Wohnst du noch?

Moderation: Katja Bigalke · 11.09.2013
Ob Berlin, Hamburg, Köln oder Frankfurt - die Klagen über steigende Mieten und die Verdrängung soziall Schwächerer klingen überall ähnlich. Was kann man tun, um das zu stoppen? Köln, Hamburg oder Frankfurt liefern Beispiele. Susanne Grüter, Anke Petermann und Axel Schröder berichten.
Blicken wir zunächst nach Köln. Hier sieht die Situation dramatisch aus, das weiß jeder, der in der Stadt schon einem eine erschwingliche Wohnung gesucht hat. Die Stadt wächst seit Jahren. Und trotzdem hat die Politik lange Zeit den Wohnungsbau vernachlässigt – wegen des demographischen Wandels.

Zwar schrumpft die Bevölkerung insgesamt tatsächlich, doch die Zahl der Haushalte in den Großstädten steigt und damit natürlich auch die Nachfrage nach Wohnungen. Das hätte man auch in Köln viel früher erkennen müssen meint Susanne Grüter die sich die Ursachen für die schlechte Wohnungsmarktlage in der Stadt einmal genauer angeschaut hat.

Zum Beispiel Köln
"Wenn es mal was Günstiges gibt, dann heißt es immer, nee – an Studenten nicht, nicht WG oder da werden erst mal 20 Leute anstehen, sich die Wohnung angucken, klar, wenn jemand da ankommt, der irgendwie monatlich 2000 netto verdient, das ist doch sicher, dass er die Wohnung bekommt anstatt eine Studentin, ja, da habe ich auch schlechte Karten."

"Für Kölner Studierende ist es schon verdammt eng halt, es ist schon schwierig für die, einen Platz zu finden. Das sehen wir allein daran, dass wir letztes Jahr über 10.000 Bewerber hatten. Das ist so viel wie nie zuvor. Und wir konnten nur einem Drittel von diesen Bewerbern einen Platz in unseren Wohnheimen anbieten."

... sagt Cornelia Gerecke vom Kölner Studentenwerk. Sie rechnet zum Wintersemester mit dramatischen Zuständen wegen des doppelten Abitur-Jahrgangs in Nordrhein-Westfalen. Köln dürfte dann fast 80.000 Studierende haben.

"1.200 Euro zuzüglich Nebenkosten, Zimmer drei. Das ist echt unglaublich."

"Wir haben eine Dreizimmer-Wohnung, zwei Kinder, haben uns auch mehrere Wohnungen angeguckt, normale Durchschnitts-Vierzimmerwohnungen, wovon es hier eh’ nicht viele gibt, und wir sind grundsätzlich bei einer Endmiete von 1.300, 1.400 Euro rausgekommen warm, aber wir bezahlen hier jetzt nur 800 warm."

Sabine Feldhoff - ihren richtigen Namen möchte die Kölnerin nicht nennen - wohnt mit ihrer Familie auf knapp 80 Quadratmetern in einem begehrten Stadtteil. Die Feldhoffs haben einen Wohnberechtigungsschein. Deshalb durften sie in diese Wohnung ziehen, die noch mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. Zieht aber jemand im Haus aus, saniert die Inhaberfirma die freigewordene Wohnung – und langt danach kräftig zu. Entdeckt Sabine Feldhoff andere Bauobjekte, ist die Enttäuschung jedes Mal groß.

"Überall steht dasselbe: Luxuswohnungen, und ich frage mich gerade, wo die ganzen Leute herkommen, die sich diese Luxuswohnungen leisten können? Oder ob wir gar keine Durchschnittsverdiener mehr haben, wo wohnen die alle?"

Die Tierarzthelferin Sabine Feldhoff und ihr Mann, der bei einer Spedition arbeitet, stellen sich diese Frage nicht allein. Laut einer aktuellen Studie rutschen in Großstädten immer mehr Familien mit Kindern unter die Armutsgrenze und wenden fürs Wohnen mehr als die Hälfte ihres Einkommens auf. Sie haben weniger zum Leben als Hartz-IV-Empfänger. Die Situation in Köln will Baudezernentin Maria Kröger nicht beschönigen:

"Das sind natürlich die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten, die diese Mieten in der Regel wirklich nicht aufbringen können, es sind natürlich insbesondere auch ältere Menschen, die ja oft barrierearme, kleinere Wohnungen benötigen, die gibt es in Köln so gut wie gar nicht, die leiden am meisten."

