Wo Bio-Kraftstoff Menschen vertreibt

Von Michael Hollenbach · 26.11.2011
Anbauer von Biokraftstoffen brauchen Fläche. Im südlichen Afrika gibt es davon reichlich, beispielsweise in Sambia. Die Methoden der Großinvestoren beim Landkauf sind teilweise brutal. Landgrabbing - Landraub - ist ein großes Problem.
Das Dorf Macha im Süden von Sambia. Kalaloka Muchimba ist aus seiner kleinen Hütte gekommen und begrüßt die Besucher. Der 72 Jahre alte Mann ist der Einzige von rund 1000 Dorfbewohnern, der sich nicht hat vertreiben lassen:

"Sie brannten die Häuser nieder und die Leute rannten weg, es war wie Krieg, sie mussten dann im Busch schlafen, keiner konnte ihnen helfen. Ich bin der Einzige, der geblieben ist. Seitdem kämpfen wir für unser Ziel und haben auch die Regierung informiert, damit sie uns hilft, damit wir hier bleiben können."

Vertrieben wurden die Kleinbauern von Macha von den Führern der Brethren in Christ Church, der Kirche der "Brüder in Christo". Eine amerikanische mennonitische Kirche, die vor gut 100 Jahren ins sambische Macha kam, um hier zu missionieren. Doch vor zwei Jahren hat die Kirche das Land, auf dem die Kleinbauern leben, einfach verkauft, berichtet Kalaloka Muchimba:

"Als es losging, da war es die Kirche, die zu uns kam und sagte: Wir wollen das Land, ihr müsst hier wegziehen. Aber 1906, als unsere Vorfahren hier waren, da kamen die Missionare aus Amerika und gründeten die Mission. Sie sagten: Wir bauen eine Kirche für euch, eine Schule, ein Krankenhaus und unsere Vorfahren sagten: Ja, das wollen wir auch. [Das war 1906.] Unsere Großväter akzeptierten, dass die amerikanischen Missionare hier ihre Kirche bauten. Nach der Unabhängigkeit Mitte der 60er-Jahre gingen die Amerikaner und die Kirche wurde von Sambiern weiter verwaltet. Und diese Sambier sind es, die uns das nun antun."

Die Kirchenleitung schweigt zu den Vorwürfen. Pastor Moses, der nur einen Kilometer entfernt wohnt, erklärt, er dürfe sich in dieser Angelegenheit nicht äußern. Nur der Bischof werde zu der Vertreibung etwas sagen, aber der befinde sich im Ausland. Tatsache ist, dass 200 Hütten niedergebrannt und die Ackerflächen der Kleinbauern zerstört wurden. Ein niederländischer Investor hat nun begonnen, hier die Biospritpflanze Jatropha anzubauen. Kalaloka Muchimba:

"Ich habe denen gesagt: Ich bleibe hier. Wenn ihr wollt, könnt ihr kommen und mich töten. Ich habe sie gefragt: Wie könnt ihr kommen und hier diese Jatropha-Pflanzen anbauen; an einem Ort, wo wir wohnen? Ich werde hier Widerstand leisten – bis zum Ende. Und du kannst da vorne das kleine Zelt sehen. Das haben mir Leute gebracht. Dann könnte ich da leben, wenn sie kommen, um mein Haus zu zerstören."

Macha ist ein eklatantes, aber dennoch ein typisches Beispiel für das massive Interesse von ausländischen Großinvestoren an afrikanischem Land. Carolin Callenius leitet die Kampagne für Ernährungssicherheit beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt. Sie nennt mehrere Ursachen für die in den vergangenen Jahren massiv gestiegene Gier nach Land. Einer der Gründe: die Explosion der Nahrungsmittelpreise im Jahr 2008:

"Da war das Interesse groß von Staaten, die zwar viel Geld haben, aber wenig natürliche Ressourcen, um sich ihre Ernährung irgendwo zu sichern."

