild viel vorsichtiger geworden, klagt Berndt. Damit natürlich auch schwerer zu bejagen:
„Früher waren die Jäger vielleicht drei bis vier Mal im Ansitz und jetzt müssen sie zehn bis zwölf Mal ansitzen, um Wild zu sehen und zum Erfolg zu kommen.“
Das ist ärgerlich für Jagdpächter, die viel Geld bezahlen, um Beute zu machen.
„... in einer Versammlung hat der dann gesagt, er hofft, dass das erste Kind, das hier in der Region vom Wolf gefressen wird, das Kind von Frau Kluth sein wird.“
Gesa Kluth, vom Wolfsbüro „Lupus“ in Spreewitz hat nicht viele Freunde unter den Jägern der Region. Zusammen mit ihrer Kollegin Inka Reinhard begleitete die Biologin aus Göttingen die Rückkehr und Ausbreitung der Wölfe in der Lausitz – wissenschaftlich. Die Wolfsexpertinnen beobachten Bewegung und Vermehrung der heimlichen Tiere, anhand ihrer Spuren. Sammeln genetische Informationen aus dem Kot der Tiere. Haben kürzlich sogar drei junge Wölfe vorübergehend eingefangen, sie mit Funksendern ausgerüstet und überwachen nun ihre Wanderungen per Satellit. Die Biologinnen haben aber auch den Schäfern in der Lausitz mit Rat und Tat dabei geholfen, ihre Herden erfolgreich vor Wolfsangriffen zu schützen.
In der Jägerschaft warben sie ebenfalls für die Akzeptanz des alten und nun wieder neuen Konkurrenten. Zunächst schienen die meisten offen für die Rückkehr der Wölfe. Doch nun, neun Jahre nach der Gründung des ersten Rudels, müssen die Wolfsforscher erleben, wie die Stimmung kippt.
„Hier in der Region muss man sagen, dass sich eine Dynamik entwickelt hat, dass es eben Leute gibt, die sehr, sehr negativ gegenüber Wölfen eingestellt sind in der Jägerschaft. Das ist eigentlich eine kleine Gruppe. Aber die hat dann eben geschafft, den Zungenschlag zu bestimmen, indem dann eben insgesamt über Wölfe geredet wurde.“
Eine Initiative mit dem Namen „Verein für Sicherheit und Artenschutz“ heizte die Stimmung gegen die Wölfe an. Nachdem die Gruppe mit dem Anliegen gescheitert war, eine Abschusserlaubnis für Wölfe gerichtlich zu erzwingen, wurden Gruselgeschichten in die Boulevardpresse lanciert, die sich bei späteren Nachforschungen der Wolfsexpertinnen als weitgehend erfunden entpuppten. Aber die Kampagne sorgte dafür, dass die Angst vor den Wölfen geschürt wurde, ärgert sich die Forstwirtin Jana Schellenberg vom Informationsbüro Wolfsregion Lausitz.
„Das ist natürlich absolut fatal, denn man muss dann ganz viel Informations- und Aufklärungsarbeit investieren, um das zu relativieren, aber manchmal klappt es dann auch gar nicht mehr, weil die Ängste sich so manifestiert haben.“
Sollte sich tatsächlich einmal ein Tier als „Problemwolf“ erweisen, darf er – trotz strengem Artenschutz – auch getötet werden, betont Aufklärerin Schellenberg. Die Entscheidung darüber trifft dann die regionale Naturschutzbehörde. Viele Jäger ärgert das, auch Christian Berndt vom Kreisjagdverband Görlitz, denn …
„muss warten, steht dabei und muss ansehen, wie der Wolf sich verlustigt.“
Bisher hat es in der Lausitz noch keinen einzigen Probemwolf gegeben. Trotzdem fordert der Landesjagdverband nun, den Wolf in das Jagdrecht aufzunehmen. Nicht um ihn zu bejagen, wie Berndt betont, sondern um ihn zu schützen. Naturschützer und Wolfsforscher, wie Gesa Kluth sind strikt dagegen. Sie warnen eindringlich davor, den wildlebenden Wolf neben dem Naturschutzrecht auch dem Jagdrecht zu unterwerfen. Kompetenzstreitigkeiten werden so programmiert. Und – so die Wolfsforscherin:
„Ein toter Wolf gehört dann dem Jagdausübungsberechtigten. Das heißt, die Naturschutzbehörde hätte dann nicht mehr so leicht Zugriff auf ein Tier. Untersuchungen von Todesursachen sind dann erschwert.“
Eine rechtliche Grauzone täte sich auf in der Lausitz – die ziemlich gefährlich wäre für die Wölfe.
100 Jahre städtische Forstverwaltung in Berlin
Von Sabine Korsukéwitz
Die Umsetzung des Naturschutzgedankens im Verein mit dem Klimawandel sorgt zumindest seit Jahren wieder für eine Ausbreitung der Wildtiere – und das ist nicht allen Menschen geheuer. In Berlin möchte mancher die Wildschweine ausgerottet sehen. Dabei leistet sich die Metropole seit 100 Jahren den größten Stadtwald Europas, den Grunewald.
Sabine Korsukéwitz ist ausnahmsweise nicht zur Holzauktion im Grunewald:
Kilz: „Wildschwein füttern – Ordnungswidrigkeit ab 500 Euro, Schluss!“
… regt sich Elmar Kilz, Forstamtsleiter Grunewald, auf ...