Fast die Hälfte aller Kölner Haushalte hat Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Um das Schlimmste abzuwenden, fordern die meisten Parteien eine Mietpreisbremse. Dann gebe es für Häuslebauer allerdings noch weniger Anreize zu investieren, fürchtet der Hauptgeschäftsführer des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins, Thomas Tewes. Es gebe zu wenig Wohnungen, und da helfe eigentlich nur, neue zu bauen.

"Es ist aber so, dass insbesondere beim geförderten Wohnungsbau die Kostenmiete in den Innenstädten nicht mehr dazu geeignet ist, sich zu finanzieren. Ich habe also entweder gar keine Rendite, oder ich muss sogar noch was drauflegen. So. Und mit so was bekommen Sie ja keinen Investor irgendwo hinterm Ofen hergelockt."

Da würden viele bei den niedrigen Zinssätzen lieber Luxuswohnungen mit hoher Rendite bauen. Die Branche kämpft außerdem mit hohen Energiesparauflagen. Die Energiepreise treiben die Mietnebenkosten nach oben. Die Wohnungswirtschaft fordert, der Staat solle wieder mehr fördern.

Das wurde lange versäumt. Die degressive Abschreibung, die Investoren steuerlich über die schwierigen, ersten Jahre hinweghalf - gekürzt. Die Eigenheimzulage, die auch Geringverdienern ein Haus ermöglichte - abgeschafft. Bausparen - unattraktiv.

"Eigentlich alle Instrumente, die sich früher bewährt hatten, sind von der Politik in den letzen eineinhalb Jahrzehnten zusammengestrichen worden, und der Effekt ist, dass wir teilweise nur noch 180.000 Wohnungsbaufertigstellungen pro Jahr hatten, bräuchten täten wir 400.000."

... analysiert Volker Eichener, Rektor des Europäischen Bildungszentrums der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Bochum. Sein Vorschlag, um kurzfristig Abhilfe zu schaffen: Bauplanungen beschleunigen, Bauauflagen minimieren, Wohngeld für Mieter aufstocken.

Die Domstadt will nun ein Drittel ihrer Grundstücke für sozialen Wohnungsbau bereitstellen und lockt Investoren mit Preisnachlässen von 20 Prozent.

Kurzfristig entlastet diese Maßnahme die Mieter aber nicht, meint der Kölner Makler Marcus Schönig. Er macht sich daher für eine Mietpreisbremse bei Wiedervermietungen stark und sogar auch bei Neuvermietungen. Die ist allerdings politisch vom Tisch.

"Jetzt sage ich als freier Makler, so ganz vom Tisch sollte man sie nicht fegen im Interesse des sozialen Friedens. Geförderter Wohnungsbau findet de facto nicht statt, und ich sage nur, wie lange es dauert, in Köln eine Baugenehmigung zu bekommen, es ist lachhaft."

Schnelle Besserung der Lage ist in Köln offenbar nicht zu erwarten. Blicken wir also nach Frankfurt, einer Stadt, in der der Soziale Wohnungsbau nach einer Boomzeit in den 60er und 70er Jahren, wegen angeblicher Ghettobildung schnell sein Stigma weghatte und von da an stetig an Bedeutung verlor.

Damit aber nicht genug. Auch fiel das Instrument der Mietpreisbindung in öffentlich geförderten Wohnungen ab den 90er Jahren zunehmend aus. Unterlagen in Deutschland Anfang der 90er Jahre noch 3, 6 Millionen öffentlich geförderte Wohnungen einer Mietpreisbindung, sind es laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft heute 2 Millionen weniger.

Frankfurter Programm
In Hessen verlieren so jährlich 4000 Wohnungen den Status, ein Fünftel davon allein in Frankfurt. In der Bankenstadt sind die hohen Mieten längst zum gravierenden Armutsrisiko avanciert, hält eine Studie der Bertelsmann-Stiftung fest. Was da jetzt hilft? Anke Petermann hat sich umgeschaut.

