Wirtschaft denken (2): Wie bleibt man produktiv?

Wie eine kleine schwäbische Werkstatt zu 14.000 Mitarbeitern kam

Aus 36 Mitarbeiter wurden 14.000 - ebm-papst ist zum Weltmarktführer im Bereich Ventilatoren geworden.
Aus 36 Mitarbeiter wurden 14.000 - ebm-papst ist zum Weltmarktführer im Bereich Ventilatoren geworden. © Philipp Reinhard
Von Florian Felix Weyh · 17.04.2018
Unternehmen stehen unter einem andauernden Effizienzdruck: Sobald einer an der Technologieschraube dreht, müssen die anderen mitdrehen. Zwei kleine schwäbische Tüftlerwerkstätten haben sich zusammengetan, die Herausforderung angenommen - und sind heute Weltmarktführerin ihrem Segment.
Menschen arbeiten, um etwas zu erzeugen. Je ausgefeilter ihre Technologie wird, desto mehr können sie mit gleichem Arbeitseinsatz hervorbringen. Das ist der volkswirtschaftliche Kernsatz der Produktivität. Nimmt man ihn als wahr an – wofür die historische Entwicklung von der Agrar- zur Industriegesellschaft spricht –, dann lassen sich daraus ganz unterschiedliche Schlüsse ziehen.
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Weltmarktführer in Baden-Württemberg© Katapult / Deuschlandradio
In einer Konkurrenzsituation bedeutet das für die einzelnen Unternehmen einen andauernden Effizienzdruck. Sobald einer an der Technologieschraube dreht, müssen die anderen mitdrehen. Und das tut die Firma ebm-papst seit 1963. Als kleine schwäbische Werkstatt mit 36 Angestellten im Dorf Mulfingen gegründet (ebm = Elektrobau Mulfingen), kaufte ebm 1992 das ebenfalls aus einer Tüftlerwerkstatt entstandene Schwarzwälder Unternehmen Papst (unter anderem Antriebsmotoren für Tonbandgeräte und Plattenspieler) und hat heute mehr als 14.000 Angestellte weltweit, den Großteil in Deutschland, unter anderem in Mulfingens Nachbardorf Hollenbach mit einer neuen Produktionsanlage.
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Staaten, die eine geringere Wirtschaftskraft haben als Baden-Württemberg© Katapult / Deutschlandradio
ebm-papst ist Weltmarktführer bei Lüftern und Ventilatoren (die Produkte sitzen unter anderem in Dunstabzugshauben). Die immer noch in Familienhand befindliche Firma ist für die Frage nach der Produktivität besonders interessant, weil sie als technikaffines Unternehmen ständig die Produktivität erhöht und dennoch "Nachhaltigkeitspreise" erhält, weil sie immer wieder in die Hitlisten der "besten Arbeitgeber Deutschlands" gewählt wird und dennoch ihre regionale Verwurzelung abseits der Hotspots nicht aufgibt.

Das Manuskript zur Sendung:

Tobias Arndt: "Dieses Klingeln, was wir gerade gehört haben, und das Leuchten über der Türe signalisiert den Staplerfahrern im Verladebereich, wenn ein LKW-Fahrer angekommen ist und vor der Türe wartet, dass er rein darf."
"Produktivität: die Ergiebigkeit eines Produktions- beziehungsweise Wirtschaftsprozesses, gemessen als Verhältnis des mengen- beziehungsweise wertmäßigen Produktionsergebnisses zur Menge der eingesetzten Produktionsfaktoren beziehungsweise zu den Herstellkosten."

