Wohnungslos in Berlin

"Es gibt einen irren Konkurrenzkampf auf dem Wohnungsmarkt"

Die Zahl der Wohnungslosen steigt in Deutschland an, genaue Zahlen liegen nicht vor, nur Schätzungen. Obdachlose am S-Bahnhof Tempelhofer Damm.
Obdachlose am S-Bahnhof Berlin-Tempelhof © imago/Steinach
Barbara Eschen im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke · 09.01.2018
Vier- bis sechstausend Menschen in Berlin hätten kein Dach überm Kopf - und weitere 30.000 keine eigene Wohnung, beklagt die Direktorin der Berliner Diakonie, Barbara Eschen. Ursächlich dafür sei auch ein "voll verstopfter" Markt für preiswerte Wohnungen.
Am Mittwoch werden Vertreter des Berliner Senats, der Bezirke, der Wohlfahrtsverbände und der Wohnungslosenhilfe über Strategien gegen Wohnungslosigkeit beraten. Denn in deutschen Metropolen und Universitätsstädten gibt es immer mehr Menschen ohne festen Wohnsitz - vor allem aber in Berlin.
Barbara Eschen, Direktorin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg, rechnet damit, dass in Berlin zwischen vier- und sechstausend Menschen wirklich kein Dach überm Kopf hätten. Hinzu kämen Personen, die über keine eigene Wohnung verfügten, sondern ordnungsbehördlich untergebracht seien, zum Beispiel in Hostels. Deren Zahl sei inzwischen auf vermutlich 30.000 angestiegen.
"Hier entstehen exklusive Eigentumswohnungen" steht auf einem Werbebanner im Bezirk Mitte in Berlin.
Exklusive Eigentumswohnungen© picture alliance / Wolfram Steinberg
"Berlin hat auf jeden Fall das Problem, dass der preiswerte Wohnungsmarkt voll verstopft ist", sagt Eschen. Es gebe kaum noch Menschen, die aus preiswerten Wohnungen auszögen, auch weil einfach die Wohnungen angesichts von schätzungsweise 40.000 Neubürgern in der Hauptstadt nicht ausreichten. "Von daher ist einfach ein irrer Konkurrenzkampf auf dem Wohnungsmarkt. Und der geht zu Lasten derer aus, die wenig Geld haben, ein geringes Einkommen haben oder vielleicht gar kein Einkommen haben." Hinzu kämen Personen aus Osteuropa, die nach Berlin gekommen seien, um Arbeit zu finden, vielleicht auch gearbeitete hätten oder die zur Schwarzarbeit angeworben worden seien und jetzt keine Ansprüche hätten. "Die sind ganz schlecht dran."

Helfen erst einmal nur Tempohomes?

Die Verantwortlichen hätten nicht früh genug erkannt, dass sie den sozialen Wohnungsbau hätten fördern müssen - und räumten das auch heute ein, so Eschen weiter. Ein weiteres Problem sei, dass viele Sozialwohnungen nach zehn Jahren aus der Sozialbindung herausfielen. "Und dann können die Leute, die da bisher gewohnt haben, sich das nicht mehr leisten. Das ist ein ganz großes Problem. Und neue Sozialwohnungen werden jetzt zwar gefördert, aber das dauert eben."
Insofern befürchtet die Direktorin der Berliner Diakonie, dass sich die Wohnungslosigkeit vorerst nur durch "Sonderlösungen" zur vorübergehenden Unterbringung wie etwa Tempohomes bekämpfen lassen wird. Außerdem müsse das Hilfesystem für Obdachlose ausgebaut werden.
(uko)
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