Wird es wehtun?
Für eine Woche ist Halle ein Ort der Medienkunst. Dort beginnt heute eine neue Ausgabe des Werkleitz-Festivals, die sich mit den vielen Facetten der Angst beschäftigt.
Das diesjährige Werkleitz-Festival steht unter der Überschrift "Angst". "Der Spiegel" hat in dieser Woche das Thema auf der Titelseite, und Arte widmet ihm heute drei Filmbeiträge - thematisch also ist den Machern des Festivals in Halle eine Punktlandung gelungen. Schon in den letzten Jahren hatten sie ihr Gespür für gesellschaftlich relevante Themen unter Beweis gestellt: Da ging es um "common property", also Gemeingut, um "Amerika" oder um "Happy Believers", die glücklichen Gläubigen. Und auch in diesem Jahr ist das Festival zweigeteilt: In ein kuratiertes Filmprogramm einerseits und in Medienkunst im Stadtraum andererseits. Kurator Daniel Hermann:
"Das macht auf das Thema Angst insofern Sinn, als wir sagen, so heißen ja auch die Untertitel: Das Filmprogramm heißt "Angst in der Schwarzen Schachtel" - das ist eine Anspielung auf die Klaustrophobie - und wir haben auf der anderen Seite "Angst in Form", Kunst im öffentlichen Raum, was eine Anspielung auf die Agoraphobie ist. Und ich finde, die beiden Dinge passen so ganz gut zusammen."
"Filmausschnitt: "Is this going to hurt? Wird es wehtun?) -"Could you loose your job?" (Kannst du deine Arbeit verlieren?) - "Are you missing much money?" -(Fehlt dir viel Geld?)""
Drei von vielen Angstfragen aus einem der 56 Filme des Festivals. Sie sind in Gruppen sortiert, mit Titeln wie: Eingeschlossen, Die innere Angst, Kino der Geheimdienste. Das Filmprogramm verantwortet Marcel Schwierin, selbst ein gelernter Filmemacher. Sein Anspruch: Sowohl lokale, hallesche Bedürfnisse bedienen als auch das explizite Kunstpublikum anzusprechen:
"Wir haben ein Programm, das sich speziell den Fragen der Ökonomie widmet, also den Ängsten vor sozialem Abstieg, den Ängsten vor Armut. Das ist etwas, was in der Kunst merkwürdigerweise gar nicht soviel verhandelt wird. Merkwürdigerweise, weil Künstler sind so mit die ärmste Berufsgruppe, die es überhaupt gibt, aber sie reden nicht soviel darüber. Und wir haben ein Programm zusammengestellt, wo es genau darum geht."
Schwierin kennt wie alle Werkleitz-Festivalmacher die prekäre Situation nicht nur der Künstler in Sachsen-Anhalt. Neben der Langzeitarbeitslosigkeit wird dort auch "Working poor" zunehmend zu einem Alltagsphänomen - also das Arbeiten in zwei, drei Jobs, die dennoch nicht genügend Geld zum Leben abwerfen:
"Ja, zum Beispiel gibt es diesen Film "Three legged", übersetzt heißt das soviel wie "Dreibeinig", von Harris und Wood. Und das ist ein Film, wo sich die Künstler zusammenbinden und sich von einer Tennisballmaschine aus sehr kurzer Distanz beschießen lassen. Und das ist so eine typische Arbeit, wo Künstler ein sehr hohes Risiko eingehen, weil das tut wirklich weh, wenn sie getroffen werden, und das sieht man, wie sie panisch versuchen, dieser Tennisballmaschine auszuweichen. Und das ist etwas, was die Kunst immer wieder macht: Künstler nehmen hohe Risiken in Kauf: Ökonomische Risiken, das Risiko, verachtet zu werden, verlacht zu werden, von der Familie nicht akzeptiert zu werden - und das ist so etwas, wo ich sagen würde, das betrifft fast alle Filme des Festivals: Fast hinter jedem Film steht ein besonderer Mut, diesen Film zu machen."
Neben den Filmen und Videos sind es vor allem die Medienkunstarbeiten, mit denen Werkleitz für Diskurs und Debatten sorgen möchte. Einige fanden bereits im Vorfeld des Festivals statt und werden im Festivalzentrum, dem Thalia-Theater Halle, dokumentiert: So zum Beispiel die Arbeit "Reisertausch" von Ella Ziegler. Kurator Daniel Hermann:
"Reisertausch ist zum Beispiel eine sehr, sehr simple, fast archaische Arbeit, wo Obstreiser aus Tschechien auf deutsche Bäume transplantiert werden, also es hat einmal diese Geste von etwas subkutan einführen, und auf der anderen Seite auch diese Grenzangst. Ursprünglich gab es ja mal ein gemeinsames Vogtland, wo diese Obstbautradition herkommt, mittlerweile ist das durch eine Grenze getrennt, und trotzdem gibt es diese Überbringung dieser Reiser von der einen Seite auf die andere - und Grenzängste gibt es wie Sand am Meer, wir müssen uns einfach nur das Mittelmeer vorstellen.
