Wirksame Wiederbelebung

Von Ullrich Bohn |
Der aus Bayern stammende Komponist Johann Simon Mayr teilt das Schicksal etlicher Zeitgenossen von Wolfgang Amáde Mozart. War er doch zu Lebzeiten viel bekannter und erfolgreicher als der "Wolferl". Die Primadonnen lagen ihm zu Füßen, seine Opern standen auf den Spielplänen aller Theatermetropolen. Heute freilich sind Johann Simon Mayr, der die meiste Zeit seines Lebens in Italien verbrachte, und sein Werk vergessen. Das Braunschweiger Staatstheater aber startete nun einen wirksamen Wiederbelebungsversuch.
"Fedra", ein Spätwerk Mayrs, das zwar im Dezember 1820 an der Mailänder Scala uraufgeführt, aber noch nie auf einer deutschen Opernbühne gezeigt wurde, und nunmehr seine sehr späte deutsche Erstaufführung erlebte, basiert auf der Tragödie "Phèdre" von Racine, einem Meisterwerk der französischen Klassik.

Das Motiv der unerfüllten Liebe, die in blanken Hass umschlägt, bestimmt das Geschehen. Wird für Phädra, deren Stiefsohn Hippolyth und für dessen Vater Theseus zum Verhängnis. Denn jeder hat, bewusst oder unbewusst, durch übermächtiges Verlangen, selbstzerstörerische Begierde oder durch Herrschsucht Schuld auf sich geladen, die alle am Ende Täter und Opfer zugleich sein lässt.

Für die Regisseurin Kerstin Maria Pöhler wird dabei aber auch die Frage nach der Autonomie des Menschen und seiner Entscheidungsfreiheit berührt. Denn in ihrer durchaus vielschichtigen Inszenierung von Kerstin Maria Pöhler wird sie nicht nur der bitteren Tragödie mit eindringlichen Bildern gerecht, sie ist auch bestrebt, die psychologischen Hintergründe konsequent auszuleuchten.

Das musikalische Spektrum der Oper indes reicht von barocken Momenten über Klangfarben, die auch bei Mozart und Gluck zu finden sind, bis hin zu den spritzig-lebendigen Melodien eines Rossini oder Donizetti, die Johann Simon Mayr somit als nicht unwichtigen Komponisten des Übergangs von der Klassik zur Romantik erscheinen lassen.

Und doch wird gerade die musikalische Umsetzung durch Gerd Schaller und das Braunschweiger Staatsorchester zur Achillesferse der Aufführung. Zu vieles klingt unmotiviert, ungenau und dröge, mögliche Variationen der Tempi bleiben weitgehend ungenutzt, stimmige Phrasierungen sind gar Mangelware. Das Sängerensemble jedoch schlägt sich mehr als achtbar, allen voran Rebecca Nelsen als Hippolyth.

Mayrs "Fedra" ist für sich genommen zwar eine interessante Ausgrabung, nur Vergleiche mit Mozarts Figuren und Charakteren sollte man nicht anstellen.

Premierenrezension von Ullrich Bohn als MP3-Audio

Fedra - Oper in zwei Akten von Johann Simon Mayr
Staatstheater Braunschweig
Musikalische Leitung: Gerd Schaller
Inszenierung: Kerstin Maria Pöhler
Bühne: Frank Fellmann
Kostüme: Dietlind Konold
Weitere Vorstellungen: 5. April, 10. April, 13. April, 20. April, 29. April, 2. Mai, 25. Mai