Wirtschaftsweiser kritisiert Stillstand der Euro-Krisenbewältigungspolitik

Lars Feld im Gespräch mit Nana Brink · 13.07.2013
Die Euro-Krise bestimmt zwar nicht mehr die täglichen Nachrichten, trotzdem hätten wir das Schlimmste immer noch nicht hinter uns, sagt Wirtschaftsprofessor Lars Peter Feld. Es sei gefährlich, vor der Bundestagswahl Arbeits- und Finanzmärkte nicht weiter zu reformieren.
Nana Brink: Von der Krise des Theaters, über die wir eben gerade in der "Ortszeit" sprachen, kommen wir zu einer anderen Krise: Es ist Sommer in Europa und vielleicht hat das ja was mit dem sprichwörtlichen Sommerloch zu tun, dass einige Nachrichten von der Agenda rutschen! Wir Journalisten können uns ja da durchaus an der eigenen Nase fassen. Zum Beispiel die Euro-Krise, ist denn da noch eine Krise?

Aber ja!, könnte man denken, wenn man nach Griechenland blickt oder ganz aktuell nach Portugal, wo die Gläubiger-Troika einer Verschiebung ihrer nächsten Prüfung zugestimmt hat. Oder wie wäre es mit Italien, dessen wirtschaftliche Bonität gerade wieder herabgestuft worden ist? Der Wirtschaftsprofessor Lars Feld von der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg ist einer von fünf Wirtschaftsweisen. Einen schönen guten Morgen, Herr Feld!

Lars Peter Feld: Guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Wiegen wir uns in einer Pseudosicherheit, also nach dem Motto, das Schlimmste haben wir schon hinter uns?

Feld: Wir haben sicher das Schlimmste noch nicht hinter uns in dem Sinne, dass man auf dem Weg eines Marathonlaufs die Hälfte des Weges hinter sich hat und wir alle wissen, da muss man in der zweiten Hälfte dieses Laufes erst mal den richtig langen Atem auspacken, um das Ganze bestehen zu können. Und insofern haben wir noch viel vor uns!

Brink: Aber immerhin haben wir die Hälfte schon hinter uns!

Feld: Wir haben die Hälfte schon hinter uns, was eine Reihe von Strukturreformen, Konsolidierungspolitik in verschiedenen Ländern anbetrifft. Es ist auch so, dass die Europäische Zentralbank mit ihrer Politik die Finanzmärkte beruhigt hat und damit den Staats- und Regierungschefs weitere Zeit verschafft hat, um Reformen durchzuführen. Aber das nun durchzuhalten, das kostet sehr, sehr viel Anstrengung, das sehen wir gerade in Portugal, in Griechenland erneut. Und die Anstrengung muss man jetzt erst einmal durchhalten.

Brink: Wer muss sie denn durchhalten?

Feld: Na ja, im Wesentlichen die Bevölkerungen der betroffenen Länder, denn die sind am stärksten betroffen davon. Und dann auf der anderen Seite die Politiker, die das bei dieser starken Betroffenheit, die sie ja sehen, die sie ja kennen, weiter durchhalten müssen.

Brink: Was heißt denn Durchhalten? Also, machen wir das mal am Beispiel Deutschland fest, also, in vielen südlichen Ländern wird ja gefordert ein Schuldenschnitt, zum Beispiel in Griechenland ist diese Forderung ganz massiv. Aber Deutschland bleibt ja strikt momentan bei seinem Kurs, also, man hört zumindest nichts Gegenteiliges, im Gegenteil, Angela Merkel hat es wieder betont.

Feld: Ja, Deutschland will natürlich nicht auf Kapital verzichten, auf Mittel verzichten, die man in Griechenland investiert hat, die Kredite, die gegeben worden sind, sollen nicht abgeschrieben werden. Dafür muss man natürlich Verständnis haben. Auf der anderen Seite ist es sicherlich auch so, dass ein Schuldenschnitt in Griechenland, wenn man ihn heute in Aussicht stellen würde, auch zu einem gewissen Erlahmen der Anstrengungen führen kann, auch das haben wir beim letzten Schuldenschnitt gesehen, dass Griechenland erst einmal abgewartet hat mit bestimmten Maßnahmen, bis der Schuldenschnitt in trockenen Tüchern war, der Anfang 2012 gekommen ist.

Und deshalb halte ich gegenwärtig nichts davon, Griechenland einen weiteren Schuldenschnitt in Aussicht zu stellen, denn was dort im Moment ansteht, das ist eine Redimensionierung des öffentlichen Sektors, es befindet sich in Griechenland viel zu viel Personal im öffentlichen Sektor und gerade dort sieht man im Moment die Probleme, die Vorgaben der Troika umzusetzen.

Brink: Ist das ähnlich in Portugal?

