Wofür die Worte fehlen
Mehrere Romane für Jugendliche zum Thema Missbrauch sind in diesem Frühjahr erschienen. Neben Kevin Brooks' großartigem "Killing God" der Titel "Nicholas Dane" des Engländers Melvin Burgess, außerdem "Jockels Schweigen" der deutschen Autorin Adriana Stern.
"Killing God" erzählt vom Schlimmsten, was einem jungen Menschen passieren kann. Die 15-jährige Dawn wurde vor zwei Jahren von ihrem geliebten Vater, einem Junkie und Alkoholiker, im Suff missbraucht. Seitdem ist alles kaputt: Der Vater ist verschwunden unter Zurücklassung von viel Geld und einer Pistole. Die Mutter verschläft pillen-, alkohol- und fernsehsüchtig ihre Tage auf der Couch. Und Dawn verkriecht sich, schreibt sich ihren Schmerz und ihre Verzweiflung in wütenden, wuchtigen Sätzen von der Seele.
Mehrere Romane für Jugendliche zum Thema Missbrauch sind in diesem Frühjahr erschienen. Neben Kevin Brooks' großartigem "Killing God" der Titel "Nicholas Dane" des Engländers Melvin Burgess, außerdem "Jockels Schweigen" der deutschen Autorin Adriana Stern. Allen ist gemeinsam, dass sie neben dem Missbrauchs-Fall sehr spannende Geschichten erzählen bis hin zu actiongeladenen Showdowns. In allen zeigt sich das Schweigen als der böse Boden, auf dem der Missbrauch wächst. Und in allen spielt die Musik eine wichtige atmosphärische Rolle.
Ansonsten packen die drei Autoren ihren schwierigen Stoff auf unterschiedliche Weise an: Kevin Brooks erzählt aus Dawns Sicht, in der Ich-Form, in intensiven, durchdringenden Bildern. In einem vielschichtigen Textgeflecht aus Tagebuch, Monolog, Fragebögen und Songs. Adriana Stern hält mehr Abstand. In "Jockels Schweigen" berichtet der besorgte Bruder eindringlich davon, wie der kleine Jockel Opfer eines Pädophilen-Rings wird. Melvin Burgess tritt noch einen Schritt zurück und erzählt von seinem Nicholas Dane, der als Waise in einem Heim immer wieder vom Leiter missbraucht wird, distanziert aus dem Off (in der dritten Person). Im Mittelpunkt seines Romans steht die ganze Skala von Nicks Emotionen, der Kreislauf aus sexueller Gewalt, Hass, Schweigen, Schuld- und Schamgefühlen.
Auch die Intentionen der Autoren sind spürbar unterschiedlich. Geht es Kevin Brooks zuerst einmal um den literarischen Aspekt, so will Adriana Stern Jugendlichen auch Hilfe anbieten, sie informieren und warnen. Ihr Roman ist, wie es im Nachwort heißt, von einer "traurigen und wahren Begebenheit" inspiriert worden. Melvin Burgess' "Nicholas Dane" kommt mit seinen allwissenden Erzähler-Kommentaren und Erklärungen dagegen ein wenig zu pädagogisch rüber. Sehr gute Absichten garantieren noch keine sehr guten Geschichten.
Jugendbücher zum Thema Missbrauch erzählen immer von schrecklichen Erlebnissen. Dass die Betroffenen in der Pubertät sind und damit sowieso schon eine Menge Probleme haben, verschärft die Brisanz des Themas. Doch trotzdem sind diese Romane nicht deprimierend. Denn sie erzählen spannende, einfühlsame Geschichten mit Krimi-Elementen und oft mit Witz. Sie zeigen auch, wie die missbrauchten Mädchen und Jungen anfangen, über ihre Traumata zu reden - ein wichtiger Schritt Richtung Heilung. Die Jugendlichen lernen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das ist vielleicht noch kein gutes Ende, aber zumindest ein tröstliches.
