"Wir wollen doch nicht dauerhaft den Rechtsstaat außer Kraft setzen"

Die Novelle des Stasi-Unterlagengesetzes führt nach Einschätzung des stellvertretenden Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse nicht zum Ende der Aufarbeitung des SED-Unrechts.
Es sei kein Schlussstrich beabsichtigt, sagte der SPD-Politiker. Der Zugang zu den Akten für die wissenschaftliche, historische und publizistische Aufarbeitung solle sogar erweitert werden. Aber es werde ernst genommen, was der Gesetzgeber 1991 beschlossen habe, wonach die Regelanfrage nach 15 Jahren auslaufen sollte. Der Gebrauch der Akten für personalrechtliche Fragen solle deshalb eingeengt werden.

Der Vorschlag von Thüringen sehe vor, das Gesetz unverändert weiterlaufen zu lassen. Es mache aber keinen Sinn, 16 Jahre nach Ende der DDR jeden Pförtner auf Stasi-Tätigkeit zu überprüfen, nur weil er aus der DDR gekommen sei. Gewissermaßen habe es bisher einen allgemeinen Verdacht qua Herkunft gegeben. "Wir wollen doch nicht dauerhaft den Rechtsstaat außer Kraft setzen. Im Rechtsstaat gibt es das dem Rechtsfrieden dienende Gut der Verjährung. Das sollte auch für diesen Bereich gelten, auch wenn es hier nicht um Straftaten geht, sondern um moralisch-politisch zu wertende Verfehlungen", sagte Thierse.

Der Personenkreis solle mit der Novellierung eingeschränkt und bei Verdacht weiterhin eine Überprüfung stattfinden. Nach wie vor würden Bundes- und Landesminister, Abgeordnete, leitende Beamte, Wahlbeamte, Richter, Soldaten höherer Dienstgrade und höhere Sportfunktionäre überprüft werden. "Die Bürger sollen sicher sein können, dass nicht Menschen in führende Funktionen kommen, die einmal Spitzeldienste geleistet und Verrat begangen haben."