"Wohin geht's, wo ist der Ausgang?"

Moderation: Barbara Wahlster · 19.03.2012
In "Ich nannte ihn Krawatte" wird die Bank in einem japanischen Park zur Bühne für zwei Außenseiter. Die Autorin Milena Michiko Flasar beschrieb auf dem Blauen Sofa der Leipziger Buchmesse die Probleme ihrer beiden Romanhelden, sich im Leben zurechtzufinden.
Der junge Mann, um den es in ihrem Roman gehe, sei ein "Hikikomori", der zwei Jahre lang sein Zimmer nicht verlassen habe, und erstmals wieder in die Welt hinausgehe. Das Phänomen der "Hikikomori" sei oft, aber nicht zwangsläufig, mit einer klinischen Depression verbunden, erklärt die Autorin:

"Ich denke, es gibt ganz individuell unterschiedliche Gründe für das sich aus der Welt heraus Nehmen. Zum einen sind das sicherlich ganz allgemein Kommunikationsschwierigkeiten, Versagensängste, auch Angst, aufzufallen."

Der Leistungsdruck und das Wissen, dass lebenslange Anstellungen heutzutage nicht mehr möglich seien, führten dazu, dass sich viele junge Menschen in einem Labyrinth der Orientierungslosigkeit wiederfinden würden, erklärt die Autorin die Schwierigkeiten ihres Protagonisten:

"Das heißt, auch die ganze Sinnhaftigkeit von Ausbildung, von diesem Wissen, das einem vermittelt wird, wird da auch in Frage gestellt."

In einem Park treffe dieser junge auf einen älteren Mann mit ebenso großen Schwierigkeiten: Ein Büroangestellter, der seine Arbeit verloren habe, aber trotzdem täglich wie gewohnt das Haus verlasse. Daher auch dessen Name "Krawatte", der als Symbol für den Älteren zu verstehen sei. Aus den Treffen auf den gegenüberliegenden Parkbänken entstehe ganz allmählich eine Freundschaft, beschreibt Flasar die Begegnung der beiden Außenseiter.

Der Titel "Ich nannte ihn Krawatte" sei der erste Satz gewesen, der sie - nach mehreren erfolglosen Anläufen beim Schreiben - endlich auf einen erfolgreichen Weg gebracht habe. Dass ihr Roman in Japan spiele, habe sehr persönliche Gründe, sagt Milena Michiko Flasar. Als Halbjapanerin fühle sie sich der Heimat ihrer Mutter sehr verbunden, und habe eine Art intuitives Wissen über das Land, auch wenn sie nicht längere Zeit dort gelebt habe.

Sie können das vollständige Gespräch mit Milena Michiko Flasar mindestens bis zum 19.8.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.

Milena Michiko Flasar: Ich nannte ihn Krawatte
Wagenbach Verlag, Berlin, 2012
144 Seiten, 16,90 Euro

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