Wissenschaftliche Widerlegungen subjektiver Interpretationen
Glauben Sie, dass schöne und hässliche Menschen gleichbehandelt werden? Dass Reiche meist geizig und einsam sind? Und schöne Momente immer rasch verfliegen? Der französische Psychologe Serge Ciccotti hat 150 solcher Fragen des Alltags unter die Lupe genommen und kommt zu einem amüsanten Ergebnis: Oft sind die Schlussfolgerungen aus den alltäglichen Beobachtungen falsch! Und: Sogar wenn man belehrt wurde und es eigentlich besser weiß, hält man an diesen "Wahrheiten" fest.
Serge Ciccottis Analyse zeigt, wie subjektiv Interpretationen sind. Zu jedem Phänomen erläutert er die entsprechenden wissenschaftlichen Studien und zeigt: Jeder Mensch manipuliert unbewusst seine eigene Wahrnehmung! Und zwar unabhängig davon, ob es um das eigene oder das Können anderer geht.
Autofahrer zum Beispiel glauben fest daran, das Telefonieren beim Fahren sie nicht sonderlich ablenkt, auch wenn computersimulierte Tests längst das Gegenteil bewiesen haben. Wer telefoniert, übersieht häufiger Schilder, Personen, Tiere oder andere Autofahrer. Die Konzentration liegt beim Telefongespräch und nicht im Verkehr. Das gilt übrigens auch für Gespräche mit einer Freisprechanlage. Nur die Hände freizuhaben, bedeutet nicht, dass man auch aufmerksam ist.
Ein anderes Beispiel: Jeder Durchschnittsbürger, der neben Angelina Jolie oder Brad Pitt steht, wird sich mit ziemlich hoher Sicherheit für nicht besonders attraktiv halten. Steht man aber neben der schrulligen Nachbarin, ändert sich die eigene Selbstwahrnehmung schnell und man fühlt sich schön. Darum, so Ciccotti, umgeben sich viele Menschen gerne auch mit weniger attraktiven Freunden.
Kontrasteffekt nennen das die Forscher und der wirkt auch beim Einkauf. Legt man einem Kunden zunächst einen sehr teuren Artikel vor und anschleißend einen sehr günstigen, dann wird Letzterer im Vergleich zum teuren Artikel plötzlich zum Schnäppchen, das man haben will. Auch dann, wenn man den günstigen Artikel vorher nie gekauft hätte.
Serge Ciccotti schreibt wunderbar verständlich. Er formuliert präzise und zieht am Ende jeder Studien- oder Experimentanalyse immer ein kurzes Fazit über den Nutzen der jeweiligen Untersuchungen. Das macht das Buch besonders für Nichtwissenschaftler interessant, zeigt es doch, wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert, wie Versuche geplant und durchgeführt werden und welche Bedingungen wichtig sind, um am Ende verwertbare Ergebnisse heraus zu bekommen. Ganz wichtig dabei: Die Experimente sind so aufgebaut, dass die Versuchsteilnehmer die wahre Forschungsfrage nicht kennen, sondern immer erst im Nachhinein erfahren, worum es tatsächlich ging.
Einziger Nachteil der 388 Seiten: die unglaubliche Masse der teils skurrilen Untersuchungen! Jede für sich ist Gold wert, lässt sie einen doch nachdenklich zurück. Doch wer alle 150 an einem Stück liest, ist irgendwann gelangweilt. Besser ist es daher, das Buch immer dann zur Hand zu nehmen, wenn man konkrete Fragen hat oder die eigene Wahrnehmung kritisch hinterfragen will.
Besprochen von Susanne Nessler
Serge Cicotti: 150 psychologische Aha–Experimente. Beobachtungen zu unserem eigenen Erleben und Verhalten
Aus dem Französischen von Gabriele Herbst
Spektrum Verlag, Heidelberg 2011
388 Seiten, 19,95 Euro
Autofahrer zum Beispiel glauben fest daran, das Telefonieren beim Fahren sie nicht sonderlich ablenkt, auch wenn computersimulierte Tests längst das Gegenteil bewiesen haben. Wer telefoniert, übersieht häufiger Schilder, Personen, Tiere oder andere Autofahrer. Die Konzentration liegt beim Telefongespräch und nicht im Verkehr. Das gilt übrigens auch für Gespräche mit einer Freisprechanlage. Nur die Hände freizuhaben, bedeutet nicht, dass man auch aufmerksam ist.
Ein anderes Beispiel: Jeder Durchschnittsbürger, der neben Angelina Jolie oder Brad Pitt steht, wird sich mit ziemlich hoher Sicherheit für nicht besonders attraktiv halten. Steht man aber neben der schrulligen Nachbarin, ändert sich die eigene Selbstwahrnehmung schnell und man fühlt sich schön. Darum, so Ciccotti, umgeben sich viele Menschen gerne auch mit weniger attraktiven Freunden.
Kontrasteffekt nennen das die Forscher und der wirkt auch beim Einkauf. Legt man einem Kunden zunächst einen sehr teuren Artikel vor und anschleißend einen sehr günstigen, dann wird Letzterer im Vergleich zum teuren Artikel plötzlich zum Schnäppchen, das man haben will. Auch dann, wenn man den günstigen Artikel vorher nie gekauft hätte.
Serge Ciccotti schreibt wunderbar verständlich. Er formuliert präzise und zieht am Ende jeder Studien- oder Experimentanalyse immer ein kurzes Fazit über den Nutzen der jeweiligen Untersuchungen. Das macht das Buch besonders für Nichtwissenschaftler interessant, zeigt es doch, wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert, wie Versuche geplant und durchgeführt werden und welche Bedingungen wichtig sind, um am Ende verwertbare Ergebnisse heraus zu bekommen. Ganz wichtig dabei: Die Experimente sind so aufgebaut, dass die Versuchsteilnehmer die wahre Forschungsfrage nicht kennen, sondern immer erst im Nachhinein erfahren, worum es tatsächlich ging.
Einziger Nachteil der 388 Seiten: die unglaubliche Masse der teils skurrilen Untersuchungen! Jede für sich ist Gold wert, lässt sie einen doch nachdenklich zurück. Doch wer alle 150 an einem Stück liest, ist irgendwann gelangweilt. Besser ist es daher, das Buch immer dann zur Hand zu nehmen, wenn man konkrete Fragen hat oder die eigene Wahrnehmung kritisch hinterfragen will.
Besprochen von Susanne Nessler
Serge Cicotti: 150 psychologische Aha–Experimente. Beobachtungen zu unserem eigenen Erleben und Verhalten
Aus dem Französischen von Gabriele Herbst
Spektrum Verlag, Heidelberg 2011
388 Seiten, 19,95 Euro