Stefan Brandl: "ebm-papst ist Weltmarkführer für Motoren und Ventilatoren für die weiterverarbeitende Industrie. Wenn Sie an Dunstabzugshauben denken, sind Ventilatoren eingebaut, die kommen in der Regel von uns. In Kühlschränken, im Wäschetrockner, also das sind so die Bereiche der Hausgeräteindustrie. Wenn Sie in die Kältetechnik gehen und gehen in den Supermarkt, dann finden Sie diese ‚Show-Cases‘, so heißen die ganzen Geräte, und da drin sind auch Ventilatoren von ebm-papst. Bis hin zur Klimatechnik und in der Automobilindustrie – also es ist ein sehr, sehr breites Feld, was wir besetzen, und da sind wir recht erfolgreich drin.
"Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann das Streben nach Produktivitätserhöhung ein Unternehmensziel sein." (Brockhaus Online, Stichwort "Produktivität")
Heiko Scheu: "Wir haben in den zehn Jahren, jetzt wenn wir zurückschauen, ein durchschnittliches Wachstum von 15 Prozent pro Jahr. Das ist doch ganz ordentlich. Und machen im Jahr ca. eine Million Motoren hier am Standort."
Nein, der "Ventilator Blues" dröhnt nicht als Aufwachmusik aus meinem Radio, als ich morgens kurz vor acht die kurvigen Straßen im nordwürttembergischen Hohenlohekreis bewältige. Doch passend wäre die Musik, schließlich bin ich im deutschen Ventilator Valley unterwegs nach Mulfingen, Ortsteil Hollenbach. Dieser erkennbar ländliche Standort eines industriellen Champions mag Norddeutsche erstaunen – für Süddeutschland ist er normal. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dort entscheidende Weichen gestellt, sagt Professor Lothar Wildmann, Leiter des Studiengangs Mittelständische Wirtschaft an der Dualen Hochschule Villingen-Schwenningen.
Lothar Wildmann: "Das war damals sogar von der Politik eine ganz bewusste Zielsetzung, in den ländlichen Raum reinzugehen, also nicht zu zentralisieren. Da hat man dann festgestellt, da fährt man sehr gut damit, weil sind Firmen da, dann sind Zulieferer da … kann natürlich auch die Konkurrenzfirma da sein! Und es ist immer wieder überraschend, wenn man übers Land fährt, in kleinen Orten dann Firmen zu entdecken, die vielleicht auch mal 50 Mitarbeiter haben und jetzt nicht 10.000 wie ebm-papst, aber in ihrem Bereich auch Marktführer sind."
Die alte Kulturlandschaft zwischen den Flüssen Kocher und Jagst mit der höchsten Burgen-Dichte Deutschlands ist nicht nur touristisch interessant, sondern nennt sich mittlerweile selbst – nur ein bisschen ironisch – Region der Weltmarktführer. Reinhold Würth hat hier im Hohenlohekreis rund um die Kleinstadt Künzelsau den väterlichen Schraubenhandel zum Weltkonzern für Befestigungstechnik ausgebaut, dessen direkter – kleiner – Konkurrent Berner bringt es auf demselben Geschäftsfeld immer noch auf über einer Milliarde Umsatz. Irgendetwas Besonderes muss hier sein, und so lässt mich der vermutete genius loci die Gegend in Augenschein nehmen. Doch zunächst versperrt mir der Bus vor meiner Nase die Sicht. Von seinem Heck spricht eben jener genius loci:
"Unsere Jobangebote liegen genau auf Ihrer Linie. Entdecke ebm-papst in dir."
In diesem Teil Baden-Württembergs, der im Volksmund früher "Badisch Sibirien" hieß, liegen potenzielle Arbeitskräfte nicht auf der Straße – doch gezwungenermaßen fahren sie auf ihr. Der Bahnhof kommt in Künzelsau nur noch als Wegmarke vor.
Tobias Arndt: "Die Eisenbahnanbindung in der Region Hohenlohe ist nicht ganz optimal."
… muss ebm-papst-Logistikchef Tobias Arndt zugeben, um dann im nächsten Atemzug die Perspektive – für uns überraschend, für ihn naheliegend – auf Weltmaßstab zu erweitern:
"Was jetzt vermehrt kommt, sind Eisenbahnanbindungen Richtung China, wo man die alte Seidenstraße wiederbelebt. Da hatten wir schon die ersten Transportversuche, und die nutzen wir auch weiter. Da hat man ein schönes Pendant genau zwischen der Luftfracht und der Seefracht."
Für Betrachtungen zur "Produktivität" bietet sich dieses Cluster an Standortnachteilen auf den ersten Blick kaum an. Bis heute kämpfen die Hohenloher Weltmarktführer mit infrastrukturellen Nachteilen wie mangelnder Anbindung an Verkehrs- und Kommunikationsnetze. Dazu kommen - ebenfalls keine Wettbewerbsvorteile - relativ hohe Löhne und eine bis heute ländlich geprägte Bevölkerungsstruktur. Trotzdem oder gerade deshalb gibt es hier Unternehmen, die unermüdlich an der Verbesserung ihrer Produktivität arbeiten, wobei sie selber eher von Effizienz reden. So auch in der von Gerhart Sturm gegründeten Firma "Elektrobau Mulfingen" (kurz: ebm), die 1963 mit 35 Angestellten begann, Ventilatoren herzustellen. Damaliger Marktführer war die Firma Ziehl-Abegg, deren Besitzer 1947 aus Berlin nach Künzelsau flohen:
Stefan Brandl: "Unser Gründer und Mitgesellschafter des Unternehmens war selbst auch bei der Firma Ziehl-Abegg vor vielen, vielen Jahren tätig, dort als technischer Leiter, und hat sich dann selbstständig gemacht. Und so ist es irgendwo diesem Ursprung geschuldet, dass dieses Ventilator Valley, wenn Sie so wollen, hier entstanden ist, wo es mehrere Spieler gibt. Aber der erfolgreichste ist sicher ebm-papst."
… erklärt CEO Stefan Brandl. Heute macht der ehemalige Platzhirsch Ziehl-Abegg nur noch ein Viertel jenes Umsatzes von 1,9 Milliarden Euro, auf die es ebm-papst bringt. Selbst für noch kleinere Konkurrenten ist in der Region Platz. Nach der Übernahme des Schwarzwälder Unternehmens "Papst Motoren" in den 90er-Jahren wuchs ebm-papst unter neuem Doppelnamen von 35 auf weltweit über 14.000 Angestellte. 55 Jahre brauchte man dazu, und ohne Produktivität sui generis klappt so etwas nicht. Doch was ist das eigentlich, Produktivität?
Lothar Wildmann: "Also am liebsten würde ich sogar ausholen und ganz zurückgehen ins Paradies."

