Wissenschaftler und Lehrer
Wer die Geschichten der Comichelden Asterix und Obelix kennt, der weiß, dass sie sich selbst Gallier nannten, dass sie im heutigen Frankreich wohnten und dass sie unbesiegbar waren, weil sie über einen Zaubertrank verfügten. Den braute ihnen der Zauberer Miraculix aus Mistelzweigen zusammen. Wer diese Zauberer, Druiden genannt, aber nun wirklich waren, dieser Frage ist der französische Archäologe Jean-Louis Brunaux in seinem neuen Sachbuch "Druiden – Die Weisheit der Kelten" nachgegangen. Jean-Louis Brunaux ist Archäologe und seit vielen Jahren Leiter aller keltischen Ausgrabungen in Frankreich, und er ist der führende Keltenspezialist in Europa.
Der Kerngegenstand von Brunaux’ Untersuchungen ist geographisch das Territorium des heutigen Frankreichs und Belgiens in der Zeit von zirka 600 v. Chr. bis zur Besetzung Frankreichs, -damals Gallien genannt-, durch die Römer um 50 v. Chr. Was die Comics verschweigen: In Wirklichkeit verloren Asterix und seine Gallier ihre letzte Schlacht, - und mit ihnen die Druiden. Der Zaubertrank hatte versagt.
Die Druiden waren weder Zauberer, Wahrsager noch Priester; sie waren Wissenschaftler und Lehrer, die in einer Art Zunft vernetzt waren. Sie beherrschten Mathematik und Astronomie, konnten also präzise Kalender erstellen, und sie waren Botaniker, Mediziner, Geologen, Mineralogen usw., also Universalgelehrte. Und neben Forschung und Lehre übten die Druiden auch noch eine dritte wichtige Funktion in der Gesellschaft aus, und zwar die des Richters und indirekt damit auch die des Politikers. Das Credo der Druiden waren Vernunft, Harmonie und Ausgleich; der Einfluss griechisch-pythagoreischer Philosophie jener Zeit ist unübersehbar.
Die von Brunaux untersuchten Gallier stellten den französisch-belgischen Zweig der Kelten, einer gesamteuropäischen Völkerfamilie, die sich vom Schwarzen Meer über die heutigen Territorien von Bulgarien, Slowenien, Österreich, Süddeutschland, Frankreich und Belgien bis nach England spannte. Insofern hat Brunaux´ Untersuchung der gallischen Vertreter der Kelten exemplarischen Charakter.
Den Leser erwartet zunächst eine wissenschaftlich exakte, sprich zermürbende Lektüre, - für den Historiker entwickelt sich das Buch aber zu einem echten Thriller: Brunaux zeichnet für die Zeit der Antike das Bild einer hochkultivierten Zivilisation nördlich der Alpen, deren Primat die Vernunft war. Damit löst sich die alte Denkidee des Nordsüdgefälles in Luft auf, nach der es am Mittelmeer Kultur, nördlich der Alpen die Barbaren gab.
Brunaux’ Erkenntnisse sind nicht neu, sondern wurden schon von anderen Wissenschaftlern in den 60er-Jahren formuliert, weswegen Brunaux die Frage stellt, warum die Medien, warum Öffentlichkeit und Geschichtsschreibung diese historische Realität in den letzten 40 Jahren ignoriert haben. Brunaux’ Antwort: für die Medien seien "Zauberer-Zausel" attraktiver als Philosophen. Der Originaltitel von Brunaux´ Buch lautet "Les druides: Des philosophes chez les Barbares".
"Druiden – Die Weisheit der Kelten" ist ein Lehrstück für akribische, handwerkliche Wissenschaftlichkeit. Die ersten 100 Seiten verlangen dem Leser alle Geduld ab, dann aber beginnt langsam der Thriller, wenn sich das historische Mosaik wie in einem Kriminalfall zusammensetzt. Brunaux' Sprache ist hochelegant und von tiefer Ironie gegenüber der Geschichtsschreibung geprägt, kongenial übersetzt von Susanne Held. "Druiden – Die Weisheit der Kelten" ist ein wissenschaftlicher Meilenstein, der unsere Geschichtsschreibung fundamental erschüttert. Chapeau pour Jean-Louis Brunaux!
Rezensiert von Lutz Bunk
Jean-Louis Brunaux: Druiden - Die Weisheit der Kelten
Klett-Cotta Verlag Stuttgart 2009, 381 Seiten, 27,90 Euro
Die Druiden waren weder Zauberer, Wahrsager noch Priester; sie waren Wissenschaftler und Lehrer, die in einer Art Zunft vernetzt waren. Sie beherrschten Mathematik und Astronomie, konnten also präzise Kalender erstellen, und sie waren Botaniker, Mediziner, Geologen, Mineralogen usw., also Universalgelehrte. Und neben Forschung und Lehre übten die Druiden auch noch eine dritte wichtige Funktion in der Gesellschaft aus, und zwar die des Richters und indirekt damit auch die des Politikers. Das Credo der Druiden waren Vernunft, Harmonie und Ausgleich; der Einfluss griechisch-pythagoreischer Philosophie jener Zeit ist unübersehbar.
Die von Brunaux untersuchten Gallier stellten den französisch-belgischen Zweig der Kelten, einer gesamteuropäischen Völkerfamilie, die sich vom Schwarzen Meer über die heutigen Territorien von Bulgarien, Slowenien, Österreich, Süddeutschland, Frankreich und Belgien bis nach England spannte. Insofern hat Brunaux´ Untersuchung der gallischen Vertreter der Kelten exemplarischen Charakter.
Den Leser erwartet zunächst eine wissenschaftlich exakte, sprich zermürbende Lektüre, - für den Historiker entwickelt sich das Buch aber zu einem echten Thriller: Brunaux zeichnet für die Zeit der Antike das Bild einer hochkultivierten Zivilisation nördlich der Alpen, deren Primat die Vernunft war. Damit löst sich die alte Denkidee des Nordsüdgefälles in Luft auf, nach der es am Mittelmeer Kultur, nördlich der Alpen die Barbaren gab.
Brunaux’ Erkenntnisse sind nicht neu, sondern wurden schon von anderen Wissenschaftlern in den 60er-Jahren formuliert, weswegen Brunaux die Frage stellt, warum die Medien, warum Öffentlichkeit und Geschichtsschreibung diese historische Realität in den letzten 40 Jahren ignoriert haben. Brunaux’ Antwort: für die Medien seien "Zauberer-Zausel" attraktiver als Philosophen. Der Originaltitel von Brunaux´ Buch lautet "Les druides: Des philosophes chez les Barbares".
"Druiden – Die Weisheit der Kelten" ist ein Lehrstück für akribische, handwerkliche Wissenschaftlichkeit. Die ersten 100 Seiten verlangen dem Leser alle Geduld ab, dann aber beginnt langsam der Thriller, wenn sich das historische Mosaik wie in einem Kriminalfall zusammensetzt. Brunaux' Sprache ist hochelegant und von tiefer Ironie gegenüber der Geschichtsschreibung geprägt, kongenial übersetzt von Susanne Held. "Druiden – Die Weisheit der Kelten" ist ein wissenschaftlicher Meilenstein, der unsere Geschichtsschreibung fundamental erschüttert. Chapeau pour Jean-Louis Brunaux!
Rezensiert von Lutz Bunk
Jean-Louis Brunaux: Druiden - Die Weisheit der Kelten
Klett-Cotta Verlag Stuttgart 2009, 381 Seiten, 27,90 Euro