Rezensiert von Sylvia Schwab
Kevin Brooks: Killing God
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
dtv, München 2011
270 Seiten, 8,95 Euro, ab 12
Melvin Burgess: Nicholas Dane
Aus dem Englischen von Heike Brandt
Carlsen Verlag, Hamburg 2011
447 Seiten, 19,90 Euro, ab 16
Adriana Stern: Jockels Schweigen
Jacoby & Stuart, Berlin 2011
320 Seiten, 14,95 Euro, ab 15
Mehrere Romane für Jugendliche zum Thema Missbrauch sind in diesem Frühjahr erschienen. Neben Kevin Brooks' großartigem "Killing God" der Titel "Nicholas Dane" des Engländers Melvin Burgess, außerdem "Jockels Schweigen" der deutschen Autorin Adriana Stern. Allen ist gemeinsam, dass sie neben dem Missbrauchs-Fall sehr spannende Geschichten erzählen bis hin zu actiongeladenen Showdowns. In allen zeigt sich das Schweigen als der böse Boden, auf dem der Missbrauch wächst. Und in allen spielt die Musik eine wichtige atmosphärische Rolle.
Ansonsten packen die drei Autoren ihren schwierigen Stoff auf unterschiedliche Weise an: Kevin Brooks erzählt aus Dawns Sicht, in der Ich-Form, in intensiven, durchdringenden Bildern. In einem vielschichtigen Textgeflecht aus Tagebuch, Monolog, Fragebögen und Songs. Adriana Stern hält mehr Abstand. In "Jockels Schweigen" berichtet der besorgte Bruder eindringlich davon, wie der kleine Jockel Opfer eines Pädophilen-Rings wird. Melvin Burgess tritt noch einen Schritt zurück und erzählt von seinem Nicholas Dane, der als Waise in einem Heim immer wieder vom Leiter missbraucht wird, distanziert aus dem Off (in der dritten Person). Im Mittelpunkt seines Romans steht die ganze Skala von Nicks Emotionen, der Kreislauf aus sexueller Gewalt, Hass, Schweigen, Schuld- und Schamgefühlen.
Auch die Intentionen der Autoren sind spürbar unterschiedlich. Geht es Kevin Brooks zuerst einmal um den literarischen Aspekt, so will Adriana Stern Jugendlichen auch Hilfe anbieten, sie informieren und warnen. Ihr Roman ist, wie es im Nachwort heißt, von einer "traurigen und wahren Begebenheit" inspiriert worden. Melvin Burgess' "Nicholas Dane" kommt mit seinen allwissenden Erzähler-Kommentaren und Erklärungen dagegen ein wenig zu pädagogisch rüber. Sehr gute Absichten garantieren noch keine sehr guten Geschichten.
Jugendbücher zum Thema Missbrauch erzählen immer von schrecklichen Erlebnissen. Dass die Betroffenen in der Pubertät sind und damit sowieso schon eine Menge Probleme haben, verschärft die Brisanz des Themas. Doch trotzdem sind diese Romane nicht deprimierend. Denn sie erzählen spannende, einfühlsame Geschichten mit Krimi-Elementen und oft mit Witz. Sie zeigen auch, wie die missbrauchten Mädchen und Jungen anfangen, über ihre Traumata zu reden - ein wichtiger Schritt Richtung Heilung. Die Jugendlichen lernen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das ist vielleicht noch kein gutes Ende, aber zumindest ein tröstliches.
Rezensiert von Sylvia Schwab
Kevin Brooks: Killing God
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
dtv, München 2011
270 Seiten, 8,95 Euro, ab 12
Melvin Burgess: Nicholas Dane
Aus dem Englischen von Heike Brandt
Carlsen Verlag, Hamburg 2011
447 Seiten, 19,90 Euro, ab 16
Adriana Stern: Jockels Schweigen
Jacoby & Stuart, Berlin 2011
320 Seiten, 14,95 Euro, ab 15