„Wildschweine füttern ist für mich versuchte Körperverletzung, nichts anderes. Das müsste in die Strafgesetzordnung aufgenommen werden, ist leider nur eine Ordnungswidrigkeit. Das ist passiert am Schildhornbaude wird gefüttert, und im Gewerkschaftsheim 20 Meter weiter beißt die Sau ein kleines Mädchen! Ich hätt’ beinahe den Wirt von der Schildhornbaude mir zur Brust genommen. Ja, jetzt hat die Schildhornbaude mal Ruhetag, ja weiß doch das Schwein nicht! Oder jetzt machen die mal Betriebsferien. Und die wollen dann weiter Futter haben wie immer, wie jeden Tag.“
Das Schwarzwild hat sich stark vermehrt in der Stadt und die Vettern vom Lande ziehen hinterher, weil das Futterangebot so günstig ist.
Da gibt’s ungesicherte Mülltonnen von Restaurants und Supermärkten, in denen sich ganze Steaks und Obsttorten finden lassen, bewässerte Gärten, in denen sich die Regenwürmer gleich unter der Oberfläche tummeln, wenn sie im trockenen Wald längst metertief abgetaucht sind. Und die Schweine haben gelernt, dass es sich mitunter lohnt, Schulkindern an Bushaltestellen aufzulauern oder Menschen mit Einkaufstüten zu verfolgen.
Kilz: „Alle Straßen, die Mittelstreifen haben, waren von Schweinen bevölkert, und das ist ein Zeichen, dass diese Kulturfolger, diese intelligenten Viecher, die ich eigentlich sehr gerne mag, sich wunderbar mit dem Menschen arrangiert haben, nur der Mensch nicht mit ihm.“
Und dann wird nach den Jägern gerufen.
Mehr als 3000 Wildschweine sind in diesem Winter in der Stadt erschossen worden, 1500 allein im Grunewald.
Das Thema Wildschwein – in Berlin ein Dauerbrenner – polarisiert: Angesichts verwüsteter Gärten, Autounfällen und aufgeschlitzter Hunde fordern die einen die Ausrottung der Bestien, die anderen schreien „Massenmord“. Eine seltsame Mischung aus Natursehnsucht und ängstlicher Ignoranz zerreißt die Berliner Volksseele. Der Waldbezirk Berlin Zehlendorf hat sogar seinen Wildschweinflüsterer, Heinrich Kupper, schlaksig-schlank, Mitte 50, Bergsteiger und Wildnissucher, wann immer die Stadt ihn frei gibt.
Kupper: „Na ja, ich fand sechs Frischlinge, die ohne Mutter waren, am nächsten Tag waren sie wieder da, ich hab ihnen was zu fressen gebracht, und dann hat sich die ganze Angelegenheit verselbstständigt. Es blieb dabei. Ich ging jeden Abend dorthin und immer wieder tauchten diese sechs Frischlinge auf, unter anderem auch ein paar andere Schweine und das ging dann weiter und weiter und weiter, und irgendwann waren die sechs die Stammherren, wenn man so will, die Leitbachen und Keiler, die wogen drei Zentner und – da hinten ist übrigens meine Lieblingsbache erschossen worden hier hinten, ja... – so ist es entstanden.“
Ein beglückendes Gefühl, wenn Wildtiere den Menschen so nah an sich heranlassen.
Kupper: „Ich war zum Schluss Kindergärtner der Wildschweine; die haben mir ihre Frischlinge übergeben, sind fressen gegangen und ich hab mit 30, 40 Frischlingen auf einem umgekippten Baumstamm gesessen und solange auf die Frischlinge aufgepasst, bis die Mütter fertig waren. Und dann haben sie ihre Frischlinge so nach und nach wieder abgeholt. Ich hab mit meiner Lieblingsbache zusammen im Kessel gelegen. Mit winzigen Wildschweinen, gerade eine Woche alt!“
Inzwischen füttert er nicht mehr, denn mit Futter haben auch die Jäger seine Rotte angelockt, um sie zu erschießen.
In manchen Geschäften lagen Unterschriftenlisten aus, mit denen energische Maßnahmen gegen die Schwarzkittel gefordert wurden.
Die Förster und Jäger kamen dem nach – Freude hat es ihnen nicht gemacht.
Mit Wildtieren ist in Berlin überall und jederzeit zu rechen. Denn ein Fünftel der Fläche von Berlin ist Wald, 28.000 Hektar, und es ist damit die grünste Metropole Europas. Dafür haben zu Beginn des vorigen Jahrhunderts vorausschauende Bürger gesorgt:
Franusch: „Das waren engagierte Pädagogen, das waren Sparkassenverbände, Verbände aller möglichen Interessen, die sich irgendwie kümmerten um die Perspektive, um die Stabilität, um die Gesundheit in Berlin. Das waren ganz kunterbunte, teils politische, teils anderweitig engagierte Gruppierungen aus ganz unterschiedlichen Herkünften. Die haben genau vor dem Hintergrund der wachsenden Bodenspekulation, der Expansion in Folge der Industrialisierung, haben die Alarm geschlagen, und das Ganze hat am Ende dazu geführt, dass man auch den Magistrat der Stadt hinter sich brachte und die Überzeugung sich durchsetzte, dass man tatsächlich eine entsprechende Vorsorgepolitik starten muss, dass man sich um diese Ressourcen kümmern muss, die ja in und um Berlin lagen aber nicht Berlin gehörten.“
Marc Franusch ist Pressesprecher der Berliner Forstverwaltung und hat dieses Jahr die schöne Aufgabe das hundertjährige Jubiläum dieser Forstverwaltung zu begleiten. Zum größten Happen, den der „kommunale Zweckverband Groß-Berlin“ 1915 dem preußischen Königshaus abkaufte gehörte der berühmte Grunewald.
Auf die spottbilligen Holzpreise spielt dieses Lied von 1890 an, und die waren möglich, weil der Wald rasant schrumpfte und Millionärsvillen Platz machen sollte.