Feld: Portugal hat andere Schwierigkeiten. Das ist ähnlich in dem Sinne, dass man Mühe hat, diese massive Konsolidierungspolitik weiter durchzuhalten in einer immer noch rezessiven Wirtschaft, bei hoher Arbeitslosigkeit. Auf der anderen Seite ist der öffentliche Sektor in dem Sinne ein weniger großes Problem als die Beschäftigung, das bei Weitem nicht so stark ausgeprägt ist wie in Griechenland. Aber man muss natürlich weiter Konsolidierung betreiben, das betrifft auch die Sozialversicherungen, das ist alles noch nicht so einfach vor dem Hintergrund der rechtlichen Situation in Portugal, was wir an dem Urteil des Verfassungsgerichts Portugals gesehen haben, das ja ein Konsolidierungspaket vor einiger Zeit abgelehnt hat.

Brink: Bleiben wir noch ein bisschen beim Schuldenschnitt: Sie haben gesagt, das ist sozusagen alternativlos, um jetzt mal die Bundeskanzlerin zu zitieren. Hat das nicht auch etwas mit Wahlkampf zu tun, wenn Sie im gleichen Atemzug erwähnen, dass Deutschland nicht auf Geld verzichten will, also dass man nicht Unpopuläres der Bevölkerung vermitteln möchte, der eigenen?

Feld: Ja, wir haben im Moment die Situation, dass der Wahlkampf nicht nur die Diskussion in Deutschland, was die internen wirtschaftspolitischen, finanzpolitischen Weichenstellungen anbetrifft, belastet, sondern auch die europäische Situation belastet. Zum einen weil Staats- und Regierungschefs, nicht zuletzt der französische Präsident, abwarten, was passiert, ob der Partner, mit dem man in Zukunft zu verhandeln hat, weiterhin Angela Merkel heißen wird, das ist sicherlich ein Effekt; und die Bundesrepublik, diese Bundesregierung verhindert gegenwärtig weitere Entscheidungen auf der europäischen Ebene, die für sie unangenehm sein könnten, weil man das vor der Wahl eben nicht tun möchte.

Brink: Also, das sehen Sie ganz klar so, dass da jetzt einfach ein Stillstand ist bis zum September, bis zur Bundestagswahl?

Feld: Wir haben in der Europapolitik im Zuge der Euro-Krise weitere Weichenstellungen zu treffen, die nun nicht getroffen werden können, weil Bundestagswahlen in Deutschland sind, und zwar von beiden Seiten, also sowohl von den Partnern, mit denen man zu einem Verhandlungsergebnis kommen muss, insbesondere Frankreich und Italien, und auf der anderen Seite von der deutschen Seite selbst.

Wenn Sie sich das Thema Bankenunion beispielsweise anschauen, da muss man sagen, dass der Bundesfinanzminister zu Recht bremst, was bestimmte Vorstellungen der Kommission und auch der Partner anbetrifft, aber den konstruktiven Gegenvorschlag dazu zu machen und das in den Verhandlungsprozess einzubringen und durchzusetzen, das schafft die Bundesregierung jetzt vor der Bundestagswahl nicht mehr.

Brink: Ist es nicht vielleicht auch so, mal andersherum gedacht, dass Frankreich vielleicht sogar froh ist, dass es so still ist, angesichts der eigenen Probleme, die man in Frankreich hat?

Feld: Ja, natürlich, der Druck, weiter zu reformieren in Frankreich, insbesondere am Arbeitsmarkt stärkere Reformen durchzuführen, dieser Druck besteht im Moment nicht mehr in dem Maße, wie er voriges Jahr bestanden hat, zumindest von der deutschen Seite her betrachtet. Von den internen Problemen her ist er weiterhin genauso groß. Und dahin gehend ist Frankreich froh, dass in der Bundesrepublik jetzt erst einmal eine Selbstbeschäftigung angesagt ist angesichts der Bundestagswahl.

Brink: Aber ist das nicht auch fatal, plötzlich so ein Stillstand, wo man eigentlich handeln müsste?

Feld: Es ist gefährlich, weil immer wieder dann, wenn Neuigkeiten auftreten … Also, denken Sie, von Beginn des Jahres an mit der Italien-Wahl über Zypern, über die Anhörung des Bundesverfassungsgerichts zur Geldpolitik der EZB, die ja verdeutlicht hat, dass das Bundesverfassungsgericht hier sehr kritisch ist, denken Sie an die Schwierigkeiten Portugals und Griechenlands jetzt am aktuellen Rand, dann die Herabstufungen Italiens, gestern Frankreichs durch die dritte Rating-Agentur, wenn Sie das alles nehmen, sind das alles unangenehme Überraschungen für die Finanzmärkte.

Und eine solche unangenehme Überraschung kann dann letztlich bedeuten, dass die Turbulenzen an den Finanzmärkten wieder ausbrechen und die EZB gezwungen ist, ihrer Ankündigung zu folgen und Staatsanleihen aufzukaufen. Das kann passieren, auch noch vor der Bundestagswahl, da wissen wir nicht 100-prozentig genau, dass die Beruhigung, die im Moment da ist, auch fortbestehen wird. Und deswegen ist das relativ gefährlich.

Brink: Der Wirtschaftsprofessor Lars Feld, einer von fünf Wirtschaftsweisen. Schönen Dank für Ihre Einschätzungen!

Feld: Vielen Dank, Frau Brink!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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