Wo Mussolini residierte

Von Thomas Migge |
Im Jahre 1832 entstand auf Wunsch von Herzog Giovanni Torlonia in Rom die Villa Torlonia. Von 1925 bis 1943 lebte der italienische Diktator Mussolini mit seiner Familie in der prächtigen Villa. Danach verfiel das Gebäude und wurde erst in den letzten vier Jahren komplett restauriert. Jetzt ist dieser geschichtsträchtige Ort auch der Öffentlichkeit zugänglich.
Auf den ersten Blick sieht sie aus wie eine Art Weißes Haus „all'italiana“.
Über eine breite Freitreppe – die blütenweiß ist wie die gesamte Villa – geht es hinauf zu dem prachtvollen Gebäude im Stil des Renaissance-Architekten Andrea Palladio. Über einem breiten Erdgeschoß erheben sich sechs schlanke korinthische Säulen, die ein Tympanon mit einem Relief tragen, das griechische Götter zeigt. Das Zentralgebäude wird rechter- und linkerhand von zwei kleinen Flügeln flankiert. Die Villa wirkt ungemein elegant und perfekt in ihren Proportionen – wie eine palladianische Villa oder eben wie das Weiße Haus in Washington.

Benito Mussolini hatte sich diese Villa als private Residenz in Rom ausgeguckt, nachdem er als Diktator die Macht über Italien an sich gerissen hatte. Alessandra Mussolini, Politikerin und Duce-Enkelin sieht dieses Erbe verblüffend unverkrampft:

„Man muss sich nicht vom italienischen Faschismus distanzieren. Die Epoche ist Teil unserer Geschichte und deshalb ist es wichtig, dass die Präsenz meines Großvaters in dieser Villa nicht zerstört wurde. Das ist ein geschichtsträchtiger Ort, der zu unserem Erbe gehört.“

Alessandra Mussolini war noch nicht geboren, als ihr „Opa“ hier residierte und es sich gut gehen ließ. Hier tanzte er mit seiner Frau nach Jazzmusik und musste sich ihre fürchterlichen Schreiereien anhören, als seine Affäre mit einer anderen Frau publik wurde.

Die Villa Torlonia ist heute im italienischen Geschichtsbewusstsein verankert wie der Obersalzberg Hitlers in Deutschland, doch, im Unterschied zu Deutschland, ist sie nie zum Pilgerziel von Neofaschisten geworden. Die Italiener haben auch über 50 Jahren nach Kriegsende die Geschichte der faschistischen Epoche nur teilweise aufgearbeitet. So wundert es nicht, dass es nicht eine einzige historische Untersuchung zur Villa Torlonia als Residenz von Mussolini gibt.

Die Familie Mussolini lebte von 1925 bis 1943 in der prächtigen Villa. Von 1944 bis 1947 wurde das Gebäude als amerikanische Soldatenunterkunft genutzt und verkam dabei. Danach verfiel das Gebäude. Die Stadt Rom, in deren Eigentum sie sich seit 1978 befindet, wusste nie so recht, was sie mit diesem Erbe anfangen sollte. Erst in den letzten vier Jahren wurde die Villa komplett restauriert und ist jetzt der Öffentlichkeit zugänglich. Die städtische Kunsthistorikerin Alberta Campitelli war die für die aufwendige Restaurierung verantwortlich:

„Diese Villa entstand nach einem Entwurf des berühmten italienischen Architekten Giuseppe Valadier zwischen 1802 und 1832 auf Wunsch von Herzog Giovanni Torlonia. Er wollte eine Residenz haben, die dem neuen Geschmack der Zeit entsprach, also dem Neoklassizismus. Zusätzliche Ausschmückungen kamen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hinzu und dann blieb die Villa so wie sie war.“

Jetzt ist sie sicherlich wieder das schönste Gebäude Roms aus jenem Jahrhundert. Zu besichtigen sind zwölf Säle, die im pompejanischen und neoklassistischen Stil mit Fresken und Mosaiken verziert sind. Besonders eindrucksvoll ist der große Ballsaal:

„Dieser Ballsaal ist der größte Raum der Villa. Die hohe Kuppel mit den Fenstern ist komplett ausgemalt. Wir haben die Kristalllüster nach den Originalentwürfen nachbauen lassen. Hier fanden die Feste der Torlonia statt. Auf zwei Emporen saßen die Musiker.“

Ein Architekturjuwel ist der Badesaal. Er ist eine Kopie eines ähnlichen Raums in den Ruinen einer herrschaftlichen Villa im antiken Pompeji. An den Wänden sind antikisierende Landschaftsbilder zu sehen und Medaillons mit unbekleideten Göttinnen. Alberta Campitelli:

„In diesen zwölf Sälen finden Sie beispielhafte Werke der Malerei aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nirgendwo sonst in Rom und Italien existiert ein Bilderzyklus jener Epoche, der so komplett erhalten geblieben ist. Es handelt sich vor allem um mythologische Darstellungen. Die Torlonia waren die letzte Adelsfamilie Roms, die es sich damals erlauben konnte, eine komplette Villa dieser Größe ausmalen zu lassen.“

Bei den Restaurierungsarbeiten entdeckte Alberta Campitelli auch Graffitti amerikanischer Soldaten. Sie wurden nicht entfernt, sondern gehören, so die Kunsthistorikerin, zur Geschichte dieses historischen Ortes. Restauriert und zugänglich gemacht wurde auch Mussolinis privater Bunker unterhalb der Villa Torlonia. Eine Anlage aus Stahlbeton mit verschiedenen Räumen.

Vom Bunker aus führt ein Korridor direkt in die Antike. Neben einigen christlichen Katakombengräbern kann der Besucher auch eine erstaunlich gut erhaltenen Grabkammer der Etrusker besichtigen. Diese Grabkammer wurde erst vor kurzem wiederentdeckt: die Familie Torlonia hielt sie vor der Öffentlichkeit versteckt, denn in diesem Raum kam es zu geheimen Treffen. Die Grabkammer aus dem vermutlich 5. Jahrhundert vor Christus besteht aus einem kreisrunden Raum mit einer niedrigen Decke, die ganz mit Tier- und Fabelwesen bemalt ist. In den Wänden dieses Raumes befinden sich tiefe Nischen, die wahrscheinlich zur Unterbringung von Urnen und kultischen Gegenständen dienten.

Die wiedereröffnete Villa Torlonia ist nur mit Führungen zu besichtigen. Bei den Erklärungen zur Historie des Gebäudes wird die faschistische Vergangenheit nicht ausgeklammert. Sie wird als ein Abschnitt der Geschichte dieses Haus präsentiert.