„Grunewald ist dem Verderben geweiht!“
... titelte damals eine Berliner Zeitung. Doch zum Glück wurde der Wald gerettet. Wie hätte man es ohne ihn zum Beispiel zu Mauerzeiten ausgehalten?
Franusch: „Ganz schwer! Für uns war der Wald und die wenigen dörflichen Strukturen waren für uns kleine Urlaubsziele. Das war schon sehr speziell, besonders wenn man dann so mal die Hauptwege verlassen hat, um die Seen herum war man ja in ähnlicher Gesellschaft wie am Kudamm, also wirklich mit vielen, vielen Menschen gemeinsam unterwegs, besonders am Wochenende, aber wenn man so ein bisschen abseits gegangen ist, dann wurde es auch mal ruhiger und dann war’s schon kurios, dann hat man wirklich den Eindruck gehabt: man ist raus!“
Im Gegensatz zum Förster im Bayerischen Wald oder in den Tiefen des Harzes, ist der Alltag des Försters in Berlin alles andere als idyllisch und vor allem nicht still und heimlich – wie Elmar Kilz immer wieder zu spüren bekommt, wenn plötzlich, wie in diesem Winter am Wannsee, kräftig eingeschlagen wird.
Kilz: „Der Spaziergänger, der jeden Tag durch den Wald geht, der betrachtet den Wald wie seine eigenen Kinder und merkt dessen Wachstum so wenig wie das Wachstum seiner eigenen Kinder und erst wenn dann der Nachbar, sprich: der Förster kommt und sagt; huch! Sind deine Kinder groß geworden, oder: huch! Sind die Bäume groß geworden und deshalb wird eben periodisch gearbeitet, das heißt, alle zehn Jahre gehen wir da einmal rein, und das Gefällte im Winter, da sieht natürlich jeder alles, sobald sie jetzt, mitten in der Vegetationszeit dahin gehen, sehen sie gar nichts mehr, da fängt’s wieder an zu wachsen und genau das ist, was wir damit erreichen wollen.“
Und überhaupt: Der Berliner mischt sich gern ein und weiß alles besser.
Kilz: „Was mich besonders ärgert ist, wenn ich Zuschriften kriege, die sagen: ‚Ja, da hat mal so ein Förster eine Veranstaltung gemacht, aber das ist ja alles Quatsch, was der erzählt.‘ Was soll ich denn sonst noch machen? Also wir haben den öffentlichsten Arbeitsplatz, den man sich vorstellen kann, und jeder kann drin rumlaufen und jeder meint mit seiner Ausbildung ein bisschen was mit beitragen zu können, wir haben Ingenieure die uns hier am Grunewaldsee über Uferbefestigung belehren, wir haben Lehrer die unsere Waldpädagogen belehren, wie sie es besser machen können, wir haben Wegebauer die sagen: was ihr da mit euren Waldwegen macht ist völlig schwachsinnig, und so weiter.“
250 Millionen Besucher im Jahr, das muss ein Wald erstmal aushalten können. Da wünscht sich der Förster ein bisschen mehr ökologischen Verstand.
Kilz: „Sie betrachten den Wald nur noch als grüne Architektenpetersilie, um ihren Event, den sie eigentlich haben möchten, nämlich reiten, joggen, wandern, Hund ausführen, aber dass das im Wald statt findet, dass der Wald unabhängig von ihrer Tätigkeit ein lebendes Ökosystem mit hohen Naturschutzqualitäten (ist), das ist das, was mein Arbeitsgebiet ein bisschen spannend macht.“
Und immer wieder Konflikte zwischen den Nutzern:
Kilz: „Der Hund als Störer hat eben vorne ein Gebiss.“
Ein warmer Tag im Spätsommer, wir schlendern über einen breiten Trampelpfad, den es im Wegeplan nicht gibt. Sanft gefiltert treffen hier und da Sonnenstrahlen auf den staubigen Boden. Man atmet unwillkürlich tiefer durch.
Kilz: „Wenn man jetzt hier durch so einen Wald geht, was stellt der ungeübte Betrachter erstmal fest? Es ist grün! Das ist schon mal eine sehr gute Beobachtung, denn in unseren niederschlagsarmen märkischen Sanden ist die Tatsache, dass es grün ist, gar nicht selbstverständlich. weil wir viel zu wenig Wasser haben und das Wasser sackt im Sand ja einfach weg. Das heißt, das ist eine unserer Zielsetzungen, dass ich vom Gras über die Sträuche über die Bäume jede Schicht im Wald vertreten habe: Jeder Tropfen Wasser im Wald wird verwertet. Zum Beispiel im Grunewald habe ich kein Grundwasser durch die schon über ein Jahrhundert andauernde Wasserförderung aus Waldrandgebieten gibt’s das nächste Grundwasser acht Meter unter dem Boden. Da kommt kein Baum dran, also die leben hier vom Niederschlagswasser.“
Nachzucht geschieht inzwischen auf natürlichem Weg. Was sich aus Nuss und Eichel entwickelt ist belastungsfähiger als Plantagenbäume. Noch fehlen die ehrwürdigen Baumriesen, die man aus anderen deutschen Wäldern kennt. Das sind die Folgen des zweiten Weltkriegs. 3000 Hektar Grunewald waren nach dem Krieg völlig kahl. Und was noch stand wurde in den kalten Wintern 45/46 verheizt. Der Förster zeigt Bilder: Sand, Bombentrichter, eine einzige Wüste.
