Wohnen

Härtester Mietermarkt in München

Stadtansicht von München
So teuer wie keine andere Stadt in Deutschland: Münchens Wohnungsmarkt. © dpa/ picture alliance / Felix Hörhager
Von Michael Watzke · 05.03.2015
100 Quadratmeter für 1800 Euro kalt - das ist ist ein Schnäppchen in manchen Wohnlagen Münchens. Die bayerische Hauptstadt ist Deutschlands umkämpftester Mietermarkt. Die Mietpreisbremse soll jetzt gegensteuern.
"Hallo?" / "Hier Familie Sebald. Wegen der Wohnungsbesichtigung." / "Ja, vierter Stock!" / "Danke!"
Cornelia Sebald, 34, schiebt ihren Kinderwagen mit zwei kleinen Töchtern in einen Münchner Hausflur. Südliches Haidhausen. Bestlage.
"Vier Zimmer werden da angeboten, 104 qm. Offensichtlich für Familien gut geschnitten. Mal schauen. Ich bin gespannt."
Und nicht nur Cornelia. 15 Interessenten stehen vor ihr in der Schlange. Angelockt durch den Mietpreis. 1800 Euro kalt.
"Das ist doch sehr günstig. Verglichen mit anderen Angeboten in dieser Gegend. München eben, gell?"
In München-Haidhausen kosten 100 Quadratmeter auch gern mal 2500 Euro. Oder mehr. Zu viel für Studienrätin Cornelia und ihren Mann, einen Grafiker.
"Wir haben uns jetzt eine Grenze von 1800 Euro kalt gesetzt. Mal sehen, ob wir die einhalten können."
Hoffen auf die Mietpreisbremse
Cornelia Sebald hofft auf die Mietpreisbremse. Jenes Bundesgesetz, das Vermietern in Ballungsräumen vorschreibt, bei Neuvermietung einer Wohnung nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete zu liegen.
"Schön wär’s, denn in München sind die Mieten ja doch explodiert. Gerade für Familien mit einem etwas geringeren Einkommen. Dann bliebe einfach noch etwas übrig. Oder man könnte sich die Wohnung überhaupt erst leisten."
Das Problem: die Mietpreisbremse bezieht sich auf die "ortsübliche Miete". Und was ist die "ortsübliche Miete", fragt sich nicht nur Rudolf Stürzer, der Vorsitzende des Haus- und Grundbesitzer-Vereins München:
"Tja, ist es der Mietspiegel? Nach unserer Auffassung nicht. Weil im Mietspiegel ja nicht nur Neuvermietungen drin sind. Sondern der Mietspiegel, etwa in München, besteht ja etwa zur Hälfte aus bestandsmieten und zur Hälfte aus Neuvermietungen. Und der Mietspiegel spiegelt daher nicht das Niveau der Neuvermietungen wider, sondern nur das allgemeine Mietniveau. Also kann man sich streiten: Ist der Mietspiegel überhaupt geeignet?"
Stürzer prophezeit eine Klagewelle vor deutschen Gerichten. Unsinn, sagt Beate Zurek. Die Vorsitzende des bayerischen Mieterbundes hält die Formulierung der Mietpreisbremse für eindeutig.
"Es gibt überall eine ortsübliche Vergleichsmiete. Sie ist nur manchmal schwerer für den Einzelnen herauszufinden. Insbesondere für Mieter und Vermieter. In München gibt es den Mietspiegel, daraus kann man sie ganz gut errechnen. Woanders gibt es keinen Mietspiegel. Da ist es dann eher der Gutachter, der diese Miete ermittelt. Aber ich glaube, dass die Vermieter da auch ein ganz gutes Gefühl haben."
Ein gutes Fingerspitzengefühl braucht es auch bei den Ausnahmeregelungen. So gilt die Mietpreisbremse nicht, wenn der Vermieter die Wohnung "umfassend saniert" hat. Was genau eine umfassende Sanierung ist, bleibt offen – und könnte zu Streit führen. Rudolf Stürzer vom Verein Haus- und Grund stört sich vor allem an der zweiten Ausnahme des Gesetzes: die Mietpreisbremse gilt nur für Bestandswohnungen, nicht aber für Neubauten. Damit will die Politik verhindern, dass private Investoren weniger Wohnungen bauen und so die Wohnraumknappheit noch verschärfen. Stürzer hält das für eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.
Das Nachsehen hat, wer eine Bestandswohnung kauft
"Auch einer, der eine Bestandswohnung kauft, der muss die Wohnung finanzieren. Und der muss genauso seine Zinsen zahlen wie einer, der eine Neubauwohnung kauft. Warum ist dann der Neubaukäufer ausgenommen? Das Nachsehen hat der, der eine Bestandswohnung kauft – und sie nach den Mieten des Mietspiegels nie und nimmer finanzieren kann. Das halten wir für verfassungswidrig und werden uns das sehr genau anschauen."
Beate Zurek schüttelt bei solchen Klagen nur den Kopf. Die Vorsitzende des bayerischen Mieterbundes hält die Mieter in München für schutzbedürftig – nicht die Vermieter.
"Es ist ein Gesetz, das Auswüchse reguliert. Dafür sind in der Regel Gesetze da. Es werden ja nicht die bestraft, die sich konform und normal verhalten, sondern die, die kein Maß noch Ziel kennen. Es ist kein Anti-Vermieter-Gesetz, sondern es soll die Spirale in manchen Gegenden dämpfen und denen Einhalt gebieten, die keine Grenzen kennen."
Was aber, wenn das Wohnungsangebot so knapp ist, dass finanzkräftige Mieter auch höhere Mieten bezahlen, nur um den Zuschlag zu bekommen? Cornelia Sebald hat bei ihren Wohnungsbesichtigungen in der Single-Hauptstadt München viele kinderlose Doppelverdiener kennengelernt. Gegen diese sogenannten Dinkies hat die Familienmutter mit Mann und zwei Kindern bisher immer den Kürzeren gezogen.
"Große Zimmer, gut geschnitten. Jeder hätte genug Platz. Also alles, was das Herz begehrt. Wäre für unsere Familie genau das Richtige."
Die Mietpreisbremse könnte bei gleichbleibendem Angebot dazu führen, dass Familien in Zukunft noch häufiger mit wohlhabenden Singles konkurrieren. Denn die können sich plötzlich statt der Drei- auch die Vier-Zimmer-Wohnung leisten. Etwa jene Wohnung in Haidhausen, die Cornelia Sebald gerade besichtigt und bestaunt:
"Mit uns stehen bestimmt 15 Leute an – und es gibt noch einen weiteren Besichtigungstermin. Die Konkurrenz ist da. Mal sehen, wer am Ende das Rennen macht!"
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