#wirsindmehr: Konzert in Chemnitz

65.000 Besucher setzten Zeichen gegen Rassismus

Sänger Felix Brummer der Rockband Kraftklub aus Chemnitz steht am 3. September 2018 bei dem Konzert unter dem Motto #wirsindmehr auf der Bühne.
"Ihr glaubt gar nicht, wie gut, dass tut, in so viele nette Gesichter zu schauen", sagte Kraftklub-Sänger Felix Brummer beim #wirsindmehr-Konzert in Chemnitz. © picture alliance/Sebastian Willnow/dpa
Von Bastian Brandau · 03.09.2018
Über 65.000 Menschen kamen gestern Abend zum Konzert nach Chemnitz, das unter dem Motto #wirsindmehr stand. Gemeinsam mit der Chemnitzer Band Kraftklub setzen auch Marteria, Casper und die Toten Hosen ein Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit und Gewalt.
"Schönen guten Abend Karl-Marx-Stadt, wir sind Kraftklub aus Chemnitz. Ihr glaubt gar nicht, wie gut, dass tut, in so viele nette Gesichter zu schauen. Vielen Dank fürs Kommen, vielen Dank fürs Dasein."
Innerhalb gut einer Woche hatte die Band Kraftklub aus Chemnitz ein Konzert organisiert, an dem nach Zählungen der Stadt über 65.000 Menschen teilnahmen. Sänger Felix Kummer von Kraftklub machte klar, worum es ihm an diesem Abend ging.
"Gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Faschismus, Homophobie und die verfickte AfD."
#wirsindmehr: Unter diesem Motto spielten sechs Bands an einem Abend, der mit einer Schweigeminute für den vor einer Woche auf dem Stadtfest getöteten Mann begonnen hatte. Tatverdächtig sind zwei Männer aus Irak und Syrien. Dem waren mehrere rechte Demonstrationen gefolgt. Für die Familie des Opfers wurden zu gleichen Teilen Spenden gesammelt wie für antirassistische und antifaschistische Projekte in Sachsen.

Campino: "Es geht nicht um den Kampf links gegen rechts"

Auf der Bühne spielten Chemnitzer Bands wie Kraftklub oder Trettmann und zum Abschluss die Toten Hosen aus Düsseldorf, der Partnerstadt Chemnitz. Deren Sänger Campino hatte schon am Nachmittag deutlich gemacht, wie wichtig ihm der Auftritt ist:
"Das ist ganz wesentlich, dass wir uns darüber im Klaren sind, dass es nicht um den Kampf links gegen rechts geht, sondern alles was normalen Anstand hat, egal welcher politischen Couleur stellt sich gegen einen Rechtsaußenmob, der übergriffig wird. Und es ist … Es ist ganz wichtig, dass wir dieses Betragen stoppen solange es noch ein Schneeball ist und zerstören, bevor es zu einer Lawine wird."
Sänger Campino von der Rockband "Die Toten Hosen" am 3. September 2018 beim Konzert unter dem Motto #wirsindmehr in Chemnitz auf der Bühne
Campino beim #wirsindmehr-Konzert gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt Chemnitz © picture alliance/Sebastian Kahnert/dpa
"Wir sind mehr. Das ist das Wesentliche glaube ich. Und wir sind bunt und wir sind viele, also es sind alle da. Junge und Alte. Es ist querbeet, es ist großartig."
"Ich war als ich kam vor einer Stunde ungefähr war ich wirklich zu Tränen gerührt so viele Leute zu sehen."
"Wir sind nicht hier, um gegen links oder rechts zu sein, wir sind hier um Menschlichkeit zu zeigen. Und einfach zu sagen, dass Rassismus hier keinen Platz hat. Auch in Chemnitz nicht."
Kraftklub planen ähnliche Konzerte für die kommenden Montage in Chemnitz.
"Wir sind Chemnitzer, wir waren vor zwei Wochen Chemnitzer, und auch vor drei Wochen. Und werden auch immer noch in Chemnitz sein, wenn hier keine Kameras mehr sind."

Sächsischer Landtag befasste sich mit Polizeieinsatz

Die Demonstration einer extrem rechten Gruppierung vor einer Woche in Chemnitz war am Nachmittag Thema im sächsischen Landtag. In einer Sondersitzung befasste sich der Innenausschuss mit dem Polizeieinsatz vom vorvergangenem Montag, bei dem die Polizei nach eigenen Angaben mit deutlich zu wenig Kräften vor Ort gewesen war. Es war zu Angriffen mit Verletzten gekommen, mehrfach war der Hitlergruß gezeigt worden.
Es sei ein schwieriger Einsatz gewesen, den die Polizei aber sehr gut bewältigt habe, hatte Innenminister Roland Wöller, CDU, nach der Sitzung gesagt. Richtig sei aber auch, dass die Polizei überrascht worden sei, mit welcher Geschwindigkeit rechte Gruppen mobilisiert hätten.
Der innenpolitische Sprecher der Grünen sprach dagegen angesichts der Aussagen Wöllers von Realitätsverlust. Die Sitzung habe aus seiner Sicht ergeben, dass die Situation in Chemnitz…
"… auf ein Versagen bei der Einsatzplanung bei der Polizei zurückzuführen ist. Man hat ohne Not die Stadt den Rechtsextremen überlassen. Weil man die Lageeinschätzung des Verfassungsschutzes viel zu spät ernst genommen hat. Dass mit einer mittleren Tausenderzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der rechten Demo zu rechnen ist. Weil man noch Kräfte, die aus Niedersachsen am Morgen angeboten wurden, abgelehnt hat in der Annahme, dass man sie nicht braucht."
Eine Fehlannahme, die zur Folge hatte, dass viele zu wenige Polizisten einer Überzahl an teils gewaltbereiten Demonstranten gegenüber gestanden hatten. Dies müsse personelle Konsequenzen haben, fordert Lippmann.

Rechtsausschuss beschäftigt sich mit durchgestochenem Haftbefehl

Am heutigen Dienstag wird sich der Rechtsauschuss des Landtages mit dem Fall des durchgestochenen Haftbefehls gegen einen der mutmaßlichen Täter der Messerstecherei beim Chemnitzer Stadtfest beschäftigen. Ein Beamter der Justizvollzugsanstalt hatte angegeben, das Dokument weitergegeben zu haben.
Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hat die beiden Tatverdächtigen, einen Iraker und einen Syrer, im Fall des Tötungsdeliktes erstmals befragt. Sie hätten sich eingelassen, sagte eine Sprecherin, ohne Details zu nennen.
Am Abend in Chemnitz nahm die Polizei einen Mann vorläufig fest, der am Samstag in Chemnitz mit seiner Krücke einen Journalisten angegriffen haben soll.
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