Kilz: „Mit Hilfe des Marschallplans und einer Berliner Variante des sogenannten GARIOA Plans wurde mit entsetzlich viel Arbeitslosen wieder mühselig zum Beispiel Schlamm aus der Havel gewonnen, um auf diesem Sand als Mutterbodenersatz aufgebracht zu werden, und dann wurde mit Pferden gepflügt, und dann wurden einzeln die Kiefern, eingeplanzt, um dann wieder Wald zu geben. Es war eine enorme Leistung. Und der Grunewald ist in großen Teilen 70 Jahre alt, nicht älter. Es gibt ein paar nette Ecken in Düppel, da war der amerikanische Stadtkommandant zuständig, der hat gesagt: lasst jeden zehnten Baum stehen, da habt ihr immer noch ein paar Bäume; hier im zentralen Grunewald war der britische Stadtkommandant, der hat gesagt: wir haben auch keinen Wald in England, also hackt alles ab. Und in Tegel war der französische Stadtkommandant, der war Förster. Der sagte: nehmt jeden zehnten Baum weg, merkt kein Schwein. Und deshalb hab ich in Tegel die Altbestände die die Berliner Forsten noch haben.“
Trimmpfade, Hundeauslaufgebiet und Reitwege, das ist einfach Konfliktpotenzial, da ist der Förster manchmal so allein wie John Wayne in „High Noon“. Die Benutzer sollten sich ein bisschen besser über den Wald informieren, wünscht der Förster sich. Die Homepage und die zahlreichen Broschüren nutzen, die die Forstverwaltung anbietet, ihre Kinder in die Waldschulen schicken.
Die Straße benutzt man schließlich auch nicht, ohne die Verkehrregeln zu kennen.
Von Jan-Uwe Stahr
Seit fast 20 Jahren stehen Wölfe in Deutschland unter strengem Naturschutz und dürfen nicht gejagt werden. Zwar galt der Wolf damals in Deutschland als ausgestorben, doch das hat sich inzwischen geändert – zumindest in der Lausitz. Dank polnischer Wolfseinwanderer und der erfolgreichen Zusammenarbeit von Wildbiologen, Naturschützern und Jägern konnten die Raubtiere dort seit Ende der 90er-Jahre auf einem Truppenübungsplatz wieder heimisch werden. Inzwischen haben sie sich prächtig vermehrt: Es gibt fünf Rudel mit insgesamt etwa 35 bis 45 Tieren. Längst leben und jagen sie auch außerhalb des abgesperrten Militärgeländes. Dort sorgen sie für wachsenden Unmut bei ihren Konkurrenten – den Jägern. Kürzlich wurde ein Wolf erschossen – Naturschützer lobten ein Kopfgeld aus.
„Wenn ich jetzt aber verletzt wäre ... nur ein Bein hätte zum Beispiel ... dann bin ich nicht mehr so gelenkig, aber ich bin immer noch ziemlich gut, aber hab schon meine Probleme nicht."“
Stefan Kaasche springt humpelnd umher, hält sich dabei ein Hirschgeweih über den Kopf, richtet es drohend auf den achtjährigen Denni, der versuchen soll, den verletzten „Hirsch“ zu fangen. Denni ist der Wolf ...
„hab nur ein Bein, aber kann mich noch immer ganz gut wehren. Also auch das ist für den Denni ziemlich problematisch.“
Spielerisch sollen die Kinder aus der Cunewalder Tagestätte „Wichtelland“ lernen, wie ein Wolf sich in der freien Natur verhält. Wie er das Wild jagt. Und dass er scheu und heimlich ist und die Menschen sich vor ihm nicht fürchten müssen. Frau Förster, die Leiterin vom Wichtelland, hat Herr Kaasche vom staatlichen Informationsbüro der Wolfsregion Lausitz für eine kindgerechte Aufklärungsstunde eingeladen.
Förster: „Wir gehen viel mit den Kindern in den Wald. Und im Waldgebiet, weil wir relativ nahe dranliegen, kommt auch die Frage von den Kindern: Müssen wir Angst haben? Sind die schon da? Wohnen die bei uns? Ist es weit weg?“
Ja die Wölfe sind da! Fünf Rudel mit insgesamt 40 bis 50 Tieren leben inzwischen in den Wäldern der sächsischen Lausitz und im südlichen Brandenburg.
Ende der 90er-Jahre war ein Wolfspaar aus Polen nach Sachsen eingewandert. Ließ sich auf einem abgelegenen Truppenübungsplatz nieder und bekam im Jahr 2000 Nachwuchs. Erstmalig nachdem die Wölfe vor rund150 Jahren in Deutschland ausgerottet wurden, gab es nun wieder ein heimisches Rudel. Inzwischen sind es bereits fünf Rudel geworden. Längst leben diese Tiere nicht mehr nur auf dem abgesperrten Militärgelände. Heute besiedeln sie etwa 2000 Quadratkilometer bewohntes Kulturland.
Die Rückkehr der in Deutschland lange ausgestorbenen Tierart ist ein großer Erfolg für den Naturschutz. Verbände halfen den Wölfen mit politischer Lobby- und öffentlicher Aufklärungsarbeit. In der strukturschwachen Lausitz hat sich inzwischen ein regelrechter Wolfstourismus entwickelt. Wolfsfreunde und Naturliebhaber können sich im Museumsdorf Ehrlichthof bei Rietschen, nicht nur fachkundig über die sagenumwobene und faszinierende Tierart unterrichten lassen, es gibt auch Exkursionen zur Spurensuche in den Wäldern. Doch es gibt auch eine Kehrseite des Wolfbooms – je mehr Wölfe sich in den ostdeutschen Wäldern ausbreiten, desto verbitterter werden seine Feinde.