Rot leuchtende Klinkerfassaden mit Balkon. Sommerbunte Grünanlagen zwischen Viergeschossern und Reihenhäusern. Als ob im Frankfurter Norden ein kleines gepflegtes Stück Münsterland mit 3500 Einwohnern herangewachsen wäre. Samt Einkaufszentrum, Kita und barrierefreier Grundschule.

"Das ist ein Viertel ehemals Kasernengelände – wir haben das 1997 von der Stadt erworben, mit der Verpflichtung, ursprünglich mal 350 Wohnungen öffentlich gefördert zu realisieren, Rest frei finanziert."

… sagt Eckart Vogler von Sahle Wohnen. Das westfälische Unternehmen ließ die verlassenen US-Kasernen abreißen und baute von 2003 bis 2012 die schmucke Siedlung. Geplant war: zu 30 Prozent gefördert - also mit dem, was früher mal sozialer Wohnungsbau hieß.

"Und im Laufe der Jahre hat sich erwiesen, dass die Stadt einen höheren Anteil öffentlicher Förderung brauchte, und wir haben deshalb im Endeffekt von 1200 Gesamteinheiten 785 in der öffentlichen Förderung realisiert. Aber in verschiedenen Programmen."

Die nun mehr als 60 Prozent der Wohnungen einschließen. Und zwar im sogenannten ersten Förderweg mit zinsverbilligten Krediten, im zweiten Förderweg mit variablen städtischen Zuschüssen an den Vermieter, der wiederum die Miete ans Einkommen des Bewohners anpasst. Außerdem:

"Das Frankfurter Programm. Wir waren die ersten, die dieses Mittelstandsprogramm der Stadt Frankfurt hier realisiert hatten."

Für zwei Jahrzehnte verzichtet Sahle bei diesen Wohnungen auf das Recht, direkt zu vermieten und lässt sich vom Wohnungsamt Mieter vorschlagen. Die Anfangshöchstmiete ist auf fünf Euro begrenzt. Für zwanzig Jahre sind die Wohnungen mietpreisgebunden. Als eines der wenigen Privatunternehmen erkennt Sahle Wohnen im geförderten Sektor Renditechancen. Mit Hilfe von Quartiersmanagement stellt Sahle eine ausgewogene soziale Mischung her und hält Siedlungen in Schuss.

Der Frankfurter Planungsdezernent Olaf Cunitz von den Grünen hofft, dass das nachhaltige Engagement des großen Familienunternehmens Schule macht. Denn es geht in den Großstädten nicht um Randgruppen, die keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden. Sondern:

"50, 60, manchmal mehr Prozent der Bevölkerung haben Anspruch auf geförderten Wohnungsbau. Eigentlich der ganz normale Mittelstand, Polizisten, Krankenschwestern, Altenpfleger, Erzieherinnen, die alle nicht mehr so viel verdienen, dass sie sich ohne Probleme an einem Wohnungsmarkt in einer Großstadt versorgen könnten. Und da muss man viel Überzeugungsarbeit bei privaten Unternehmen leisten, sich auch für die zu engagieren."

Dabei setzt Frankfurt - grob gesagt - auf Zuckerbrot und Peitsche.

"Bei großflächigen Baugebietsentwicklungen machen wir die Vorschrift, 30 Prozent geförderten Wohnungsbau zu errichten, weil das natürlich ansonsten nicht geschehen würde. Auf der anderen Seite bieten wir aber auch in sehr hohem Umfang Fördermittel an, also in diesem Jahr rund 34 Millionen, im nächsten Jahr rund 45 Millionen, also, wir versuchen sozusagen mit Anreiz und moderatem Druck, unsere wohnungspolitischen Ziele zu erreichen."

Dabei setzt die Stadt vor allem auf die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften. 50.000 Wohnungen hat die ABG Frankfurt Holding als größte im Bestand - mehr als ein Drittel geförderte. Preiswertes Wohnen bleibe Kerngeschäft der ABG, versichert der Oberbürgermeister. Brunhilde Fahr vom Frankfurter Aktionsbündnis für bezahlbares Wohnen bezweifelt das. Mit einem Überschuss von rund 50 Millionen Euro schloss die städtische Holding das vergangene Geschäftsjahr ab.

