Kommentar

Wie aktivistische Wissenschaft der Forschung schadet

03:41 Minuten
Zwei Wissenschaftler diskutieren, während unter ihnen der Boden wegbröckelt.
Gut gemeint muss nicht gut gemacht sein - wenn Forscher die Grundlagen der Wissenschaft verlassen, beschädigen sie diese. © picture alliance / Westend61 / Gary Waters
Ein Kommentar von Philipp Hübl |
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Die Herausgeber des Journals „Nature Psychology Review“ haben Forscher dazu aufgefordert, Publikationen von Minderheiten häufiger zu zitieren, um inklusiver zu schreiben. Doch das macht die Welt nicht gerechter.
Die Herausgeber des Journals "Nature Psychology Review" haben in einem Leitartikel Forscher dazu aufgefordert, in Zukunft „inklusiver“ zu schreiben. Das begründen sie mit einer Untersuchung zu führenden Journals der Neurowissenschaft: Dort zitieren Männer Forschungsarbeiten von anderen Männern um acht Prozent häufiger als die Arbeiten von Frauen. Allerdings zitieren Frauen Arbeiten von Männern ebenfalls um 4,5 Prozent häufiger als die ihrer Geschlechtsgenossinnen.
Zwei naheliegende Möglichkeiten erwägt die Untersuchung nicht: Es könnte sich um Zufall handeln. Oder die Texte der Männer könnten im statistischen Mittel minimal besser sein als die der Frauen. Und ein weiterer Befund, nämlich dass Frauen häufiger als Männer Publikationen von Frauen zitieren, könnte schlicht daran liegen, dass sie ihre Kolleginnen fördern wollen. Statt diese Möglichkeiten mit weiteren Untersuchungen genauer zu beleuchten, vermuten die Autoren der Studie, dass männliche Kollegen unbewusste Vorurteile haben.

Unterwegs auf einer "Mission"

Ob Unterschiede im unteren einstelligen Prozentbereich auf Missstände hindeuten, ist mehr als fraglich. Dennoch fordern die Herausgeber, dass Forscher in Zukunft vorab das Geschlecht und die Ethnie ihrer Kollegen ermitteln, um dann gezielt Frauen und Minderheiten häufiger zu zitieren. Sie betonen, dass sie eine „Mission“ verfolgen, anhand derer sie auch ihre externen Gutachter auswählen.
Der Leitartikel ist ein Paradebeispiel für aktivistische Wissenschaft, die der Forschung schadet, aber keinen erkennbaren gesellschaftlichen Nutzen bringt. Schon hinter der These, inklusives Zitieren würde gleichzeitig die „Diversität und die Qualität der Wissenschaft“ verbessern, verbirgt sich ein fundamentaler Irrtum. Wissenschaft ist die Methode der systematischen Wahrheitssuche. Daher hat sie weder Hautfarbe noch Geschlecht und kann nicht in dieser Weise „divers“ sein. 

Auch "Nature" hat eine aktivistische Schlagseite

Auch das Mutterheft "Nature", eine der führenden Wissenschaftszeitschriften der Welt, hat inzwischen eine aktivistische Schlagseite. Die Herausgeber haben festgelegt, dass sie Forschungsarbeiten ablehnen, wenn sie der "Würde" von Gruppen schaden könnten, Minderheiten "stigmatisieren" oder das Potenzial haben, missbraucht zu werden.
Doch empirische Fakten bestehen unabhängig von uns und unseren Werten. Sie können Menschen niemals stigmatisieren oder ihre Würde in Frage stellen. Und da man im Prinzip jedes Forschungsergebnis missbrauchen kann, laden solche vagen Formulierungen nur zur Selbstzensur und zu Urteilsverzerrungen ein – dem Gegenteil von Wissenschaft.
Es ist kein Zufall, dass der Leitartikel mit einer Kritik an US-Präsident Trumps Attacke auf die DEI-Initiativen beginnt, also auf akademische Programme, die „Diversität, Gleichheit und Inklusion“ fördern. Trumps Angriffe sind ideologisch motiviert, keine Frage. Doch viele Diversitätsprogramme sind tatsächlich nachweislich wirkungslos und teilweise sogar unfair gegenüber Minderheiten.

Nicht mehr als ein Moralspektakel

Bisher fehlt ein evidenzbasierter Gegenentwurf, wie man Diskriminierung wirksam verhindert. Zitierregeln zu ändern drückt jedenfalls nur die Hilflosigkeit von Intellektuellen aus, die Trumps autoritärer Politik machtlos gegenüberstehen.
Die Aufmerksamkeit innerhalb eines kleinen privilegierten Kreises von Akademikern neu zu verteilen, macht die Welt nicht gerechter, sondern sendet allenfalls Signale an die eigene politische Gruppe. Kurz: Es handelt sich um ein Moralspektakel.  
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