Immer wieder wird auf die streng geschützten Tiere geschossen. In Niedersachsen erlegten Jäger auf einer Gesellschaftsjagd einen durchwandernden Wolf, der vermutlich aus der Lausitz kam. Auch in Brandenburg wurde schon geschossen – und in der Lausitz. Der letzte bekannt gewordene Fall liegt erst einige Monate zurück.
„Das war im Januar, da wurde ein geschossener Wolf gefunden, bzw. man hat ja auch erstmal einen toten Wolf gefunden ... "
Forstwirtin Jana Schellenberg vom Informationsbüro Wolfsregion-Lausitz:
„... und alle toten Wölfe die werden im Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin untersucht. Und bei diesem Kadaver stellte man aber fest, dass die Wölfin mit Jagdmunition getötet wurde. Es handelt sich also um einen illegalen Abschuss – das ist eine Straftat.“
Genetische Untersuchungen ergaben: Der erschossene Wolf gehörte zu dem Nochtener Rudel. Der Landkreis Görlitz stellte Strafanzeige, mehrere Naturschutzverbände lobten gemeinsam sogar ein Belohnung aus: 10.000 Euro für die Ergreifung des Täters. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf.
„Aber bislang ohne Ergebnis. Es scheint auch kein Ermittlungsergebnis zu geben, weil eben wenige Indizien vorliegen. Denn der Fundort der toten Wölfin entspricht ja nicht dem Tatort. Die Wölfin war nämlich nicht sofort tot, nachdem sie verletzt wurde, sondern sie hatte wohl noch überlebt, ein, zwei Tage vielleicht. Kann sich natürlich dann auch entfernt haben von dem Ort des Geschehens.“
Die Jagd auf den unbekannten Wolfskiller erzeugte aber auch Kopfschütteln.
„Das ist ja lachhaft, also nen Kopfgeld auszuloben das ist Quatsch. Es wird das nie dann irgendjemand anzeigen, Jäger nicht und auch nicht andere Leute.“
Christian Berndt, Wildfleisch-Händler aus Kodersdorf ist Jäger und Vorsitzender des Kreisjagdverbandes Landkreis Görlitz. Er wehrt sich gegen den Verdacht, den nicht wenige Wolfsfreunde hegen, dass manche Jäger in der Lausitz zu Selbstjustiz greifen, angesichts der immer zahlreicheren Wölfe. Denn die sind bekanntermaßen ihre schärfsten Konkurrenten bei der Jagd auf Reh- und Rotwild.
„Die Jäger haben das nicht geschossen. Es gibt viele, die Waffen haben. Es gibt Sportschützen, es gibt auch illegale Waffen, es gibt auch Leute, die das provozieren wollen ... und der Wolf, der dort geschossen wurde oder verwundet gefunden wurde, wer weiß wo das passiert ist.“
Der tote Wolf sei absichtlich an einen Wegrand gelegt worden, wo er dann von Spaziergängern gefunden wurde, glaubt Jäger-Vertreter Berndt. Aber warum? Und von wem?
„Tja, fragen Sie die Leute – es ist sehr mysteriös.""Die Leute“ – das sind für den Kreisjagdverbandssprecher vor allem die Wolfsfreunde – Naturschützer und Jagdgegner, die die Waidmänner in die Rolle der Bösen drängen wollen. Eine Rolle, die früher ganz klar dem Wolf zugeteilt war. Dabei verstehen sich auch die Jäger als Naturschützer – als Heger und Pfleger „ihres“ Wildes. Dessen Verhalten sich verändert hat, seitdem die Wölfe durch die Reviere streifen, sagt Berndt. Zum Beispiel die Rothirsche.
„"Sie waren ja nie mit Wölfen konfrontiert worden oder nur ganz sporadisch. Auch zu DDR-Zeiten hatten wir Wölfe da, die wurden natürlich immer abgeschossen, weil das nicht in unser Bild passte. Aber jetzt war's dann so, dass die Rotwild-Rudel sich zusammengezogen haben, dass Großrudel sich gebildet haben.“
Die neuen Rotwild-Großrudel hätten dann auch mehr Schaden in den Feldern angerichtet – Wildschaden, für den die Jagdpächter den Landwirten Ersatz zahlen müssen. In manchen Wolfsrevieren seien die Hirsche aber auch einfach abgewandert und das Rehwild viel vorsichtiger geworden, klagt Berndt. Damit natürlich auch schwerer zu bejagen:
„Früher waren die Jäger vielleicht drei bis vier Mal im Ansitz und jetzt müssen sie zehn bis zwölf Mal ansitzen, um Wild zu sehen und zum Erfolg zu kommen.“
Das ist ärgerlich für Jagdpächter, die viel Geld bezahlen, um Beute zu machen.
„... in einer Versammlung hat der dann gesagt, er hofft, dass das erste Kind, das hier in der Region vom Wolf gefressen wird, das Kind von Frau Kluth sein wird.“
Gesa Kluth, vom Wolfsbüro „Lupus“ in Spreewitz hat nicht viele Freunde unter den Jägern der Region. Zusammen mit ihrer Kollegin Inka Reinhard begleitete die Biologin aus Göttingen die Rückkehr und Ausbreitung der Wölfe in der Lausitz – wissenschaftlich. Die Wolfsexpertinnen beobachten Bewegung und Vermehrung der heimlichen Tiere, anhand ihrer Spuren. Sammeln genetische Informationen aus dem Kot der Tiere. Haben kürzlich sogar drei junge Wölfe vorübergehend eingefangen, sie mit Funksendern ausgerüstet und überwachen nun ihre Wanderungen per Satellit. Die Biologinnen haben aber auch den Schäfern in der Lausitz mit Rat und Tat dabei geholfen, ihre Herden erfolgreich vor Wolfsangriffen zu schützen.