Erste Lektion: Produktivität

Lothar Wildmann: "Weil da geht’s ja letztlich drum! Also Produktionsfunktion setzt ja voraus, dass wir überhaupt etwas produzieren! Und deshalb wollt ich gern mal ins Paradies zurückgehen, weil das ja der Zustand ist, wo es keinen Beruf, keine Arbeit, keine Wirtschaft, keine Produktion gibt, und alle leben im Überfluss und müssen sich nicht anstrengen. Und dann sind wir aus dem Paradies vertrieben worden und sind ja mehr oder weniger zur Mühsal der Arbeit und der Produktion verflucht worden. "
"Der Lebensstandard eines Landes hängt von der Fähigkeit ab, Waren und Dienstleistungen herzustellen." (Gregory Mankiw "Grundzüge der Volkswirtschaftslehre")
Lothar Wildmann: "Okay, also wir leben in Knappheit und müssen Güter produzieren, auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite dann die Frage: Mit was produzieren wir diese Güter? Sprich: Welche Produktionsfaktoren setzen wir ein? Und da kommen wir zum Thema Produktionsfunktion."
"Volkswirte verwenden oftmals eine Produktionsfunktion, um den Zusammenhang zwischen den Mengen der in der Produktion eingesetzten Inputs und der Menge des Outputs zu beschreiben."
Y = ß x F(L, K, H, N)."
Lothar Wildmann: "In der VWL gibt’s die drei klassischen Produktionsfaktoren, die damals noch in der Zeit, als es das Ständewesen gab, ermittelt wurden: Boden, Arbeit und Kapital. Also Grundbesitzer und die Kapitalisten und die Arbeiter. Heute würde man sagen statt Boden Ressourcen, Arbeitskräfte ja weiterhin und der derivativ abgeleitete Produktionsfaktor Kapital."
"Die Produktivität wird außerdem durch den Stand der Technologie bestimmt, der sich in der Variablen ß widerspiegelt." (Gregory Mankiw "Grundzüge der Volkswirtschaftslehre")
Heiko Scheu: "Hier an der Anlage sieht man jetzt die Verbindung Mitarbeiter-Roboter. Der Mitarbeiter versorgt die Anlage mit Teilen. Der Roboter übernimmt in dem Fall das Handling. Das Teil hat so 15 Kilogramm, das muss in eine Drehmaschine in eigentlich eine ungünstige Lage einfach eingeführt werden. Und das Bestücken der Drehmaschine, das geht einfach auf den Rücken von den Mitarbeitern, das kann man eigentlich niemand über acht Stunden zumuten, deshalb steht hier ein Roboter."
Wenn Heiko Scheu, Werksleiter in Hollenbach, durch die riesige Halle führt, in der die Motoren für große Ventilatoren gebaut werden, scheint das sperrige volkswirtschaftliche Vokabular noch entrückter, als es ohnehin schon auf dem Papier wirkt. Dabei ist die ß-Variable des Produktivitätsfortschritts, nämlich der bestmögliche Einsatz von Technologie, hier quasi mit den Händen zu greifen. Selbst in der Biografie Heiko Scheus, der sich seit seiner Lehre 1988 immer weiter bis zum Werksleiter qualifiziert hat, spiegelt sich die allgemeine Produktivitätsentwicklung wider:
Heiko Scheu: "Ich bin gebürtiger Hollenbächer. Also ich stamm hier vom Ort. Ich bin landwirtschaftlich aufgewachsen, mein Vater hat Landwirtschaft gemacht als Vollerwerb. Und weil die Landwirtschaft sich einfach nicht so entwickelt hat, dass man dort eben bis zur Rente Geld verdienen kann, hab ich mich entschieden, damals eine Mechanikerausbildung zu machen. Und ebm-papst war das Naheliegende, damals eben noch in Mulfingen. Und durch die Standortwahl Hollenbach bin ich wieder zurückgekommen an den Heimatort."

Mulfingen und Hollenbach waren Bauerndörfer, bis heute blickt man rundum auf landwirtschaftliche Nutzfläche. Doch in der Agrarwirtschaft verlief die Produktivitätsentwicklung durch Technologieeinsatz derart radikal, dass nur noch sehr wenige Arbeitsplätze übrigblieben. Einheimische wie Heiko Scheu mussten in die Industrie abwandern, was im Falle von ebm-papst einen Doppelnutzen bescherte. Einerseits blühte Scheus Heimatdorf Hollenbach wirtschaftlich auf, statt zu veröden, andererseits schätzt der Ventilatorenhersteller genau diese Herkunft seiner Mitarbeiter:
Heiko Scheu: "Wir profitieren hier im Montagebereich schon auch von Mitarbeitern, die einfach handwerklich begabt sind. Und in der ländlichen Region gibt’s viele handwerklich Begabte! Und die helfen uns unwahrscheinlich bei unseren Produkten. Nicht nur bei der Montage, sondern auch in dem Drumrum: Wie ist das Betriebsmittel gestaltet? Wir bauen ja einen Großteil der Betriebsmittel selbst im eigenen Unternehmen. Jedes ist eigentlich eine Sonderanfertigung an Betriebsmittel, weil’s eben für eine gewisse Variante an Produkten entwickelt wird."
"Wir", sagt Heiko Scheu. "Wir bauen Maschinen, die wir brauchen, selbst." Dieses "Wir" ist einer genaueren Betrachtung wert.
Bei ebm-papst werden  Elektromotoren und Ventilatoren hergestellt.
Die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist ein Faktor, der ebm-papst erfolgreich gemacht hat.© ebm-papst

