Wissenschaft für Laien

Vorgestellt von Tarik Ahmia |
In jeder Himmelsrichtung gibt es unendlich viele Sterne, die allesamt so hell leuchten wie unsere Sonne. Trotzdem ist unser Nachthimmel dunkel. Warum? Die Erklärung findet sich in der nun in Buchform und in deutscher Sprache veröffentlichten Frage-und-Antwort-Kolumne aus der US-amerikanischen Wissenschaftszeitschrift "Scientific American".
125 Fragen aus allen Bereichen der Naturwissenschaften werden hier von mindestens ebenso vielen Experten und Forschern beantwortet. Das Prinzip ist einfach: in typisch angelsächsisch-pragmatischer Manier versuchen Fachleute, die Fragen von Laien möglichst kurz, klar und erhellend zu beantworten. Die Fragen-Auswahl des "Scientific American" deckt ein sehr breites naturwissenschaftliches Spektrum ab. Geordnet nach den Disziplinen der Physik, Biologie, Chemie und Mathematik spiegeln sie zwar eine zwangsläufig etwas beliebige, dafür aber um Kurzweil bemühte Auswahl großer und kleiner Rätsel wider: Aufgeteilt in acht Kapitel wird die Neugier der Leser zu Phänomenen aus der Astronomie, dem Tierreich, der Evolution, der Geowissenschaften, der Computertechnik bis hin zur Chemie des Alltags teils mit simplen, teils mit recht anspruchsvollen Erklärungen gestillt: Wie schwer sind Planeten? Wieso können Pflanzen Fleisch fressen? Wieso ertrinken Delphine nicht im Schlaf? Wie funktioniert eine Internet-Suchmaschine?

Vor allem bei Rätseln des Alltags bietet die Sammlung eine Fülle spannender Details. So ist das Buch am unterhaltsamsten, wenn es sich mit der alltäglichen Wahrnehmungswelt beschäftigt. Spätestens nach dieser Lektüre wissen Sie, dass Edelstahl nicht rostet, weil er von einer superdünnen Legierung vor Wasser und Sauerstoff geschützt wird; dass auch blind geborene Kinder, die nie ein Lächeln gesehen haben, auf die gleiche Weise und in den gleichen Situationen lächeln wie sehende Menschen; dass Grippeviren vor allem im Winter übertragen werden, weil feuchte Jahreszeiten Tröpfcheninfektionen begünstigen; oder dass Zitronensaft den Sauerstoff der Luft sehr schnell bindet und so Apfelstückchen vor dem braun werden bewahrt. Die Experten leiten sogar wissenschaftlich her, wie die flüchtigen Öle der Zwiebel unsere Augen zum Weinen bringen und bieten ein paar nicht immer praktische Tipps, wie man der Wirkung des Zwiebelsaftes entgehen kann:

"Warum müssen wir beim Zwiebel schneiden weinen?
Sie können die Zwiebel vor dem Schneiden erwärmen um die Enzyme zu denaturieren, oder versuchen, den Kontakt mit den Dämpfen zu minimieren. Am besten schneiden Sie die Zwiebel auf einem windigen Balkon, unter laufendem Wasser oder auch in einem mechanisch verschlossenem Behälter. Manche sagen auch, dass es hilft, wenn man Kontaktlinsen trägt."

So bunt die Themenauswahl ist, so unterschiedlich fallen die Antworten in Qualität und Stil aus. Mal wird freundlich geplaudert, mal knapp räsoniert, bei anderen Ausführungen winden sich die Autoren in theoretischen Vorbemerkungen und wissenschaftlichem Kauderwelsch. Einige Antworten gelingen in einem Absatz, während das Buch vergleichsweise viel Platz für Rätsel verwendet, die sich bislang nicht wirklich beantworten lassen. So spekuliert ein Physik Professor aus Montana umständlich, Reisen in die Vergangenheit könnten eines Tages über "Wurmlöcher" unternommen werden. Douglas Adams lässt schön grüßen:

"Ist es theoretisch möglich, eine Zeitreise?
Nach einigen spekulativen Theorien der Quantengravitation besteht die Raumzeit aus einer komplizierten, schaumartigen Struktur von Wurmlöchern auf kleinster Skala - 10-33 Zentimeter oder eine Milliarde Mal kleiner als ein Elektron. Einige Physiker meinen, man könne sich einfach eines dieser wahrhaft winzigen Wurmlöcher greifen und es auf eine brauchbare Größe ausdehnen, aber im Augenblick sind diese Vorstellungen nur hypothetisch."

Solche Erkenntnisse lassen die Leser etwas rätselnd zurück und das eine oder andere Mal scheitert das Buch an seinem Anspruch, Experten würden Fragen auch wirklich beantworten. Nicht selten tauchen Formulierungen auf wie "Ganz sicher sind wir noch nicht", "Die Debatte hält noch an" oder "Wir kennen den Mechanismus nicht genau". Die Erklärungslücken sind natürlich kein Vorwurf an die Forscher, sondern man fragt sich, wieso bei der Zusammenstellung des Buches so viele Themen berücksichtigt wurden, die sich noch nicht wirklich erklären lassen. Auch das deutsche Lektorat kann nicht immer überzeugen, wenn es fachchinesische Begriffe wie "Präzession", "Periphelpassagen" und "Barotrauma" bei den Lesern voraussetzt und auch durchgehen lässt, dass ein Autor Regenwolken in 3300 Kilometern (!) Höhe verortet (S. 143). Als "Bleiwüsten"-Fließtext ohne jegliche erläuternde Abbildung wirkt auch die Präsentation etwas lieblos.

Trotz der nicht immer gelungenen Umsetzung und Präsentation liefert "Was macht das Licht wenn’s dunkel ist?" zu vielen Themen kurzweilige und erhellende Einsichten. Konzeptionsbedingt können die meisten Texte die Antworten nur anreißen; fast immer machen sie dabei neugierig auf "mehr". Ebenfalls gelingt es einigen Autoren, auch rein theoretische Probleme unterhaltsam zu lösen. So rechnet ein Physiker aus Kanada vor, wie lange man fallen würde, wenn man durch ein Loch in der Erde so tief fällt, bis man auf der anderen Seite der Erde wieder herausplumpst: der wohl ultimative Kurztrip dauert 42 Minuten und ist über 12.000 km tief. Übrigens: die Frage des Buchtitels, was das Tageslicht macht, wenn’s dunkel ist, lässt sich auch nur theoretisch beantworten: Weil die meisten Sterne so weit von der Erde entfernt sind, dass uns deren Licht noch nicht erreicht hat, sehen wir immer nur eine geringe Lichtmenge am Nachthimmel, der uns deshalb dunkel erscheint.

Scientific American (Hg.): Was macht das Licht wenn’s dunkel ist?
Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag, rororo science, Juli 2005
Original: Scientific American’s: Ask The Experts (2003)
8,90 Euro, 223 Seiten, 125 Fragen & Antworten