In der Jägerschaft warben sie ebenfalls für die Akzeptanz des alten und nun wieder neuen Konkurrenten. Zunächst schienen die meisten offen für die Rückkehr der Wölfe. Doch nun, neun Jahre nach der Gründung des ersten Rudels, müssen die Wolfsforscher erleben, wie die Stimmung kippt.
„Hier in der Region muss man sagen, dass sich eine Dynamik entwickelt hat, dass es eben Leute gibt, die sehr, sehr negativ gegenüber Wölfen eingestellt sind in der Jägerschaft. Das ist eigentlich eine kleine Gruppe. Aber die hat dann eben geschafft, den Zungenschlag zu bestimmen, indem dann eben insgesamt über Wölfe geredet wurde.“
Eine Initiative mit dem Namen „Verein für Sicherheit und Artenschutz“ heizte die Stimmung gegen die Wölfe an. Nachdem die Gruppe mit dem Anliegen gescheitert war, eine Abschusserlaubnis für Wölfe gerichtlich zu erzwingen, wurden Gruselgeschichten in die Boulevardpresse lanciert, die sich bei späteren Nachforschungen der Wolfsexpertinnen als weitgehend erfunden entpuppten. Aber die Kampagne sorgte dafür, dass die Angst vor den Wölfen geschürt wurde, ärgert sich die Forstwirtin Jana Schellenberg vom Informationsbüro Wolfsregion Lausitz.
„Das ist natürlich absolut fatal, denn man muss dann ganz viel Informations- und Aufklärungsarbeit investieren, um das zu relativieren, aber manchmal klappt es dann auch gar nicht mehr, weil die Ängste sich so manifestiert haben.“
Sollte sich tatsächlich einmal ein Tier als „Problemwolf“ erweisen, darf er – trotz strengem Artenschutz – auch getötet werden, betont Aufklärerin Schellenberg. Die Entscheidung darüber trifft dann die regionale Naturschutzbehörde. Viele Jäger ärgert das, auch Christian Berndt vom Kreisjagdverband Görlitz, denn …
„muss warten, steht dabei und muss ansehen, wie der Wolf sich verlustigt.“
Bisher hat es in der Lausitz noch keinen einzigen Probemwolf gegeben. Trotzdem fordert der Landesjagdverband nun, den Wolf in das Jagdrecht aufzunehmen. Nicht um ihn zu bejagen, wie Berndt betont, sondern um ihn zu schützen. Naturschützer und Wolfsforscher, wie Gesa Kluth sind strikt dagegen. Sie warnen eindringlich davor, den wildlebenden Wolf neben dem Naturschutzrecht auch dem Jagdrecht zu unterwerfen. Kompetenzstreitigkeiten werden so programmiert. Und – so die Wolfsforscherin:
„Ein toter Wolf gehört dann dem Jagdausübungsberechtigten. Das heißt, die Naturschutzbehörde hätte dann nicht mehr so leicht Zugriff auf ein Tier. Untersuchungen von Todesursachen sind dann erschwert.“
Eine rechtliche Grauzone täte sich auf in der Lausitz – die ziemlich gefährlich wäre für die Wölfe.
100 Jahre städtische Forstverwaltung in Berlin
Von Sabine Korsukéwitz
Die Umsetzung des Naturschutzgedankens im Verein mit dem Klimawandel sorgt zumindest seit Jahren wieder für eine Ausbreitung der Wildtiere – und das ist nicht allen Menschen geheuer. In Berlin möchte mancher die Wildschweine ausgerottet sehen. Dabei leistet sich die Metropole seit 100 Jahren den größten Stadtwald Europas, den Grunewald.
Sabine Korsukéwitz ist ausnahmsweise nicht zur Holzauktion im Grunewald:
Kilz: „Wildschwein füttern – Ordnungswidrigkeit ab 500 Euro, Schluss!“
… regt sich Elmar Kilz, Forstamtsleiter Grunewald, auf ...
„Wildschweine füttern ist für mich versuchte Körperverletzung, nichts anderes. Das müsste in die Strafgesetzordnung aufgenommen werden, ist leider nur eine Ordnungswidrigkeit. Das ist passiert am Schildhornbaude wird gefüttert, und im Gewerkschaftsheim 20 Meter weiter beißt die Sau ein kleines Mädchen! Ich hätt’ beinahe den Wirt von der Schildhornbaude mir zur Brust genommen. Ja, jetzt hat die Schildhornbaude mal Ruhetag, ja weiß doch das Schwein nicht! Oder jetzt machen die mal Betriebsferien. Und die wollen dann weiter Futter haben wie immer, wie jeden Tag.“
Das Schwarzwild hat sich stark vermehrt in der Stadt und die Vettern vom Lande ziehen hinterher, weil das Futterangebot so günstig ist.
Da gibt’s ungesicherte Mülltonnen von Restaurants und Supermärkten, in denen sich ganze Steaks und Obsttorten finden lassen, bewässerte Gärten, in denen sich die Regenwürmer gleich unter der Oberfläche tummeln, wenn sie im trockenen Wald längst metertief abgetaucht sind. Und die Schweine haben gelernt, dass es sich mitunter lohnt, Schulkindern an Bushaltestellen aufzulauern oder Menschen mit Einkaufstüten zu verfolgen.
Kilz: „Alle Straßen, die Mittelstreifen haben, waren von Schweinen bevölkert, und das ist ein Zeichen, dass diese Kulturfolger, diese intelligenten Viecher, die ich eigentlich sehr gerne mag, sich wunderbar mit dem Menschen arrangiert haben, nur der Mensch nicht mit ihm.“
Und dann wird nach den Jägern gerufen.
