Wo die preußische Elite auf dem Sofa saß

17.01.2013
Sie waren Treffpunkte der intellektuellen und politischen Köpfe ihrer Zeit und offen für Frauen wie Männer: Die Salons bereicherten im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert das literarische und politische Leben in ganz Europa. Worüber und wie dort debattiert wurde, lässt sich aber nicht mehr rekonstruieren, wie auch dieses Buch zeigt.
Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert blühten sie in ganz Europa auf, die literarischen, musischen und politischen "Salons". Sie waren Treffpunkte für die führenden intellektuellen und politischen Köpfe – und sie erlaubten Frauen den Zugang zu öffentlichen Debatten und damit auch eine Einflussnahme, die ihnen sonst weitgehend verwehrt war.

Die Autorin Urte von Berg widmet sich in ihrem neuen Buch drei Salons in Preußen im Zeitraum 1806-1813, also in der Zeit der französischen Besatzung: den Salons der Gräfin von Voß, der Amalie von Beguelin und von Elisabeth Stägemann. In diesen Salons verkehrte das "Who is who" der preußischen Elite – Dichter wie Clemens Brentano, Achim von Arnim und Heinrich von Kleist, Intellektuelle wie August Wilhelm Schlegel, Friedrich Schleiermacher, Politiker und Militärs wie Karl August von Hardenberg, Neithardt von Gneisenau oder der Freiherr vom Stein.

Die Salons wurden während der finanziell drückenden und politisch deprimierenden Zeit nach der Niederlage Preußens gegen Napoleon in je unterschiedlicher Weise zu Brennpunkten für die politischen Entwicklungen: Hier wurde an den preußischen Reformen gearbeitet, mit denen der besiegte und finanziell schwer angeschlagene Staat sich zu modernisieren suchte, hier wurde aktiv patriotischer Geist entwickelt, hier wurden die Befreiungskriege vorbereitet.

Während die Gräfin Luise von Voß in ihrem Salon in Berlin den verfrühten und misslungenen Aufstand des Majors Ferdinand von Schill von 1809 enthusiastisch unterstützte, war die bürgerlich geborene Amalie von Beguelin als Frau eines preußischen Beamten persönlich in delikaten diplomatischen Missionen in Paris involviert: Ihre Tagebücher geben aufschlussreiche Einblicke in das Paris der Jahre 1810 bis 1812, in der Spätphase der napoleonischen Herrschaft, als der Diktator immer mehr zum Tyrannen wurde, allseitiges Misstrauen und Spitzeleien einen Höhepunkt erreichten und das Eis für alle bedenklich dünn wurde.

Die ebenfalls bürgerliche Elisabeth Stägemann, ebenfalls Ehefrau eine preußischen Finanzbeamten, unterhielt einen musischen Salon zunächst in Königsberg und dann in Berlin; ihre Briefe geben Einblick in die Zeit nach 1806, als der preußische Hof nach Königsberg floh, und in die Mühsale und Entbehrungen auch der folgenden Kriegszeit. Zugleich aber auch in ihre Chancen: man rückte enger zusammen, Standesgrenzen waren nicht mehr so wichtig.

Das Buch vermittelt im Durchgang durch Briefe und Tagebücher und mit kurzen historisch-biografischen Skizzen zu den wichtigen beteiligten Persönlichkeiten einen anschaulichen, manchmal durch die Fülle der beschriebenen Personen und ihrer Verhältnisse zueinander fast zu dichten, auf jeden Fall nicht ganz ohne Vorwissen zu lesenden Einblick in eine bewegte Zeit, der zu weiteren Lektüren anregt. Wenig erfährt man allerdings leider über die Salons selber – die Autorin schreibt bewusst keine Soziologie einer Gesellschaftsform, sondern vor allem die Geschichte politischer Ereignisse und der daran beteiligten Personen. Vieles lässt sich, wie sie selber anmerkt, sowieso nicht mehr rekonstruieren: Die Gesprächskultur, die den Kern der Salons ausmachte, lässt sich aus keiner Quelle erschließen.

Besprochen von Catherine Newmark

Urte von Berg: Patriotische Salons in Berlin, 1806-1813
Wallstein Verlag, Göttingen 2012
280 Seiten, 24,90 Euro