Zweite Lektion: Totale Faktorproduktivität

Alexander Schiersch: "Die totale Faktorproduktivität ist eine Maßzahl, die misst, wie viel mehr ich produzieren kann, wenn ich weder einen zusätzlichen Arbeiter einstelle, noch eine zusätzliche Stunde mehr arbeite, noch eine neue Maschine kaufe."
Der Volkswirt Alexander Schiersch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
Alexander Schiersch: "Ich kann also mit demselben Input, mit denselben Ressourcen, die ich im letzten Jahr hatte – dieselben Maschinen, dieselben Menschen –, kann ich mehr produzieren. Das hab ich vielleicht erreicht, indem ich vielleicht einen guten Facharbeiter hatte, der irgendwann mal nachmittags zu mir gesagt hat: ‚So wie wir die Maschinen bearbeiten, verlieren wir an der und der Stelle immer zehn Minuten!‘ Und diese zehn Minuten spar ich vielleicht ein. Und diese Maßzahl, die totale Faktorproduktivität, die misst genau diesen Fortschritt."
Heiko Scheu: "Wir haben bei uns in Hollenbach an den rund 30 Montage-Inseln in jeder Einrichtung so eine durchschnittliche Laufzeit von einer Stunde pro Auftrag. Das heißt, alle Stunde kommt ein anderer Artikel. Das ist so der Mittelwert. Und deshalb den Mix zu finden: Wo automatisiere ich? Wo bleibe ich weg von der Automatisation und ich nutze die Flexibilität von dem Menschen? Und die hilft uns unwahrscheinlich eben in solchen Montage-Inseln hier."
Diese Flexibilität geht auf etwas Unschlagbares zurück: Hände. Die sogenannte Losgröße – also der Auftragsumfang, wie viele Motoren eines Typs für jeweils einen Kunden in Hollenbach gebaut werden – beträgt bei ebm-papst durchschnittlich gerade mal 60 Stück. Danach wechselt die Zusammensetzung des Teile-Mix, die Schraubengröße, die Art der Tätigkeit in den Produktionsinseln. In einer vollautomatisierten Fertigung – Traum jedes Produktivitätstheoretikers – hieße das, alle paar Stunden Robotergreifer umzurüsten. Menschliche Hände sind da schneller und gewissermaßen mit einer höheren Raumintelligenz ausgestattet. Ganz zu schweigen von der anderen Intelligenz des Menschen:
Alexander Schiersch: "Vielleicht hat auch einer die Idee gehabt, dass man grundsätzlich was ganz anders machen sollte und nicht nur ne Maschine von ein bisschen verrücken oder die Taktung bisschen anders zu machen. Da gibt’s ne ganze Menge, zum Beispiel Prozessinnovation, die dazu führen, dass ein Unternehmen produktiver wird."
Heiko Scheu: "Ja, hier nutzen wir einen kleinen Vorvereinzler. Wir gehen mit der Schraube in ein Vereinzelungsgerät, es wird eine Schraube hier bereitgestellt, der Schrauber-Bit – in dem Fall eine Torx, Torx lässt sich am besten verschrauben – ist magnetisch, ich kann das Teil hier rausziehen. Ich halt das jetzt an dem Bit und kann jetzt hier fügen. Die kleinen Schrauben, das ist jetzt eine M4er-Schraube, sind meine Finger schon fast zu grob dazu. Ich muss die selber gar nicht halten. Ich kann die auch nicht verlieren, die hängt da fest dran."
Der "Vorvereinzler" – eine Vorrichtung, Schrauben in die passende Lage zu bringen, ohne mit den Händen in einer Schachtel herumkramen zu müssen –, erbringt einen zwar minimalen, doch additiv spürbaren Zeitgewinn in der Produktion. Die klassischen Standortnachteile der Provinz lassen sich in der Summe mit solchen Kreativ-Effekten der totalen Faktorproduktivität zumindest ausgleichen.
Alexander Schiersch: "Das fällt genau in die Richtung! Jedes Mal, wenn er vorher nach der Schraube suchen musste oder sie umdrehen musste und dann ist sie ihm weggerutscht … es können tatsächlich solche simplen Sachen sein! Und auch das sind Innovationen, nicht nur die neuste App oder Ähnliches."
Heiko Scheu: "Solche Sachen kommen aus Verbesserungsvorschlägen von den Mitarbeitern: ‚Helft uns irgendwie, ich verlier immer wieder die Schrauben, mir fällt eine runter!‘ Wir haben ein betriebliches Vorschlagswesen bei uns implementiert, da kommen genau solche Themen raus, gibt’s auch für den Mitarbeiter ein Geld zurück als Anerkennung für solche Umsetzungen und wird genutzt. Funktioniert perfekt! Sie haben’s live gesehen."
Lothar Wildmann: "Ich war mal bei einer Brauerei, da hab ich dann entdeckt einen Roboter, der war sogar eingesperrt wie ein wildes Tier, und der hat im Höllentempo die ganzen Fässer, die eigentlich viel zu schwer sind, hin- und herbewegt, und das war ne tolle Sache."
… erzählt Lothar Wildmann, der vor seiner Zeit an der Hochschule unter anderem Leiter eines Existenzgründerzentrums war. Wildmann verkörpert den Theoretiker und Praktiker in einem. Als Professor hat er ein dreibändiges VWL-Lehrbuch fürs Bachelorstudium geschrieben und sich damit selbst in eine ökonomische Konkurrenzsituation begeben: Dieses Feld dominiert weltweit der Harvard-Professor Gregory Mankiw. Die gesellschaftlichen Entscheidungsmöglichkeiten über das Produktivitätswachstum muss man beim marktliberalen US-Amerikaner freilich zwischen den Zeilen suchen.
Höhere Produktivität durch Arbeitsteilung, Spezialisierung, effizienten Werkzeuggebrauch, Maschinisierung und schließlich Automatisierung bis hin zu wild gewordenen Bierfassrobotern kann zweierlei nach sich ziehen: a) Die Gesellschaft produziert mehr Reichtum bei gleichem Arbeitsaufwand. b) Die Gesellschaft arbeitet weniger, hält aber ihr einmal erreichtes Wohlstandsniveau stabil. In beiden Fällen lauert dahinter ein Verteilungskonflikt: Entweder wird mehr arbeitsfreie Zeit ohne Einkommenseinbußen verteilt. Oder die Belastung derjenigen, die – noch – Arbeit haben, bleibt im Wesentlichen gleich, wobei die Gesellschaft mehr Nichtarbeitende (Kinder, Rentner, Arbeitslose) aus dem Produktivitätszuwachs versorgen kann.
Oder der Produktivitätsgewinn verbleibt vollkommen beim Kapitalgeber.

