"Wir wollen uns das Branche für Branche anschauen"
Die CDU lehnt die Einführung von bundesweiten Mindestlöhnen ab. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller plädiert für eine branchenspezifische Lösung. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn wäre entweder zu niedrig oder würde Arbeitsplätze gefährden, weil er sich nicht an der ortsgebundenen Produktivität messen lasse, sagte der CDU-Politiker.
Hanns Ostermann: Es ist ein Spagat, den die CDU in Hannover versuchen will. Einerseits möchte sie neue Wählerschichten ansprechen, denn nur so sind wieder Wahlergebnisse über 40 Prozent möglich. Andererseits darf das Stammklientel nicht verschreckt werden. Wenn dann auch noch die politischen Koordinaten für die nächsten 15 Jahre festgelegt werden sollen - durch das neue Grundsatzprogramm -, dann darf man eine spannende und kontroverse Veranstaltung an der Leine erwarten. - Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist jetzt der Ministerpräsident des Saarlandes. Guten Morgen Herr Müller!
Peter Müller: Schönen guten Morgen!
Ostermann: Sie haben einmal gesagt, Ihre Partei dürfe den sozialen Kompass nicht verlieren. Wie passt das zur Ablehnung von Mindestlöhnen, dem die CDU ja in wenigen Branchen nur zustimmt?
Müller: Sozial ist zunächst einmal, was Arbeit schafft. Arbeitsplätze werden nicht dadurch erhalten, dass man Dinge, die wünschbar erscheinen, die aber am Ende kontraproduktiv sind, beschließt. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn ist entweder so niedrig, dass er niemandem hilft, oder er orientiert sich nicht an der Produktivität. Dann gefährdet er Arbeitsplätze.
Und deshalb ist es richtig zu sagen, wir wollen uns das Branche für Branche anschauen. Wir wollen anschauen, ob die Arbeit ortsgebunden ist oder nicht, und wir wollen das Primat der Tarifvertragspartner berücksichtigen. Wenn diese Tarifverträge entwickeln, die über 50 Prozent der Beschäftigten erfassen, und dann eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung wünschen, kann man darüber reden. Aber ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn ist nicht sozial, sondern er gefährdet am Ende Arbeitsplätze.
Ostermann: Herr Müller, nun leben wir in einer Zeit, in der Spitzenmanager horrende Summen verdienen oder Abschläge, wenn sie geschasst werden, und parallel können Hunderttausende von ihrer Hände Arbeit nicht leben. Welche Antwort hat Ihre Partei auf diesen, wie Sie ja selbst mal gesagt haben, Skandal?
Müller: Ich glaube, dass das wirklich ein Punkt ist, bei dem es notwendig ist, Korrekturen vorzunehmen. Das ist ein Punkt, der mit dazu beiträgt, dass das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft sinkt. Zunächst einmal ist es eine Herausforderung an die Wirtschaft selbst, die aufgefordert ist, durch entsprechende Regelungen sicherzustellen, dass dieses sich nicht wiederholt.
Falls dies nicht gelingen sollte, muss möglicherweise auch die Politik ein Signal setzen. Ein Ansatz wäre, dass künftig Abfindungen zumindest nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden können, dass Abfindungen künftig nicht mehr als Betriebsausgaben absetzbar sind.
Ostermann: Wenn es um Arbeitsplätze geht, um künftige Arbeitsplätze geht, dann ist Bildung natürlich ungeheuer wichtig und Bildung spielt natürlich auf dem Parteitag in Hannover auch eine entscheidende Rolle, neben der Familie zum Beispiel. Die CDU lehnt die sogenannte Einheitsschule ab. Auf der anderen Seite hat doch Pisa nachgewiesen, dass eine zu frühe Festlegung auf einen Schultyp negative Folgen hat. Kinder sollten so lange wie möglich gemeinsam unterrichtet werden. Widerspricht das nicht Ihrem Bildungsmodell?
Müller: Man muss zwei Dinge unterscheiden. Das eine sind die Ergebnisse der Pisa-Studien, und das zweite ist dasjenige, was in der politischen Begleitung durch den einen oder anderen daraus gemacht wird. Die Pisa-Studien führen keineswegs zu dem Ergebnis, dass Einheitsschulen und Einheitsschulsysteme gegliederten Systemen überlegen sind. Wir haben sowohl Länder mit gegliederten Systemen mit guten und schlechten Ergebnissen wie Länder mit Einheitsschulsystemen. Natürlich muss Durchlässigkeit in einem Schulsystem gegeben sein.
