WM für Islandpferde

Für die Tiere gibt es kein Zurück

06:39 Minuten
Eine Reiter und und ihr Pferd in Aktion bei den nationalen Titelkämpfen in Selfoss im Süden Islands.
Strenge Regeln: Um Pferde in Island vor Krankheiten zu schützen und um die Rasse der Islandpferde rein zu halten, darf kein Pferd Island verlassen und wieder zurück kommen. © Deutschlandradio / Jessica Sturmberg
Von Jessica Sturmberg  · 06.08.2023
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Jede Weltmeisterschaft ist ein schmerzlicher Abschied. Denn jedes Pferd, das Island verlässt, darf nicht mehr zurück. Diese Regel soll die Rasse reinhalten und verhindern, dass Krankheiten eingeschleppt werden.
Der Wind bläst ordentlich, als Anfang Juli in Selfoss, einem Ort südöstlich von Reykjavík, die letzten nationalen Titelkämpfe vor der Weltmeisterschaft stattfinden. Die Zuschauerinnen und Zuschauer, die auf der einfachen Holztribüne sitzen, haben dicke Wollpullis und Jacken an. Viele sitzen aber einfach in ihren Autos, zumeist Geländewagen rund um die ovale Wettkampfbahn. Bei der Prüfung, die gerade abgenommen wird, Tölt 2, dürfen die Reiterinnen und Reiter erst beliebig schnell reiten, und werden für die Schönheit des Ganges bewertet, dann wird langsames Tempo geritten und Noten vergeben, Höchstwertung ist 10, dann drehen alle um und reiten ohne Zügel in die andere Richtung, wofür es auch nochmal Noten gibt. 

Hupkonzert als Applaus

„Das ist ja Applaus“, erklärt Erlendur Árnarson zum Hupkonzert, er sitzt auf der Tribüne, ist Züchter und Hufschmied des Nationalteams, kennt jedes Pferd, jede Reiterin und jeden Reiter ganz genau.  Bei der nächsten Prüfung, Tölt 1, ist er ganz begeistert von Jóhanna Margrét Snorradóttir mit ihrem Pferd Bárður: „Der trägt ganz lange und stoppt in der Luft, ist absolut taktklar, Bewegung wahnsinnig, und in der Form, so wie das sein soll … die sind alle wahnsinnig gut, die laufen alle über 8, aber ist trotzdem ganz schöner Unterschied, ne?“

Erste WM nach der Pandemie

Jóhanna Margrét Snorradóttir und ihr Pferd Bárður sind das Traumpaar der Nationalmannschaft. Mit dem weißen Hengst ist die 27-Jährige drei Mal isländische Meisterin in der Königsdisziplin Tölt 1 geworden und jetzt eine der Titelkandidatinnen bei der WM in der kommenden Woche. Sie alle freuen sich auf die WM, nachdem diese vor zwei Jahren wegen der SARS-CoV-2-Pandemie ausfiel. Aber jede Weltmeisterschaft ist auch immer ein schmerzlicher Abschied, von den Pferden, mit denen sie so lange trainiert und gearbeitet haben. Und das hat einen einfachen Grund: Es dürfen von außen keine Pferde auf die Insel gebracht werden. Heißt also: jedes Pferd, dass Island verlässt, darf nie wieder zurück.
Jóhanna Margrét Snorradóttir und ihr Pferd Bárður in Aktion bei den nationalen Titelkämpfen in Selfoss im Süden Islands.
Schmerzhafter Abschied: Jóhanna Margrét Snorradóttir und ihr Pferd Bárður haben sich für die WM in Eindhoven qualifiziert. Doch damit endet die gemeinsame Reise der Beiden. Der Hengst darf nicht wieder zurück nach Island. © Deutschlandradio / Jessica Sturmberg

Schmerzlicher Abschied

Alle im isländischen Nationalteam können mit ihrem Pferd nur einmal teilnehmen und müssen es dann verkaufen und wieder neu anfangen. Oder auf dem europäischen Festland trainieren, aber das macht kaum jemand. So ist es immer ein harter Prozess des Abschiednehmens und besonders schmerzlich dieses Mal für Jóhanna Margrét Snorradóttir. Sie gewinnt in Selfoss unangefochten den Titel: „Ich könnte kaum glücklicher sein, ich bin riesig stolz.“ Ganz besonders auf ihr Pferd, mit dem sie seit 2018 so hart trainiert hat. „Das ist ein besonderes Pferd, es ist temperamentvoll, talentiert, beherrscht wunderbar alle Gangarten, es ist rundum so gut … und hat eine tolle Ausstrahlung“ Aber im gleichen Atemzug räumt sie auch ein, wie schwer ihr jetzt schon zumute ist, sich von diesem Traumpferd trennen zu müssen. „Das wird so unglaublich schwer, aber es gibt nur diesen Weg um zur WM zu kommen.“

Harte Regeln zum Schutz der Rasse

Eigentlich sollten die beiden schon vor zwei Jahren am Weltchampionat teilnehmen, der Hengst war damals sogar schon verkauft an einen Schweizer Stall und durch Corona durften sie noch zwei Jahre länger zusammen bleiben. „Ich war darüber glücklich, dass wir zwei weitere Jahre bekommen haben. Es ist so ein bemerkenswertes Pferd, das gibt es nicht so oft und so wir sind wir jetzt hier.“ Diese harte Regel gibt es vor allem, um die Pferde in Island vor Krankheiten zu schützen und auch, um die Rasse rein zu halten. Es wird absolut strikt eingehalten. So wird es also auch nie eine Weltmeisterschaft der Islandpferde in Island geben. Und trotzdem hat die WM dort eine große Bedeutung.

Ich kam in den Stall mit zehn, zwölf Pferden, es war ein weißes Pferd und als er meine Stimme hörte, hob er den Kopf hoch – das war sehr berührend.

Sigurbjörn Bárðarson, Nationaltrainer

Zwei Wochen nach der nationalen Meisterschaft wird die Nationalmannschaft der Öffentlichkeit in einem großen Autohaus präsentiert. Ohne Pferde aber mit Medienauflauf. Nationaltrainer Sigurbjörn Bárðarson erzählt, wie tränenreich die Abschiede bei der Weltmeisterschaft sind und zerknirscht. „Wir haben so viel Zeit mit den Pferden verbracht fünf, sechs, acht Jahre und dann kommt die Stunde, bei der der neue Eigentümer das Pferd mitnimmt und vielleicht siehst Du es bei der nächsten Weltmeisterschaft nochmal wieder.“ Dann allerdings bei der Konkurrenz. Auch bei den Pferden sei der Trennungsschmerz spürbar. Und dann erzählt Sigurbjörn Bárðarson auch mit einer Träne im Auge von einem Pferd, dass ihn Jahre später bei einem Wettkampf wiedererkannte.

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