Dritte Lektion: Wer erhält den Produktivitätsgewinn?

In der Logistikhalle bei ebm-papst werden die Paletten mit Ventilatoren versandfertig gemacht. Was auf eine Seereise geht, wird von einer beeindruckenden Maschine rundum mit Stretchfolie umwickelt. Auf meinen Wunsch hin lässt Logistikchef Tobias Arndt einen großen Karton wasserfest umhüllen.
Tobias Arndt: "(Die Kollegin macht trotzdem mit der Hand da noch was, mit dem Zukleben?") "Ja, das ist … die Kartons an der Seite noch mal verschließen, dass die nicht irgendwie aufstehen. Man muss immer aufpassen an den Ecken, die sind teilweise sehr spitz, das kann die Stretchfolie beschädigen. Und dann wäre der ganze Vorgang zu wiederholen. Deswegen machen wir das hier proaktiv."
Lothar Wildmann: "Ich kann aber tatsächlich sagen, ja, von vielen Firmenbesuchen, es gibt immer noch ganz, ganz viele jetzt auch Produktionsvorgänge, wo man vielleicht meinen könnte, dass da ne Maschine viel besser wäre, dass man da Menschen hat, die das besser hinkriegen. Ob das jetzt immer motivierend ist – das ist ja der Punkt! –, ob das jetzt immer motivierend ist, stundenlang einen ähnlichen Handgriff zu machen, das ist ja noch mal ne andere Frage. Die eine Frage ist ja: Werde ich dadurch produktiver, dadurch dass ich Maschinen einsetze und oder kann ich dadurch auch Menschen von sehr anstrengender Arbeit entlasten?"