Aber ich bin der festen Überzeugung, dass am Ende Menschen unterschiedlich sind und deshalb eine optimale Förderung stattfindet, wenn unterschiedliche Talente unterschiedlich ausgebildet, unterschiedlich beschult werden. Das ist aus meiner Sicht ein zwingender Grund, eine verbindliche, eine verpflichtende und für alle geltende Einheitsschule abzulehnen.
Ostermann: Wo bleiben in puncto Talente Kinder mit Migrationshintergrund in Ihrem Programm? Deutschland ist Integrationsland. So heißt es in Ihren neuen Grundsätzen, in den Grundsätzen der CDU. Aber dann bleibt es bei Selbstverständlichkeiten, wie NRW-Minister Laschet meinte. Warum hinkt die CDU Regierungshandeln hinterher?
Müller: Ich glaube nicht, dass diese Feststellung des Herrn Laschet der Wirklichkeit entspricht. Wir haben gerade für Kinder mit Migrationshindernissen eine Reihe von zusätzlichen Förderinstrumenten in der praktischen Bildungspolitik, wie sie in den Ländern gemacht wird, entwickelt. Ich denke etwa an Programme wie diejenigen, früh Deutsch lernen, frühzeitig feststellen kann jemand die deutsche Sprache ausreichend, was ja Voraussetzung für Schulerfolg ist. Da gibt es eine Menge von Ansätzen, wie man gerade Integrationskindern verstärkt hilft. Auch da stellt sich die CDU der Herausforderung.
Ostermann: Aber das Parteiprogramm scheint doch darauf wenig einzugehen? Das ist zumindest der Eindruck von außen.
Müller: Das Parteiprogramm ist ein Grundsatzprogramm. Da können sie ja nicht jede Detailfrage jedes einzelnen politischen Sachbereiches regeln. Und im Grundsatz ist diese Herausforderung zutreffend im Programm beschrieben.
Ostermann: Wo kann die CDU in den nächsten zwei Jahren bis zur Wahl Duftmarken setzen und sich deutlich von der SPD unterscheiden?
Müller: Ich glaube die CDU ist zunächst einmal die Partei des Aufschwungs und sie ist zum zweiten die Partei der politischen Mitte. Sie ist die Partei, die aus Grundsätzen heraus Politik entwickelt. Wir haben zurzeit beispielsweise eine Kontroverse mit den Sozialdemokraten über die Frage, welche Bedeutung hat das Eintreten für die Menschenrechte in der Außenpolitik.
Und ich finde es sehr gut und sehr richtig, dass wir als CDU sagen, Außenpolitik muss mehr sein als Außenwirtschaftspolitik. Die Betonung der Menschenrechte muss im Mittelpunkt der Außenpolitik stehen. Wir wollen in diesem Bereich nicht Leisetreter sein, wie wir dies unter Schröder erleben mussten.
Peter Müller: Schönen guten Morgen!
Ostermann: Sie haben einmal gesagt, Ihre Partei dürfe den sozialen Kompass nicht verlieren. Wie passt das zur Ablehnung von Mindestlöhnen, dem die CDU ja in wenigen Branchen nur zustimmt?
Müller: Sozial ist zunächst einmal, was Arbeit schafft. Arbeitsplätze werden nicht dadurch erhalten, dass man Dinge, die wünschbar erscheinen, die aber am Ende kontraproduktiv sind, beschließt. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn ist entweder so niedrig, dass er niemandem hilft, oder er orientiert sich nicht an der Produktivität. Dann gefährdet er Arbeitsplätze.
Und deshalb ist es richtig zu sagen, wir wollen uns das Branche für Branche anschauen. Wir wollen anschauen, ob die Arbeit ortsgebunden ist oder nicht, und wir wollen das Primat der Tarifvertragspartner berücksichtigen. Wenn diese Tarifverträge entwickeln, die über 50 Prozent der Beschäftigten erfassen, und dann eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung wünschen, kann man darüber reden. Aber ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn ist nicht sozial, sondern er gefährdet am Ende Arbeitsplätze.
Ostermann: Herr Müller, nun leben wir in einer Zeit, in der Spitzenmanager horrende Summen verdienen oder Abschläge, wenn sie geschasst werden, und parallel können Hunderttausende von ihrer Hände Arbeit nicht leben. Welche Antwort hat Ihre Partei auf diesen, wie Sie ja selbst mal gesagt haben, Skandal?
Müller: Ich glaube, dass das wirklich ein Punkt ist, bei dem es notwendig ist, Korrekturen vorzunehmen. Das ist ein Punkt, der mit dazu beiträgt, dass das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft sinkt. Zunächst einmal ist es eine Herausforderung an die Wirtschaft selbst, die aufgefordert ist, durch entsprechende Regelungen sicherzustellen, dass dieses sich nicht wiederholt.