"Diese Renditen, die die da rausholen, die brauchen sie nicht. Es geht um eine vernünftige kommunale Versorgung, die nicht renditeorientiert sein darf. Das ist nicht der Auftrag von öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, und es ist auch nicht die Aufgabe, so hochpreisige Wohnungen zu bauen, sondern es ist eine ganz klare Aufgabe des Gesellschaftsvertrages, bezahlbaren Wohnraum zu bauen und zu finanzieren, nämlich für die normalen Leute."

Am besten ausgestattet mit dauerhafter Mietpreisbindung, meint Fahr. Den gewinnträchtigen Hochpreis-Wohnungsbau den Privaten überlassen und die Öffentlichen Gesellschaften allein auf den geförderten Sektor festnageln? Den Markt so aufzuteilen, hält Frankfurts grüner Stadtplanungsdezernent Cunitz für problematisch:

"Da sehe ich die Privaten auf der einen Seite in der Pflicht - vorbildlich ein Unternehmen wie Sahle. Aber auf der anderen Seite müssen auch die öffentlichen Wohnungsunternehmen frei finanzierte Wohnungen errichten, um das Geld zu erwirtschaften, was sie in den sozialen und geförderten Wohnungsbau stecken. Das nur den Privaten zu überlassen, hielte ich für eine völlig falsche Trennung."

Zurück zur gepflegten Klinker-Siedlung und dem Grevener Familienunternehmen. Sahle Wohnen setzt auf moderate, aber stabile Renditen und Nachhaltigkeit. Insofern geht die Mischkalkulation von gefördertem und frei finanziertem Wohnungsbau für die Firma auf. Sie baut nicht nur in Frankfurt, sondern bundesweit. In der Bankenstadt sieht Sahle-Berater Eckart Vogler einen Vorreiter beim geförderten Wohnungsbau.

"Also, Frankfurt muss ich da als Positivbeispiel herausheben, weil die die ersten waren, die diese 30 Prozent eingeführt haben, 30 Prozent öffentliche Förderung. Inzwischen haben andere Städte begriffen, dass sie sonst keinen Wohnungsbau mehr bekommen, für die normale Bevölkerungsschicht."

… nämlich die durch Rekordmieten von Armut bedrohten Friseure, Polizisten, Krankenschwestern und Altenpfleger.

"Hamburg hat inzwischen auch die 30 Prozent, da sind wir auch aktiv jetzt. Wiesbaden pendelt so zwischen 15 und 20 Prozent. Düsseldorf als Negativ-Ausreißer ist so bei 10, 15 Prozent .Die können sich nicht ganz entscheiden, weil sie die Stadt der Yuppies sind."

… und schicken Normal- und Geringverdiener auf die andere Rheinseite, nach Neuss, lästert der Westfale über die Landeshauptstadt von NRW. Eine gesunde Stadt aber müsse alle Schichten bedienen.

Wir haben gesehen: Manche Modelle, um steigende Mieten einzudämmen, machen also Schule. Der Ansatz, in von der Kommune ausgewiesenen Neubaugebieten nur Baurecht an Private zu erteilen, wenn der Käufer zusichert, auf einem Drittel des Geländes geförderten Wohnungsbau zu errichten, gilt so auch in Hamburg und in München.

In München hat die Stadt in bestimmten Vierteln außerdem die Möglichkeit von einem kommunalen Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen, wenn ein Eigentümer ein Mietshaus verkaufen will. Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, hält das zum Beispiel für ein nachahmenswertes Modell:

"In den Fällen wo man befürchten muss , dass ein Gebäudeeigentümer mit den Maßnahmen, die er plant, Mieter vertreiben möchte, könnte das Land Berlin durch die Bezirksämter wie in München von dem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Also immer dann, wenn ein Gebäude veräußert wird, könnte das Land Berlin sagen: Dieses Haus wollen wir erwerben und damit könnte eine spekulative Umwidmung dieser Gebäude verhindert werden. Allerdings kann das Recht nur ausgeübt werden, wenn Geld da ist und wenn es danach wieder privatisiert wird. Dann aber mit der Auflage, schützend für die Mieter zu wirken und das wird so gehandhabt, dass es an städtische Unternehmen oder Genossenschaften verkauft wird."