Im Laufe der industriellen Entwicklung hat Handarbeit immer mehr an Bedeutung verloren. Das führte zu Aufwertung höherqualifizierter Jobs bei gleichzeitiger Entwertung einfacher Tätigkeiten. Allerdings bedeuteten einfache Tätigkeiten oft auch körperliche Schwerstarbeit, die nicht nur aus Gründen der Gewinnmaximierung, sondern auch zur Verbesserung der Arbeitssituation auf Maschinen übertragen wurde. Dieser Teil des Produktivitätsfortschritts bleibt oft unerwähnt, weil die Entwicklung von immer effizienteren Maschinen zwei im Dauerclinch festgefahrene Fraktionen hervorbrachte: die Automatisierungsenthusiasten und die Verteidiger menschlicher Arbeit. Der liberal-konservative Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel hat beide zugespitzt einmal so beschrieben:
"Der Anbieter von Arbeitskraft ist bestrebt, sehr haushälterisch mit ihr umzugehen. Er will sich ‚kein Bein ausreißen‘. Doch genauso haushälterisch geht der Nachfrager vor. Er ist bemüht, keine größere Gegenleistung als unbedingt notwendig zu erbringen. Wo immer er kann, möchte er sparen. Er drückt auf die Kosten, und wenn das nicht erfolgreich ist, sucht er nach einem Ersatz für ‚teure‘ Arbeit."
Lothar Wildmann: "Ich kann’s ja politisch betrachten oder machtpolitisch betrachten: Wenn die Unternehmen im Vorteil sind, dann kann’s sein, dass sie denn eher niedrige Löhne durchsetzen. Und wenn wir eher einen Arbeitskräftemangel haben, dann natürlich höhere Löhne. Wenn man’s jetzt mal wissenschaftlich betrachtet, könnte man sagen: Man braucht jetzt vielleicht diese Auseinandersetzungen, diese Machtpolitik, gar nicht so sehr, und ich setze den Lohn fest: Der Lohn kann und darf in dem Maße steigen, wie die Produktivität steigt."
Reporter 1960: "Die ursprüngliche Forderung der Gewerkschaften lautete auf 15 Prozent Lohnerhöhung. Wie weit sind Sie nun diesen gewerkschaftlichen Forderungen entgegengekommen?" Arbeitgeber: "Ich möchte zunächst korrigierend sagen, für die Arbeiter sind nicht nur 15 Prozent Lohnerhöhung verlangt worden, die Forderung lag ungewöhnlich hoch bei 22 Prozent."
Ob 15 oder 22 Prozent, in unseren Ohren klingen beide Werte dieses Interviews aus dem Jahre 1960 allenfalls nach einem Treibsatz für die Inflation. Was sagt die Wissenschaft?
"Die Arbeitsproduktivität [stellt] eine wichtige Richtschnur für die Entwicklung des Reallohnniveaus dar: Steigt die Arbeitsproduktivität, d.h. die Produktivität je Arbeitsstunde, so kann aufgrund der zusätzlichen Produktivität ein höherer Stundenlohn bezahlt werden, ohne dass über höhere Arbeitskosten das Preisniveau steigen müsste." (Brockhaus Online, Stichwort "Produktivität")
Lothar Wildmann: "Inwiefern führt ne Lohnerhöhung ne Firma in Schwierigkeiten oder auch nicht? Man könnt ja sagen, wenn die Löhne erhöht werden bei gleichbleibendem Umsatz, dann hat die Firma höhere Kosten, und der Gewinn wird kleiner. Vielleicht gibt’s sogar gar keinen Gewinn mehr. Wenn’s jetzt aber so ist, dass die Lohnerhöhung gleich groß ist wie der Produktivitätsfortschritt, dann sind ja alle zufrieden, und das Ganze geht auf."
Die Gewerkschaften streben normalerweise eine Lohnerhöhung an, die gleich oder größer als die Produktivitätszunahme ausfällt und rechnen meist die Inflationsrate hinzu. Wollen sie – wie im historischen Bespiel von 1960 – zusätzlich einen Umverteilungseffekt erreichen, geht die Forderung noch darüber hinaus.
Die klassische Reaktion der Arbeitgeber – Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer – ist nicht zwingend. Oft führen höhere Löhne mittelfristig nicht zu Gewinneinbußen, sondern zur Verbesserung der technischen Produktivitätsfaktoren. Hochlohnländer sind in der Regel viel produktiver als Niedriglohnländer.
Eigentlich rät schon der gesunde Menschenverstand, die Produktivitätszuwächse mindestens paritätisch zu verteilen. Dennoch lässt sich an dieser Stelle – weit ausholend, aber wir sind ja ein Kultursender – ein bitterer Vorwurf Franz Kafkas an seinen unternehmerisch tätigen Vater zitieren:
"Du nanntest die Angestellten ‚bezahlte Feinde‘, das waren sie auch, aber noch ehe sie es geworden waren, schienst Du mir ihr ‚zahlender Feind‘ zu sein." (Kafka "Brief an den Vater", zitiert nach der Ausgabe der "Digitalen Bibliothek")
Alexander Schiersch: "Es gibt bestimmtes Kapital, das gar nicht messbar ist!"
… wirft Alexander Schiersch vom DIW ein.
Alexander Schiersch: "Und dazu gehört das berühmte und mittlerweile negativ belegte Wort ‚Humankapital‘, was letztlich nur heißt: Wie gut sind die Leute ausgebildet? Und zum anderen aber auch solche Sachen wie Betriebsklima. Wie gehen die Leute miteinander um?"
Stefan Brandl: "Wenn man einmal bei ebm-papst war, dann geht man in der Regel auch nicht mehr weg. So ging’s mit auch, als ich vor 27 Jahren das erste Mal hier aufgetaucht bin, hab ich auch mein Herz in Mulfingen verloren. Und das wird für viele andere, denk ich, auch gelten."
CEO Stefan Brandl ist wie viele Verantwortliche bei ebm-papst ein Firmen-Eigengewächs.
Stefan Brandl: "Es zeigt sich einfach, wir haben ne ausgezeichnete Kultur, und die Identifikation unserer Mitarbeiter mit dem Unternehmen ist extrem hoch. Und deswegen können wir eigentlich gar nicht von Fluktuation reden, weil bei uns einfach keiner das Unternehmen wirklich verlässt."
Friedemann Richert: "Das glaub ich sofort!"
… entfährt es Friedemann Richert, Dekan des evangelischen Kirchenkreises Künzelsau. Der promovierte Theologe hat früher Ethikkurse für Manager gegeben, unter anderem bei Daimler, und sieht bei den drei großen Firmen der Region Hohenlohe einige Besonderheiten.
Meterhoch türmen sich die Regale bei ebm-papst.
Abläufe optimieren: Ohne perfekte Logistik kann ein weltweit agierendes Unternehmen heutzutage nicht mehr mithalten.© ebm-papst