Auf die Regionen jenseits des Mittelmeeres kaprizieren sich derzeit viele Ängste, und so reflektiert auch das Werkleitz-Festival darauf. Wie immer das aussehen mag: Eine amerikanische Künstlergruppe will in Halle eine "schmutzige Bombe" zünden - in Erinnerung an den Beginn des Irak-Krieges, der ja mit der Angst vor der vermeintlichen Existenz einer solchen Bombe begründet wurde. Die Künstler der Gruppe KUNSTrePUBLIK wollen Statistiken zur Migration im Stil von Koransuren vorlesen - auch das verspricht eine zumindest streitbare Intervention im Stadtraum zu werden. Mit 11.000 Besuchern hat das Festival im vergangenen Jahr gezeigt, dass es in Halle gut angenommen wird - Thema und Programm lassen erwarten, dass es auch in diesem Jahr zündet.
Homepage des Werkleitz-Festivals
"Das macht auf das Thema Angst insofern Sinn, als wir sagen, so heißen ja auch die Untertitel: Das Filmprogramm heißt "Angst in der Schwarzen Schachtel" - das ist eine Anspielung auf die Klaustrophobie - und wir haben auf der anderen Seite "Angst in Form", Kunst im öffentlichen Raum, was eine Anspielung auf die Agoraphobie ist. Und ich finde, die beiden Dinge passen so ganz gut zusammen."
"Filmausschnitt: "Is this going to hurt? Wird es wehtun?) -"Could you loose your job?" (Kannst du deine Arbeit verlieren?) - "Are you missing much money?" -(Fehlt dir viel Geld?)""
Drei von vielen Angstfragen aus einem der 56 Filme des Festivals. Sie sind in Gruppen sortiert, mit Titeln wie: Eingeschlossen, Die innere Angst, Kino der Geheimdienste. Das Filmprogramm verantwortet Marcel Schwierin, selbst ein gelernter Filmemacher. Sein Anspruch: Sowohl lokale, hallesche Bedürfnisse bedienen als auch das explizite Kunstpublikum anzusprechen:
"Wir haben ein Programm, das sich speziell den Fragen der Ökonomie widmet, also den Ängsten vor sozialem Abstieg, den Ängsten vor Armut. Das ist etwas, was in der Kunst merkwürdigerweise gar nicht soviel verhandelt wird. Merkwürdigerweise, weil Künstler sind so mit die ärmste Berufsgruppe, die es überhaupt gibt, aber sie reden nicht soviel darüber. Und wir haben ein Programm zusammengestellt, wo es genau darum geht."
Schwierin kennt wie alle Werkleitz-Festivalmacher die prekäre Situation nicht nur der Künstler in Sachsen-Anhalt. Neben der Langzeitarbeitslosigkeit wird dort auch "Working poor" zunehmend zu einem Alltagsphänomen - also das Arbeiten in zwei, drei Jobs, die dennoch nicht genügend Geld zum Leben abwerfen:
"Ja, zum Beispiel gibt es diesen Film "Three legged", übersetzt heißt das soviel wie "Dreibeinig", von Harris und Wood. Und das ist ein Film, wo sich die Künstler zusammenbinden und sich von einer Tennisballmaschine aus sehr kurzer Distanz beschießen lassen. Und das ist so eine typische Arbeit, wo Künstler ein sehr hohes Risiko eingehen, weil das tut wirklich weh, wenn sie getroffen werden, und das sieht man, wie sie panisch versuchen, dieser Tennisballmaschine auszuweichen. Und das ist etwas, was die Kunst immer wieder macht: Künstler nehmen hohe Risiken in Kauf: Ökonomische Risiken, das Risiko, verachtet zu werden, verlacht zu werden, von der Familie nicht akzeptiert zu werden - und das ist so etwas, wo ich sagen würde, das betrifft fast alle Filme des Festivals: Fast hinter jedem Film steht ein besonderer Mut, diesen Film zu machen."
Neben den Filmen und Videos sind es vor allem die Medienkunstarbeiten, mit denen Werkleitz für Diskurs und Debatten sorgen möchte. Einige fanden bereits im Vorfeld des Festivals statt und werden im Festivalzentrum, dem Thalia-Theater Halle, dokumentiert: So zum Beispiel die Arbeit "Reisertausch" von Ella Ziegler. Kurator Daniel Hermann:
"Reisertausch ist zum Beispiel eine sehr, sehr simple, fast archaische Arbeit, wo Obstreiser aus Tschechien auf deutsche Bäume transplantiert werden, also es hat einmal diese Geste von etwas subkutan einführen, und auf der anderen Seite auch diese Grenzangst. Ursprünglich gab es ja mal ein gemeinsames Vogtland, wo diese Obstbautradition herkommt, mittlerweile ist das durch eine Grenze getrennt, und trotzdem gibt es diese Überbringung dieser Reiser von der einen Seite auf die andere - und Grenzängste gibt es wie Sand am Meer, wir müssen uns einfach nur das Mittelmeer vorstellen.
Auf die Regionen jenseits des Mittelmeeres kaprizieren sich derzeit viele Ängste, und so reflektiert auch das Werkleitz-Festival darauf. Wie immer das aussehen mag: Eine amerikanische Künstlergruppe will in Halle eine "schmutzige Bombe" zünden - in Erinnerung an den Beginn des Irak-Krieges, der ja mit der Angst vor der vermeintlichen Existenz einer solchen Bombe begründet wurde. Die Künstler der Gruppe KUNSTrePUBLIK wollen Statistiken zur Migration im Stil von Koransuren vorlesen - auch das verspricht eine zumindest streitbare Intervention im Stadtraum zu werden. Mit 11.000 Besuchern hat das Festival im vergangenen Jahr gezeigt, dass es in Halle gut angenommen wird - Thema und Programm lassen erwarten, dass es auch in diesem Jahr zündet.
Homepage des Werkleitz-Festivals