Wo der Präsident hingehört

Von Adolf Stock |
24 Millionen Euro hat die Sanierung von Schloss Bellevue in Berlin gekostet. Bei den Arbeiten im Amtssitz des Bundespräsidenten stand die Funktionalität der Räume im Vordergrund. Am Sonntag war der erste klassizistische Schlossbau in Preußen bei einem Tag der offenen Tür erstmals nach der Sanierung wieder zu besichtigen.
"Ich freue mich, dass wir jetzt diesen ersten Amtssitz des Bundespräsidenten in Besitz nehmen können. Der Bundespräsident sollte wissen, wo er hingehört, jetzt wissen wir, wo er hingehört, und jeder Bürger in Deutschland weiß das auch. Kommen Sie rein."

Bundespräsident Horst Köhler steht auf der Treppe vor seinem Schloss und begrüßt die ersten Gäste zum Tag der offenen Tür, die das Haus nach der mehrjährigen Renovierung besuchen können.

Der Reichstag hat sein staatstragendes Lifting schon einige Jahre hinter sich. Mit Glaskuppel und modernem Design wurden dem historischen Gemäuer die 70er Jahre gründlich ausgetrieben. Ein gutes Jahrzehnt nach dem Hauptstadtumzug war jetzt das Schloss des Bundespräsidenten dran. Vorbei sind die 50er Jahre. Die Atmosphäre von Papa Heuss ist Vergangenheit. Die Holzfässer, aus denen Palmen wuchsen, wurden entsorgt, und der dezente Nierentisch-Schick durch frische Farben und neue Vorhänge ersetzt. Nur die Treppenhäuser haben noch den 50er-Jahre-Schwung. Zwei Salons sind allerdings unter strenger Aufsicht der Denkmalpflege original belassen. Doch ganz unter uns, sie wirken mit ihren schweren, braunen, hölzernen Türen und den ambitionierten, zeittypischen Lüstern ziemlich muffig.

Schon in den spätern 80er Jahren hatte Bundespräsident Richard von Weizsäcker eine Schlossrenovierung veranlasst. Damals hat der Münchner Architekt und Denkmalpfleger Otto Meitinger die Repräsentationsräume im Obergeschoss neu gestaltet. Die Sanierung erfolgte nach der schlichten Devise: 50er Jahre raus, Klassizismus rein. Als jetzt erneut die Handwerker kamen, blieb dieses Sanierungskonzept in Kraft. Schließlich hat Architekt Helge Pitz den Auftrag von Otto Meitinger übernommen und musste schon deshalb Respekt walten lassen.

"Ansonsten hat eine leichte Vernüchterung stattgefunden, da war die Funktionalität im Vordergrund. Also die Herstellung eines guten Funktionsablaufes, also eines guten Ablaufes beispielsweise großer Veranstaltungen, 400 Personen im großen Saal, am nächsten Tag vormittags irgendetwas anderes, da muss es schnell gehen, da wird über Nacht gearbeitet. Und das galt es zu sortieren, das war vorher außerordentlich schwierig, weil die Funktionen sehr verknotet waren ineinander."

Und nicht nur das. Über die Jahre hatte der Zahn der Zeit dem Schloss mächtig zugesetzt: Die Heizung streikte, es gab Wasserschäden, und bei Staatsempfängen saßen die Gäste manchmal auch unfreiwillig bei Kerzenschein. Pressesprecher Wolfgang Teske denkt mit Schaudern an all die großen und kleinen Katastrophen, die nun hoffentlich Vergangenheit sind.

"Zum Beispiel der Fahrstuhl, der jetzt funktionsfähig ist, und wo eben der Bundespräsident mit seinem Gast sich nicht reinquetschen muss, sondern wo er gemütlich reingehen kann und fahren kann, ohne Angst zu haben, stecken zu bleiben. Wichtig sind eben auch die neuen Brandschutzsachen, die hier eingebaut wurden. Wir hatten oft Staatsbesuche, und draußen vor der Tür kam die Feuerwehr an, weil es ne Brandmeldung gab, das waren dann Fehlalarme."

Entnervt nannte Roman Herzog das Schloss eine Bruchbude. Er wusste, wovon er sprach, denn die Herzogs waren die letzte Präsidentenfamilie, die Privaträume im Schloss in Anspruch nahm. Die Nachfolger wohnen seitdem woanders, und beim Umbau wurde auf einem Privatbereich jetzt ganz verzichtet.

Die 24 Millionen Euro Sanierungskosten sind eine gut angelegte Investition, und Horst Köhler zeigte sich mit dem Schlossumbau auch hoch zufrieden, als er im repräsentativen Speisesaal stand.

"Ich muss sagen, der große Saal ist für die großen Anlässe ein ganz schöner Rahmen. Und dann finde ich mein eigenes Arbeitszimmer ganz nett. Also wenn die Bilder drin hängen, weil ich dann auch einen Blick habe auf den Park. Aber insgesamt ist es gut gelungen."

Ende des 18. Jahrhunderts war Schloss Bellevue der erste klassizistische Schlossbau in Preußen. Langhans und Schinkel veränderten später einige Räume. Nach dem Ersten Weltkrieg, als Kaiser Wilhelm II. nach Holland geflohen war, kamen unruhigere Zeiten. Das Schloss wurde zum Mietshaus, später zog das Völkerkundemuseum ein, bis es Hitler zum Gästehaus der Reichsregierung machte. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Mitteltrakt stark beschädigt, und erst Mitte der 50er Jahre konnte der Architekt und Bauhauslehrer Hinnerk Scheper den Wiederaufbau in Angriff nehmen.

Die Schlüsselübergabe nach der neusten Renovierung fand vor dem Schloss bei Minusgraden statt, doch das konnte den neuen Bauminister Wolfgang Tiefensee nicht daran hindern, bei dieser Gelegenheit gleich einmal grundsätzlich zu werden.

"Mir kommt es sehr darauf an, dass wir in unserem Lande stärker den Denkmalschutz und die Baukultur, die Architektur in den Vordergrund stellen. Lassen Sie uns das Aufschließen dieses Schlosses zum Anlass nehmen, auf unsere Denkmale mehr Wert zu legen und auch auf die Architektur und Baukultur."

Aber Vergangenheit und Baukultur waren kein wirkliches Thema beim Tag der offenen Tür.

"Haben Sie das mitbekommen, dass die Mitarbeiter 10.000 Pralinen hergestellt haben?"

Klar, haben wir, Herr Bundespräsident.

Zum Abschied gab es Pralinen mit aufgedrucktem Bundesadler. Das süße Präsent aus der Schlossküche verteilte Horst Köhler persönlich, bevor er sich noch einmal an die Presse wandte.

"Ich hatte den Eindruck, allen hat es gefallen, und zwar weil es nicht ein aufdringlicher Pomp ist, sondern doch eine Eleganz, einen Stil hat, der aber gleichzeitig doch angemessen, auch mit einer gewissen Bescheidenheit sich präsentiert. Ich glaube das passt ganz gut zu uns und zur Republik."