Vierte Lektion: Genius loci oder der gute Geist

Friedemann Richert: "Der Arbeitnehmer wird als Person wahrgenommen und geachtet in seiner Würde. Man merkt das dahingehend, dass diese Firmen auch so Pensionärsversammlungen haben, und diese Pensionäre- und Rentnertreffen, die werden sehr, sehr gerne besucht und angenommen! Wenn jemand nicht eingeladen wird – was passiert, dass man ihn vergisst –, das wird mit innerer Verletzung wahrgenommen. Also das heißt, die Firmen haben es verstanden, einen Firmenbewusstsein zu schaffen, das ein Mir-sind-mir-Empfinden sich etabliert. Und das unterscheidet diese Firmen sämtlich von diesen Aktiengesellschaften, wo der Vorstand kommt und geht, wo keine persönliche Bindung da ist. Und diese persönliche Bindung der Wirtschaftsführer hier vor Ort, macht den guten Geist dieser Firmen aus."
Sie gingen sogar zusammen in dieselbe Schulklasse, die drei überragenden Gründer Albert Berner, Gerhart Sturm und Reinhold Würth, deren Firmen allesamt um dieselben Mitarbeiter in der Boom-Region konkurrieren. Nun könnte man unterstellen, der pflegliche Umgang mit den Mitarbeitern sei rein taktisch, und in Zeiten schwacher Konjunkturen werde das "Humankapital" schnell wieder als Kostenfaktor eingestuft. Alexander Schiersch liest indes aus volkswirtschaftlichen Studien über die letzte Wirtschaftskrise bei den Mittelständlern generell eine gegenläufige Tendenz heraus:
Alexander Schiersch: "In den hochaggregierten Zahlen zeigt sich, dass zumindest in dieser Krise die Unternehmen eher atypisch reagiert haben. Und eher den langfristigen Blick gehabt haben und gesagt haben: ‚Ich brauche meine Mitarbeiter! Wenn ich die jetzt auf die Straße setze, kriege ich sie so schnell gar nicht wieder. Ich muss noch produktiver, ich muss noch innovativer sein, wir geben noch mehr Geld dafür aus!‘ Obwohl es eben erstmal nur Geld kostet."
Für den Ventilatorenhersteller ebm-papst heißt das nicht nur, in Forschung und Entwicklung zu investieren, sondern auch die hohe Ranking-Position bei Arbeitgeber-Bewertungen zu verteidigen:
Stefan Brandl: "Wir sind vielleicht jetzt nicht immer der Erste in den Top-Arbeitgebern, weil’s natürlich sehr viele renommierte Unternehmen gibt, aber wir sind in der Regel immer unter den Top Ten. Für uns zählt der Mensch einfach sehr viel. Wir versuchen, nicht nur Leistung abzufordern, sondern wir wollen auch unseren Mitarbeitern vieles geben. Das fängt mit Verantwortung an, aber auch mit den Arbeitsplätzen, den Rahmenbedingungen und allem, was dazugehört. Deswegen sagen wir ja auch, dass unsere DNA irgendwo zu beschreiben ist im Bereich Effizienz, Begeisterung und Menschlichkeit."
Zur Effizienz gehört natürlich der Drei-Schichten-Betrieb in der Produktion, dessen Nachtdienste mit einer hohen Zulage vergütet würden, bekräftigt der Hollenbacher Werksleiter Heiko Scheu. Während dies noch in den Bereich der klassischen Kostenrechnung fällt, geht das kommunale Engagement des ebm-papst-Gründers Gerhart Sturm darüber hinaus. Oder sagen wir: Es verzahnt Menschlichkeit und Firmennutzen miteinander.
Friedemann Richert: "Der Herr Sturm hat eine Realschule in Mulfingen gegründet mit dem Anspruch, allen Schülern, die einen Abschluss in dieser Schule schaffen – so sie wollen – in seiner Firma eine Lehrstelle anzubieten. Mit der Maßgabe, dass sie dann auch übernommen werden. Bisher hat er dieses Versprechen halten können. Deswegen wurde auch übrigens der Herr Sturm mit einem hohen katholischen Orden ausgezeichnet, für seine hohe ethische Verantwortung in seiner beruflichen und christlichen Tätigkeit."
Auch jenseits kirchlicher Bindungen sei das, sagt Alexander Schiersch vom DIW, für familiengeführte Mittelständler nicht untypisch:
Alexander Schiersch: "Die Schule wird weiterfinanziert, ich kümmere mich darum, dass die Leute ne vernünftige Ausbildung haben. Und wenn’s dann Probleme mit dem Breitbandanschluss gibt, dann sag ich: Ne, pass mal auf, ich brauch den sowieso! Jetzt mach ich den, und wenn ihr eben noch zehn Jahre braucht, dann bin ich damit schon durch."
Friedemann Richert: "Das Entscheidende dabei ist der starke Wille, etwas zu leisten, um selbst die Firma zu gestalten. Aber gleichzeitig, um das Allgemeinwohl mit anzukurbeln. Das ist ein elementarer Faktor gewesen. Heutzutage wird das dann ausgedrückt in modernen Begriffen wie ‚Mission‘. Also: ‚Unsere Mission ist es‘ und dergleichen. Aber der Kerngedanke ist die Förderung des Allgemeinwohls."
Er steht den ökonomischen Kerngedanken möglicherweise gar nicht im Wege. Je wissensbasierter unsere Industrieproduktion wird, desto wichtiger sind auch die unsichtbaren Schätze der "totalen Faktorproduktivität", die sich nur heben lassen, wenn man den Menschen gut behandelt und nicht zur Variablen in einer totalen Automatisierungswelt degradiert.