Mehr als 3000 Wildschweine sind in diesem Winter in der Stadt erschossen worden, 1500 allein im Grunewald.
Das Thema Wildschwein – in Berlin ein Dauerbrenner – polarisiert: Angesichts verwüsteter Gärten, Autounfällen und aufgeschlitzter Hunde fordern die einen die Ausrottung der Bestien, die anderen schreien „Massenmord“. Eine seltsame Mischung aus Natursehnsucht und ängstlicher Ignoranz zerreißt die Berliner Volksseele. Der Waldbezirk Berlin Zehlendorf hat sogar seinen Wildschweinflüsterer, Heinrich Kupper, schlaksig-schlank, Mitte 50, Bergsteiger und Wildnissucher, wann immer die Stadt ihn frei gibt.
Kupper: „Na ja, ich fand sechs Frischlinge, die ohne Mutter waren, am nächsten Tag waren sie wieder da, ich hab ihnen was zu fressen gebracht, und dann hat sich die ganze Angelegenheit verselbstständigt. Es blieb dabei. Ich ging jeden Abend dorthin und immer wieder tauchten diese sechs Frischlinge auf, unter anderem auch ein paar andere Schweine und das ging dann weiter und weiter und weiter, und irgendwann waren die sechs die Stammherren, wenn man so will, die Leitbachen und Keiler, die wogen drei Zentner und – da hinten ist übrigens meine Lieblingsbache erschossen worden hier hinten, ja... – so ist es entstanden.“
Ein beglückendes Gefühl, wenn Wildtiere den Menschen so nah an sich heranlassen.
Kupper: „Ich war zum Schluss Kindergärtner der Wildschweine; die haben mir ihre Frischlinge übergeben, sind fressen gegangen und ich hab mit 30, 40 Frischlingen auf einem umgekippten Baumstamm gesessen und solange auf die Frischlinge aufgepasst, bis die Mütter fertig waren. Und dann haben sie ihre Frischlinge so nach und nach wieder abgeholt. Ich hab mit meiner Lieblingsbache zusammen im Kessel gelegen. Mit winzigen Wildschweinen, gerade eine Woche alt!“
Inzwischen füttert er nicht mehr, denn mit Futter haben auch die Jäger seine Rotte angelockt, um sie zu erschießen.
In manchen Geschäften lagen Unterschriftenlisten aus, mit denen energische Maßnahmen gegen die Schwarzkittel gefordert wurden.
Die Förster und Jäger kamen dem nach – Freude hat es ihnen nicht gemacht.
Mit Wildtieren ist in Berlin überall und jederzeit zu rechen. Denn ein Fünftel der Fläche von Berlin ist Wald, 28.000 Hektar, und es ist damit die grünste Metropole Europas. Dafür haben zu Beginn des vorigen Jahrhunderts vorausschauende Bürger gesorgt:
Franusch: „Das waren engagierte Pädagogen, das waren Sparkassenverbände, Verbände aller möglichen Interessen, die sich irgendwie kümmerten um die Perspektive, um die Stabilität, um die Gesundheit in Berlin. Das waren ganz kunterbunte, teils politische, teils anderweitig engagierte Gruppierungen aus ganz unterschiedlichen Herkünften. Die haben genau vor dem Hintergrund der wachsenden Bodenspekulation, der Expansion in Folge der Industrialisierung, haben die Alarm geschlagen, und das Ganze hat am Ende dazu geführt, dass man auch den Magistrat der Stadt hinter sich brachte und die Überzeugung sich durchsetzte, dass man tatsächlich eine entsprechende Vorsorgepolitik starten muss, dass man sich um diese Ressourcen kümmern muss, die ja in und um Berlin lagen aber nicht Berlin gehörten.“
Marc Franusch ist Pressesprecher der Berliner Forstverwaltung und hat dieses Jahr die schöne Aufgabe das hundertjährige Jubiläum dieser Forstverwaltung zu begleiten. Zum größten Happen, den der „kommunale Zweckverband Groß-Berlin“ 1915 dem preußischen Königshaus abkaufte gehörte der berühmte Grunewald.
Auf die spottbilligen Holzpreise spielt dieses Lied von 1890 an, und die waren möglich, weil der Wald rasant schrumpfte und Millionärsvillen Platz machen sollte.
„Grunewald ist dem Verderben geweiht!“
... titelte damals eine Berliner Zeitung. Doch zum Glück wurde der Wald gerettet. Wie hätte man es ohne ihn zum Beispiel zu Mauerzeiten ausgehalten?
Franusch: „Ganz schwer! Für uns war der Wald und die wenigen dörflichen Strukturen waren für uns kleine Urlaubsziele. Das war schon sehr speziell, besonders wenn man dann so mal die Hauptwege verlassen hat, um die Seen herum war man ja in ähnlicher Gesellschaft wie am Kudamm, also wirklich mit vielen, vielen Menschen gemeinsam unterwegs, besonders am Wochenende, aber wenn man so ein bisschen abseits gegangen ist, dann wurde es auch mal ruhiger und dann war’s schon kurios, dann hat man wirklich den Eindruck gehabt: man ist raus!“
Im Gegensatz zum Förster im Bayerischen Wald oder in den Tiefen des Harzes, ist der Alltag des Försters in Berlin alles andere als idyllisch und vor allem nicht still und heimlich – wie Elmar Kilz immer wieder zu spüren bekommt, wenn plötzlich, wie in diesem Winter am Wannsee, kräftig eingeschlagen wird.