Falls dies nicht gelingen sollte, muss möglicherweise auch die Politik ein Signal setzen. Ein Ansatz wäre, dass künftig Abfindungen zumindest nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden können, dass Abfindungen künftig nicht mehr als Betriebsausgaben absetzbar sind.
Ostermann: Wenn es um Arbeitsplätze geht, um künftige Arbeitsplätze geht, dann ist Bildung natürlich ungeheuer wichtig und Bildung spielt natürlich auf dem Parteitag in Hannover auch eine entscheidende Rolle, neben der Familie zum Beispiel. Die CDU lehnt die sogenannte Einheitsschule ab. Auf der anderen Seite hat doch Pisa nachgewiesen, dass eine zu frühe Festlegung auf einen Schultyp negative Folgen hat. Kinder sollten so lange wie möglich gemeinsam unterrichtet werden. Widerspricht das nicht Ihrem Bildungsmodell?
Müller: Man muss zwei Dinge unterscheiden. Das eine sind die Ergebnisse der Pisa-Studien, und das zweite ist dasjenige, was in der politischen Begleitung durch den einen oder anderen daraus gemacht wird. Die Pisa-Studien führen keineswegs zu dem Ergebnis, dass Einheitsschulen und Einheitsschulsysteme gegliederten Systemen überlegen sind. Wir haben sowohl Länder mit gegliederten Systemen mit guten und schlechten Ergebnissen wie Länder mit Einheitsschulsystemen. Natürlich muss Durchlässigkeit in einem Schulsystem gegeben sein.
Aber ich bin der festen Überzeugung, dass am Ende Menschen unterschiedlich sind und deshalb eine optimale Förderung stattfindet, wenn unterschiedliche Talente unterschiedlich ausgebildet, unterschiedlich beschult werden. Das ist aus meiner Sicht ein zwingender Grund, eine verbindliche, eine verpflichtende und für alle geltende Einheitsschule abzulehnen.
Ostermann: Wo bleiben in puncto Talente Kinder mit Migrationshintergrund in Ihrem Programm? Deutschland ist Integrationsland. So heißt es in Ihren neuen Grundsätzen, in den Grundsätzen der CDU. Aber dann bleibt es bei Selbstverständlichkeiten, wie NRW-Minister Laschet meinte. Warum hinkt die CDU Regierungshandeln hinterher?
Müller: Ich glaube nicht, dass diese Feststellung des Herrn Laschet der Wirklichkeit entspricht. Wir haben gerade für Kinder mit Migrationshindernissen eine Reihe von zusätzlichen Förderinstrumenten in der praktischen Bildungspolitik, wie sie in den Ländern gemacht wird, entwickelt. Ich denke etwa an Programme wie diejenigen, früh Deutsch lernen, frühzeitig feststellen kann jemand die deutsche Sprache ausreichend, was ja Voraussetzung für Schulerfolg ist. Da gibt es eine Menge von Ansätzen, wie man gerade Integrationskindern verstärkt hilft. Auch da stellt sich die CDU der Herausforderung.
Ostermann: Aber das Parteiprogramm scheint doch darauf wenig einzugehen? Das ist zumindest der Eindruck von außen.
Müller: Das Parteiprogramm ist ein Grundsatzprogramm. Da können sie ja nicht jede Detailfrage jedes einzelnen politischen Sachbereiches regeln. Und im Grundsatz ist diese Herausforderung zutreffend im Programm beschrieben.
Ostermann: Wo kann die CDU in den nächsten zwei Jahren bis zur Wahl Duftmarken setzen und sich deutlich von der SPD unterscheiden?
Müller: Ich glaube die CDU ist zunächst einmal die Partei des Aufschwungs und sie ist zum zweiten die Partei der politischen Mitte. Sie ist die Partei, die aus Grundsätzen heraus Politik entwickelt. Wir haben zurzeit beispielsweise eine Kontroverse mit den Sozialdemokraten über die Frage, welche Bedeutung hat das Eintreten für die Menschenrechte in der Außenpolitik.
Und ich finde es sehr gut und sehr richtig, dass wir als CDU sagen, Außenpolitik muss mehr sein als Außenwirtschaftspolitik. Die Betonung der Menschenrechte muss im Mittelpunkt der Außenpolitik stehen. Wir wollen in diesem Bereich nicht Leisetreter sein, wie wir dies unter Schröder erleben mussten.