Wissenschaftshistoriker Peter Fischer

"Menschen sind keine Reagenzgläser"

05:50 Minuten
Ein Arzt des Krankenhauses von Giugliano in Neapel hät in Schutzkleidung ein Reagenzglas für Personen, die den Test auf das Coronavirus COVID-19 durchführen müssen.
Ein italienischer Arzt während eines Drive-Through-Covid-19-Tests. © Getty Images / KONTROLAB / LightRocket / Salvatore Laporta
Peter Fischer im Gespräch mit Ute Welty · 21.04.2020
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Die Coronapandemie mache deutlich, dass die Natur nicht "entzaubert" sei, sagt der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer. Die Wirkungen des Virus auf Mensch und Gesellschaft könnten nur Schritt für Schritt nachvollzogen werden.
Ein "Schockerlebnis" sei die Corona-Pandemie. Sie stelle ein falsches Wissenschaftsverständnis infrage, meint der Wissenschaftshistoriker und -publizist Ernst Peter Fischer.

"Die Sozialwissenschaftler haben uns seit über 100 Jahren eingeredet, dass die Wissenschaft die Welt entzaubert und alles berechenbar macht", sagt Fischer in unserem Programm. Nun müssten wir erkennen, dass Natur und Leben ein "Geheimnis" bleiben.

Zugleich bemängelt Fischer die Vernachlässigung der Naturwissenschaften im Bildungskanon. Wie sich "Wachstumskurven von Ansteckungen" entwickeln, hätte längst in die Schulbildung integriert und auch in den Medien stärker behandelt werden müssen, meint er.

Schritt für Schritt Erfahrungen sammeln

Letztlich müssten wir nun auf die Virologen und Biochemiker, die Impfstoffe entwickeln, vertrauen. Der Weg zur mehr Wissen über das Coronavirus sei mühsam:

"Sie können das Virus genau analysieren, können seine Oberfläche anschauen, seine Moleküle, das kann die Wissenschaft perfekt, in kürzester Zeit", meint der Wissenschaftshistoriker.

Die Wirkungen im Menschen und in der Gesellschaft seien schwieriger nachzuvollziehen.
"Menschen sind keine Reagenzgläser, und Gesellschaften noch weniger. Da gibt es nicht so einfache Entzauberungsexperimente, sondern da gibt es nur mühsam, Schritt für Schritt, Erfahrungen sammeln, und dann werden wir halt ungeduldig."
(huc)
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