Wie zum Beispiel China, Süd-Korea oder arabische Staaten wie Saudi-Arabien, die Land in Afrika pachten, um dort Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung anzupflanzen. Dann kommt der Nachfrageboom nach Agrosprit, die Industrieländer sowieso, aber auch die Schwellenländer haben sich zum Teil ehrgeizige Quoten gesetzt, das ist eine ganz neue Nachfrage. Im Bereich Futtermittel gibt auch eine neue große Nachfrage, weil immer mehr Fleisch konsumiert wird, in den Schwellenländern wird immer mehr Fleisch konsumiert und dafür braucht man große Futtermittelflächen. Und dann kam noch die Finanzkrise dazu. Auf einmal war – neben Gold – auch Ackerland sehr begehrt bei Investoren. Carolin Callenius:

"Es entstehen immer mehr Agrarfonds, die in den Agrarsektor investieren und sehr gute Renditen versprechen."

Vor dem Hintergrund der stetig wachsenden Weltbevölkerung und des Klimawandels spekulieren diese Fonds auf höhere Nahrungsmittelpreise und werben mit Renditen von 20 Prozent. Und noch in einem weiteren Punkt ist das sambische Dorf Macha typisch für das Landgrabbing. Die Besitzrechte sind oft nicht eindeutig geklärt. Carolin Callenius:

"Es gibt da keine Landkataster, wie wir sie kennen. Dennoch gibt es ein traditionelles Landrechtssystem. Jetzt ist es eine Übergangssituation, wo Land plötzlich gehandelt wird."

Das Land wird meist von einem traditionellen Chief kontrolliert, der aber nicht der formelle Eigentümer ist. Es hat eher den Charakter eines Gemeindelandes, das allen, die dort leben, zur Verfügung steht, sagt der Pfarrer Spencer Nyendwa. Er leitet die Caritas in der Region Macha:

"Wir unterstützen die Initiativen vor Ort, weil das traditionelle Land nicht verkauft werden darf. Damit diese Leute, die meistens sehr arm sind, sich sicher fühlen können, ist es wichtig, dass sie ein Zertifikat für das Land von ihrem Chief bekommen. Zwei Drittel der Sambier könnten es sich gar nicht leisten, eine Pacht für das Land zu zahlen."

Spencer Nyendwa hört oft das Argument, Sambia verfüge doch über so viel Land, da könne man den Großinvestoren ruhig zig tausend Hektar verpachten. Doch das Problem sei – so der Pfarrer -, dass die ausländischen Investoren das beste Land bekämen:

"Sambia hat genug Land, aber Grund und Boden wächst nicht. Sambia ist ein junges Land. Zwei Drittel der Bevölkerung sind junge Leute, und die Bevölkerung wächst immer stärker. Das bedeutet, wir müssen jetzt in die Zukunft gucken. Und es wird sehr kritisch, wenn künftig so viel Land in den Händen von ausländischen Investoren sein wird."

Der 72-jährige Kalaloka Muchimba aus dem Ort Macha will auf jeden Fall nicht weichen.

"Das ist mein Geburtsort, und meine Vorfahren waren schon hier, bevor die Missionare kamen. Ich habe keine Möglichkeit, irgendwo anders hinzugehen. Ich bin ein Sambier und das ist Sambia. Ich akzeptiere nicht, dass mich jemand von diesem Platz vertreibt. Deshalb wehre ich mich dagegen."

Einen ersten Erfolg haben Muchimba und seine Mitstreiter bereist erreicht. Ein Gericht hat verfügt, dass noch einmal überprüft werden müsse, ob die Vertreibung der Kleinbauern rechtens war.

"Wir ziehen jetzt noch mal vor Gericht. Vor zwei Jahren sind wir hier vertrieben worden. Aber wir haben kein Geld. Die meisten Leute hier leben vom Mais, den sie anbauen, aber nach der Vertreibung konnten sie keinen Mais mehr anbauen. Bislang fehlt uns das Geld für die Gerichtsverhandlung. Aber wir sind optimistisch, dass wir vor Gericht siegen werden, weil das unser Mutterland ist, wir wollen diesen Ort nicht verlassen."

Umgerechnet 800 Euro braucht die Gemeinschaft, um noch einmal vor Gericht zu ziehen. Eine Summe, die sie allein – ohne Hilfe der Caritas - nicht aufbringen könnte.
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