In der Regel wird dieses Instrument in sogenannten Milieuschutzgebieten angewandt, Gebieten, in denen die Zusammensetzung der Bevölkerung geschützt werden soll. Zum Beispiel durch das Verbieten bestimmter Baumaßnahmen, wie es etwa im Berliner Stadtteil Pankow gehandhabt wird. Luxussanierungen dürfen hier nicht mehr durchgeführt und so auch nicht auf die Mieten umgelegt werden: Allerdings findet Reiner Wild, könnte der Druck in diesen Gebieten durchaus noch erhöht werden:

"Wenn man in diesen Quartieren die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen untersagen würden. Das wäre möglich wenn die Länderregierungen sogenannte Umwandlungsverordnungen erlassen würden wie es in Hamburg bereits der Fall ist: Dann könnte die Genehmigungspflicht dazu beitragen, dass auf das Mietniveau ein positiver Effekt besteht, weil wir haben festgestellt, dass bei umgewandelten Wohnungen das Mietniveau 30 Prozent höher ist als sonst."

Hamburg als Modell?
Hamburg also als Modell? Aus dem dortigen Schanzenviertel hat man in den letzten Jahren allerdings auch keine guten Neuigkeiten gehört: Kein anderer Stadtteil wurde in so kurzer Zeit so dramatisch umgepflügt wie das Ausgehviertel am Rande St. Paulis.

Über das Schulterblatt, die Ausgehmeile des Quartiers rollen nicht mehr die klapprigen Kleinwagen und VW-Busse von linksalternativen Studenten, sondern tiefergelegte Sportcoupés und dicke Geländewagen. Die alteingesessenen Spielzeug- oder Lebensmittelläden mussten schließen. Stattdessen dominieren Kneipen, Cafés und unzählige Klamottenläden das Viertel.
Wie die Stadt und auch die ersten Grundeigentümer auf die steigenden Mieten reagieren, darüber berichtet unser Hamburger Korrespondent Axel Schröder.

Auslöser für die Gentrifizierung des Schanzenviertels war das Auslaufen der sozialen Erhaltungsverordnung für das Schanzenviertel vor zehn Jahren. Die Verordnung begrenzte die Mieten bei Neuvermietung oder nach aufwendigen Sanierungen. Das Ziel: Die Menschen in dem damals bitterarmen Stadtteil sollten sich ihre Wohnungen dauerhaft leisten können, Luxussanierungen waren ausgeschlossen. Seit dem Auslaufen der Erhaltungsverordnung passierte genau das: Es wurde saniert, oft luxussaniert, Wohnungszuschnitte wurden verändert. Größere Bäder und Küchen, weniger Zimmer pro Wohnung. Mietraum wurde im großen Stil verkauft und in Eigentumswohnungen umgewandelt.

Neuerdings gilt wieder eine soziale Erhaltungsverordnung für das Viertel. Nur zurückdrehen wird sich Entwicklung deshalb nicht. Der Hamburger SPD-Senat hat gleich nach dem Amtsantritt vor zwei Jahren die ersten Schritte getan, um die Mietenanstieg in den Griff zu bekommen. Zentrales Instrument ist das Neubauprogramm, durch das Jahr für Jahr 6000 neue Wohnungen entstehen sollen. Die Idee dahinter: Je größer das Angebot, desto moderater steigen die Mieten in der wachsenden Stadt Hamburg. Das erklärt Kerstin Graupner, Sprecherin der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt:

"Das ist eine sehr schwierige Angelegenheit. Weil diese Wohnungen nicht einfach auf der Grünen Wiese gebaut werden sollen, wovon es in Hamburg ja auch nicht mehr so viel gibt. Sondern es soll durch innerstädtische Verdichtung passieren. So dass auch in den angesagten Stadtteilen, in den Cappuccino-Sahne-Lagen tatsächlich auch neue Wohnungen entstehen. Und dabei, so ist die weitere Regelung, immer ein Drittel davon Sozialwohnungen, also: geförderter Wohnraum. So dass wirklich auch in Eimsbüttel , in St. Georg, in diesen Gebieten, wo die Menschen einfach gerne hinwollen und wohnen wollen, dass dort neue Wohnungen gebaut werden."

Und erste Erfolge, so Behördensprecherin Graupner, gibt es bereits: 2012 wurden 8700 Bauanträge für Wohnraum bewilligt, entstanden sind im gleichen Jahr rund 3800 Wohnungen. Dass ein Drittel davon Sozialwohnungen sind, begrüßt auch der Hamburger Mieterverein. Allerdings fallen Jahr für Jahr 5000 bis 6000 Sozialwohnungen aus der so genannten Sozialbindung heraus und werden dann für mehr als die bis dahin vorgeschrieben 5,90 Euro pro Quadratmeter vermietet.

