Wohnen und Wohlbefinden

Alain de Botton sieht Architektur nicht nur unter funktionalen Aspekten, sonder vor allem im Hinblick darauf, wie sie die Menschen glücklich machen kann. In seinen Essays lehrt er so einen völlig neuen Blick, Häuser zu betrachten. Die Art, wie ein Haus gestaltet ist, sagt auch viel über den Charakter des Besitzers, glaubt de Botton.
Glück in der Architektur zu suchen, ist das nicht schlichtweg vermessen? Dass die Betrachtung und das Leben mit Architektur Spaß machen können, dass sie verärgert, dass sie vielleicht sogar, in sehr seltenen Fällen, aufklärerisch wirkt, darüber mag man debattieren. Aber Glück? Es gibt das Glück des Bauenden, der sieht, wie etwas entsteht, was vorher nicht war. Das Glück des Nutzers, der aber meist gar nicht merkt, dass seine Freude auch an dem Haus liegt, in dem sie entsteht - denn Häuser sind etwas normales, etwas, das wir meist nur als Rahmung unseres Lebens wahrnehmen.

Genau um dieses Normale geht es Alain de Botton in seinem neuesten Buch, das eher eine Ansammlung von Essays ist, kurzweilig zu lesen, manchmal, wie das bei Essays so sein kann, sehr plauderhaft, aber auch informativ und vor allem - Augen öffnend. Wer hat sich schon jemals Gedanken gemacht über den Charakter von Wasserhähnen und darüber, was die Wahl eines Wasserhahns aussagen kann über unseren Charakter, über den eines Wohnungsbesitzers, oder auch, welche Folgen das Betrachten eines witzig oder steif geformten Hahns für unsere morgendliche Laune haben kann?

Es sind diese Details, die den Reiz des Buches ausmachen - das leider ein wenig handliches Format hat, so dass man es nicht einfach in der Hosentasche mit in den Garten oder in den Park nehmen kann, um darin zu schwelgen. Etwa, wenn de Botton beschreibt, wie sich die Noblen Venedigs ihre Villen bauten und wie der Klassizismus Palladios ganze Zeitalter prägte - im Jahr von dessen 500. Geburtstag kann man Palladios Wirkung unmöglich oft genug betonen.

Wir lernen, dass Architektur immer eine Bedeutung haben soll, und vor allem, dass man sie lesen kann, dass sie eine Sprache spricht, die zu erlernen ist. Architektur ist, für Kunsthistoriker kaum überraschend, aber für strenge Funktionalisten ein Schock, immer mehr als nur Funktion, sie ist immer, selbst wenn das Haus grottenmiserabel entworfen wurde, eine Aussage darüber, welchen Traum vom besseren Leben wir gerade träumen. Soll er würdig sein oder gar steif wie ein englischer Adelssitz, locker und nobel wie ein schwedisches Landhaus des gustavianischen Zeitalters - jene Epoche des späten 18. Jahrhunderts liebt de Botton offenbar besonders, immer wieder beschwört er den reizvollen Kontrast zwischen elegant geschwungenen Rokokomöbeln und einfachen Holzdielen, das strahlende Licht des Nordens, das nur durch Birken gemildert in die Räume fällt.

Es ist ein romantisches Buch, die künstlerische Radikalität eines Le Corbusier und seiner Villa Savoye bewundert de Botton zwar, aber in guter englischer Tradition bemerkt er auch kritisch, dass dies Haus zwar schön sei, aber dichte Dächer auch eine feine Sache sind. Er verehrt den systematischen Geist, der hinter den klassizistischen Crescents von Bath und den systematischen Plätzen von London herrscht - aber auch das wilde neugotische Mischmasch des frühen 19. Jahrhunderts mit seiner Lust an der Exzentrik.

Dies Buch ist keine Architekturgeschichte, ganz im Gegenteil, man wird so manche historische Fehleinschätzung und auch Fehldatierung finden, und Berliner würden selbstverständlich niemals das Kaufhaus des Westens mit Alfred Messels legendärem Warenhaus Wertheim am Leipziger Platz verwechseln. Aber dass dies ein Dach hatte, dessen Fenster wie Eulenaugen wirkten - das hat man vorher nicht so gesehen. Es ist ein Buch, um genauer hinzusehen. Er macht uns deutlich, dass Architektur so wenig wie irgendeine andere Kunst den besseren Menschen schaffen kann - auch wenn Künstler und Architekten das idealistischerweise immer wieder gehofft haben.

Und auch er kann uns nicht wirklich beweisen, dass bessere Architektur glücklicher macht. Aber wir folgen ihm gerne, und denken dabei an den Obelisken, den eine englische Lady dem Angedenken eines geliebten Schweines errichtete, dass gute Architektur immer das Versprechen in sich birgt, glücklicher zu werden als man es in schlechter Architektur sein kann. Vielleicht eine Illusion - aber eine, von der die gesamte Architekturgeschichte gezehrt hat.

Rezensiert von Nikolaus Bernau

Alain de Botton: Glück und Architektur. Von der Kunst, daheim zu Hause zu sein
Übersetzt von Bernhard Robben
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008
287 Seiten. 22,90 EUR