Fünfte Lektion: Schluss mit den Märchen aus dem Hohenloher Land!

Es ist kalt in Hollenbach. Mich fröstelt ein wenig.
Tobias Arndt: "Hier muss es nicht warm sein, hier muss frostfrei sein, so dass unseren Produkten nichts passiert. Ansonsten ist hier wirklich dauerhaft kein einziger Mitarbeiter in diesem Gebäudeabschnitt vom Versandzentrum."
Ich stehe mit Tobias Arndt im Inneren einer riesigen Maschine.
Tobias Arndt: "Dieses Gebäude, Hochregallager – was komplett vollautomatisch betrieben wird, also ohne Personal – ist ausgestattet mit sechs Regalbediengeräten, hat eine Länge von 100 Metern und hat eine Höhe von 25 Metern."
Roboter schieben Paletten von bis zu zwei Metern Grundfläche in die Regalfächer, holen andere Paletten heraus – emsig, schweigend, pausenlos, effizient.
Tobias Arndt: "Immer wenn’s vorne nichts Freies mehr gibt, lagern wir weiter hinten ein. Und wenn dann unter der Woche die Paletten abgeflossen sind, und am Wochenende haben wir Zeit, lässt sich im SAP das Ganze so einstellen, dass der dann eine Umlagerung vornimmt und holt die Schnelldreher am Wochenende nach vorne, während hier im restlichen Versandzentrum das Licht aus ist."
Rastlos bringen am Sonntag die Heinzelmännchen alle Paletten in eine optimale Reihenfolge, damit montagfrüh die LKW ohne Zeitverluste beladen werden können. Das ist faszinierend und gespenstisch zugleich; der arbeitende Mensch setzt sich gewissermaßen an den gedeckten Tisch. So sehen möglicherweise die Produktivitätskonzepte der Zukunft aus. In menschenleeren Gebäuden produzieren, verpacken, verschicken Roboter rund um die Uhr all das, was wir brauchen. Aber wozu brauchen sie uns dann noch?
"Die Fabrik der Zukunft wird nur noch zwei Angestellte haben: einen Mann und einen Hund. Der Mann hat die Aufgabe, den Hund zu füttern. Und der Hund hat die Aufgabe, den Mann daran zu hindern, die Maschinen anzufassen." (Zitiert nach Adam Fletcher "Wir können auch anders", C.H. Beck 2015, S. 17)
… spottete der US-Wirtschaftswissenschaftler Warren Bennis schon vor vielen Jahren. Ob die Roboter dann auch Schulen betreiben, Rentnertreffen organisieren und für ein angenehmes Betriebsklima sorgen, liegt an uns. Wie es an uns liegt, den Produktivitätsfortschritt einerseits voranzutreiben …
Alexander Schiersch: "Wir können produktiver werden und müssen es auch aus verschiedenen Gründen, um unseren Wohlstand zu halten, aber auch wenn wir tatsächlich mit unseren Ressourcen irgendwann so haushalten wollen, dass wir sie nicht verbrauchen."
… andererseits auf eine Weise zu kultivieren, dass es dabei möglichst keine Verlierer und viele Gewinner gibt. Rund um Künzelsau kann man die Hoffnung schöpfen, dies sei zu schaffen. Der Erfindergeist dort wird sich jedenfalls kaum schlafen legen.
Heiko Scheu: "Mir Hohenloher sind scho a weng tüftelig, ja? Oder Tüftler. Und vielleicht sieht man das da ein bisschen im Ergebnis."
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