Der Neubau von jährlich 2000 Sozialwohnungen kann den Wegfall von bezahlbarem Wohnraum also nicht ausgleichen. Dazu kommt: Früher galt die Sozialbindung meist 30 Jahre lang, heute sind es nur noch 15 Jahre. Um die Mietsteigerungen in Hamburg zu begrenzen, wurde in der Hansestadt seit dem 1. September auch die so genannte Kappungsgrenze abgesenkt.

"Die Kappungsgrenze gilt in der ganzen Stadt. Das bedeutet, dass bei den Bestandsmieten im Laufe von drei Jahren nicht mehr als 15 Prozent erhöht werden darf. Das waren vorher 20 Prozent. Und jetzt darf in Hamburg nicht mehr als 15 Prozent bei den Bestandsmieten erhöht werden."

Die letzte Studie zum Mietniveau in Hamburg legte die Wohnungswirtschaft der Stadt Ende August vor. Demnach entspannt sich er Wohnungsmarkt in der Hansestadt, es herrsche keine Wohnungsnot, höchstens ein Wohnungsmangel, so die Autoren der Studie. Die Durchschnittsmieten lägen zwischen 6,60 Euro und 11,33 Euro, je nach Lage der Wohnung. Es gibt allerdings auch Ausreißer nach oben, vor allem bei den Gewerbemieten. Einer dieser Ausreißer war die Mieterhöhung für die kleine Buchhandlung von Robert Wohlers in der Langen Reihe in Hamburg St. Georg. Nicht mehr 1400 Euro sollte er zahlen, sondern 4100 Euro. Wohlers musste seinen Laden räumen, fand eine Ausweichfläche in der gleichen Straße.

Alarmiert von dem Mieterhöhungsexzess war die Interessengemeinschaft St. Georg. Dort sind die Gewerbetreibenden und Grundeigentümer des Stadtteils versammelt. Sie haben sich vorgenommen, diese Exzesse in Zukunft zu verhindern. 15 Grundeigentümer haben einen "Letter of Intent", eine Absichtserklärung unterschrieben. Der Quartiermanager Wolfgang Schüler erklärt, warum die Eigentümergruppe die Mieten für ihre Gebäude an der Langen Reihe nur maßvoll erhöhen will:

"Wir wollen, das steht dahinter, dass der Charakter unserer Langen Reihe erhalten bleibt. Das muss bezahlbar sein. Damit die Attraktivität der Straße nicht leidet. Denn nur Ketten, nur Cafés von Starbucks und wie sie alle heißen, das ist nicht passend für so einen Stadtteil. Es muss auch etwas für den Bürger getan werden, der dort lebt und der auch gerne mal einen Kaffee trinken möchte, der dann nicht 3,70 für einen Kaffee bezahlen will, sondern eben einfach nur mal sitzen möchte und mal so gucken möchte und eine Tasse Kaffee trinken möchte."

Und keinen Latte Macchiato, keinen Cappuccino mit Haselnuss- oder Minz-Aroma in L oder XL. Natürlich kennt Quartiersmanager Schüler die Entwicklung im Schanzenviertel. Vor diesem uniformen Konsumstraßenschicksal wollen Schüler und seine Mitstreiter die Lange Reihe auf St. Georg bewahren. Und zwar nicht, weil sie sich als Gutmenschen verstehen:

"Wir sind überhaupt keine Philanthropen! Wir sind eisenharte Grundeigentümer, natürlich. Die haben eins im Sinn: dass sie ihre Miete kriegen! Und wie kriegst Du die Miete? Indem Du die richtigen Mieter hast. Und wie kriegst Du die richtigen Mieter? Indem Du ein spannendes Angebot machst, das dem Mieter ermöglicht, sich dort niederzulassen."

So einfach kann es sein. Auf St. Georg. Im Schanzenviertel sind derartige Vermieter eine Seltenheit geworden. Und das Gesicht des Viertels ist längst nicht mehr das alte. Die neue Kappungsgrenze, das Wohnungsbauprogramm und die wieder verfügte soziale Erhaltungsverordnung werden daran nichts mehr ändern.
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