Kilz: „Der Spaziergänger, der jeden Tag durch den Wald geht, der betrachtet den Wald wie seine eigenen Kinder und merkt dessen Wachstum so wenig wie das Wachstum seiner eigenen Kinder und erst wenn dann der Nachbar, sprich: der Förster kommt und sagt; huch! Sind deine Kinder groß geworden, oder: huch! Sind die Bäume groß geworden und deshalb wird eben periodisch gearbeitet, das heißt, alle zehn Jahre gehen wir da einmal rein, und das Gefällte im Winter, da sieht natürlich jeder alles, sobald sie jetzt, mitten in der Vegetationszeit dahin gehen, sehen sie gar nichts mehr, da fängt’s wieder an zu wachsen und genau das ist, was wir damit erreichen wollen.“
Und überhaupt: Der Berliner mischt sich gern ein und weiß alles besser.
Kilz: „Was mich besonders ärgert ist, wenn ich Zuschriften kriege, die sagen: ‚Ja, da hat mal so ein Förster eine Veranstaltung gemacht, aber das ist ja alles Quatsch, was der erzählt.‘ Was soll ich denn sonst noch machen? Also wir haben den öffentlichsten Arbeitsplatz, den man sich vorstellen kann, und jeder kann drin rumlaufen und jeder meint mit seiner Ausbildung ein bisschen was mit beitragen zu können, wir haben Ingenieure die uns hier am Grunewaldsee über Uferbefestigung belehren, wir haben Lehrer die unsere Waldpädagogen belehren, wie sie es besser machen können, wir haben Wegebauer die sagen: was ihr da mit euren Waldwegen macht ist völlig schwachsinnig, und so weiter.“
250 Millionen Besucher im Jahr, das muss ein Wald erstmal aushalten können. Da wünscht sich der Förster ein bisschen mehr ökologischen Verstand.
Kilz: „Sie betrachten den Wald nur noch als grüne Architektenpetersilie, um ihren Event, den sie eigentlich haben möchten, nämlich reiten, joggen, wandern, Hund ausführen, aber dass das im Wald statt findet, dass der Wald unabhängig von ihrer Tätigkeit ein lebendes Ökosystem mit hohen Naturschutzqualitäten (ist), das ist das, was mein Arbeitsgebiet ein bisschen spannend macht.“
Und immer wieder Konflikte zwischen den Nutzern:
Kilz: „Der Hund als Störer hat eben vorne ein Gebiss.“
Ein warmer Tag im Spätsommer, wir schlendern über einen breiten Trampelpfad, den es im Wegeplan nicht gibt. Sanft gefiltert treffen hier und da Sonnenstrahlen auf den staubigen Boden. Man atmet unwillkürlich tiefer durch.
Kilz: „Wenn man jetzt hier durch so einen Wald geht, was stellt der ungeübte Betrachter erstmal fest? Es ist grün! Das ist schon mal eine sehr gute Beobachtung, denn in unseren niederschlagsarmen märkischen Sanden ist die Tatsache, dass es grün ist, gar nicht selbstverständlich. weil wir viel zu wenig Wasser haben und das Wasser sackt im Sand ja einfach weg. Das heißt, das ist eine unserer Zielsetzungen, dass ich vom Gras über die Sträuche über die Bäume jede Schicht im Wald vertreten habe: Jeder Tropfen Wasser im Wald wird verwertet. Zum Beispiel im Grunewald habe ich kein Grundwasser durch die schon über ein Jahrhundert andauernde Wasserförderung aus Waldrandgebieten gibt’s das nächste Grundwasser acht Meter unter dem Boden. Da kommt kein Baum dran, also die leben hier vom Niederschlagswasser.“
Nachzucht geschieht inzwischen auf natürlichem Weg. Was sich aus Nuss und Eichel entwickelt ist belastungsfähiger als Plantagenbäume. Noch fehlen die ehrwürdigen Baumriesen, die man aus anderen deutschen Wäldern kennt. Das sind die Folgen des zweiten Weltkriegs. 3000 Hektar Grunewald waren nach dem Krieg völlig kahl. Und was noch stand wurde in den kalten Wintern 45/46 verheizt. Der Förster zeigt Bilder: Sand, Bombentrichter, eine einzige Wüste.
Kilz: „Mit Hilfe des Marschallplans und einer Berliner Variante des sogenannten GARIOA Plans wurde mit entsetzlich viel Arbeitslosen wieder mühselig zum Beispiel Schlamm aus der Havel gewonnen, um auf diesem Sand als Mutterbodenersatz aufgebracht zu werden, und dann wurde mit Pferden gepflügt, und dann wurden einzeln die Kiefern, eingeplanzt, um dann wieder Wald zu geben. Es war eine enorme Leistung. Und der Grunewald ist in großen Teilen 70 Jahre alt, nicht älter. Es gibt ein paar nette Ecken in Düppel, da war der amerikanische Stadtkommandant zuständig, der hat gesagt: lasst jeden zehnten Baum stehen, da habt ihr immer noch ein paar Bäume; hier im zentralen Grunewald war der britische Stadtkommandant, der hat gesagt: wir haben auch keinen Wald in England, also hackt alles ab. Und in Tegel war der französische Stadtkommandant, der war Förster. Der sagte: nehmt jeden zehnten Baum weg, merkt kein Schwein. Und deshalb hab ich in Tegel die Altbestände die die Berliner Forsten noch haben.“
Trimmpfade, Hundeauslaufgebiet und Reitwege, das ist einfach Konfliktpotenzial, da ist der Förster manchmal so allein wie John Wayne in „High Noon“. Die Benutzer sollten sich ein bisschen besser über den Wald informieren, wünscht der Förster sich. Die Homepage und die zahlreichen Broschüren nutzen, die die Forstverwaltung anbietet, ihre Kinder in die Waldschulen schicken.
Die Straße benutzt man schließlich auch nicht, ohne die Verkehrregeln zu kennen.