"Wir sind sehr optimistisch"
Ayyub Axel Köhler geht davon aus, dass schon bald islamischer Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen in Deutschland durchgeführt werden kann. Mit der Gründung des Koordinierungsrats für Muslime sei eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen worden, sagte der Erste Sprecher der Organisation.
Tom Grote: Jahrelang kochte jeder muslimische Verband in Deutschland sozusagen sein eigenes Süppchen, von Einigkeit keine Spur. Das war immer wieder von der deutschen Politik bemängelt worden, vor allem weil es nicht den einen Ansprechpartner gab. Jetzt soll diese Zeit vorbei sein, die vier größten muslimischen Verbände haben sich nämlich zu einem Koordinierungsrat zusammengeschlossen. Erster Sprecher dieses Rates ist Ayyub Axel Köhler. Guten Tag Herr Köhler!
Ayyub Axel Köhler: Guten Tag Herr Grote!
Grote: 3,3 Millionen Muslime gibt es in Deutschland, wie viele davon vertreten sie jetzt?
Köhler: Wir vertreten die Mehrzahl der islamischen Moschee-Gemeinden.
Grote: Das heißt, eine genaue Zahl können Sie nicht nennen.
Köhler: Nein, das kann man nicht.
Grote: Warum nicht?
Köhler: Es gibt keine festen Statistiken sowohl über die einzelnen Muslime als auch über die Moschee-Gemeinden. Wobei man sagen muss, es gibt eine geringe Anzahl nicht-organisierter Moschee-Gemeinden. Die meisten sind aber in Dachverbänden organisiert. Und diese Dachverbände sind vier. Die größte Dachorganisation ist die DITIB, dann ist der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, dann der Verband der islamischen Kulturzentren und der Zentralrat der Muslim in Deutschland. Andere gibt es nicht.
Grote: Ein Drittel der Muslime in Deutschland geht eigenen Angaben selten oder nie in die Moschee. Wie sollen die eingebunden werden?
Köhler: Die Zahl können wir gar nicht bestätigen. Das wissen wir nicht. Wir wissen nicht, wie viele Leute in die Moschee gehen. Wir zählen die auch nicht. Wir wissen nur, dass bei den Gebeten die Räume in den Moscheen nicht ausreichen. Zum Teil betet man im Hof oder auch auf der Straße. Das sind Muslime, die zum Großteil gar nicht organisiert sind, aber die den Service der Moschee-Gemeinden in Anspruch nehmen. …
Grote: Das heißt, Sie fühlen sich als Sprecher sämtlicher Muslim in Deutschland?
Köhler: Also, wir wollen nicht übertreiben, wir können nur die Moschee-Gemeinden vertreten, die Mitglied sind bei uns. Wir wissen, dass eine große Vielzahl von Muslimen diesen Service in Anspruch nehmen.
Grote: Die muslimische Organisation Millis Görüs ist lange Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet worden. Die ist kein Gründungsmitglied des Koordinierungsrates, bleibt sie draußen oder ist Millis Görüs noch kein Mitglied?
Köhler: Es ist so: Es sind die eben genannten Dachorganisationen, die Mitglied sind. Und Millis Görüs ist Mitglied im Islamrat. Und dass sie vom Verfassungsschutz beobachtet werden wie viele andere auch, bedeutet noch nichts …
Grote: Sie sind Erster Sprecher dieses Koordinationsrates, was dürfen Sie und was dürfen Sie nicht?
Köhler: Ich darf alles sagen, wenn ich sage, dass ist meine eigene Meinung. Aber vor allen Dingen bin ich als Sprecher für den Konsens der unter uns vieren geschlossen ist. Also ich spreche über den Konsens des Koordinationsrates. Ich versuche, die Meinung des Rates so gut wie möglich wiederzugeben.
Grote: Also, man darf Sie alles fragen, aber entscheiden dürfen Sie nicht.
Köhler: Entscheiden darf ich da nichts. Entschieden wird sehr demokratisch in den Gremien. …
Grote: In der "Süddeutschen Zeitung" von heute ist von jahrelangen Verhandlungen vor diesem Zusammenschluss die Rede. Worüber hat man sich denn da so heftig auseinander gesetzt?
Köhler: Ich würde nicht von jahrelangen Auseinandersetzungen sprechen, sondern möchte das so erklären: In den letzen beiden Jahren hat sich bei den Muslimen der Wunsch verdichtet, einen einheitlichen Ansprechpartner zu schaffen, dass die Muslime mit einer Zunge reden, dass sie nicht gegeneinander ausgespielt werden. Dazu haben sich Initiativen entwickelt, die schon mit einer Steuerungsgruppe so weit waren, dass Bundes- und Landessatzungen entwickelt worden sind. Und auf der anderen Seite hat sich auch bei den Dachverbänden die Einsicht durchgesetzt, dass niemand einen Alleinvertretungsanspruch wahr machen kann. Das hat auch damit zu tun, dass endlich die Politik Zeichen gesetzt hat. Zeichen, dass eben nicht einer der vier der alleinige Ansprechpartner wird. Und das hat dann zu der Einsicht geführt, dass es an der Zeit ist, sich nun zusammenzufinden in einem Koordinierungsrat. Es kommt ja noch hinzu, dass die Politik jetzt endlich einen islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen durchführen möchte. Und dazu brauchte man ja auch immer den alleinigen Ansprechpartner unter den Muslimen. Und da wir nun seit Jahrzehnten für islamischen Religionsunterricht eintreten, muss man natürlich sofort den kleinsten Strohhalm ergreifen, um diesem Ziel näher zu kommen. Wir haben jetzt also alle Vorleistungen erbracht, die notwendig sind, um einen islamischen Religionsunterricht beispielsweise in Nordrhein-Westfalen durchzuführen. Und das versuchen wir jetzt auch in den anderen Bundesländern zu fördern.
Grote: Rafet Öztürk von der Türkisch-Islamischen Union, der Anstalt für Religion, der hat gesagt: Wir möchten uns mit dem Zusammenschluss auch selbst auf die Probe stellen, ob wir gemeinsame Entscheidungen treffen können oder nicht. Das klingt nicht sehr Vertrauens erweckend für die Arbeit in der Zukunft, finden sie nicht?
Köhler: Nach all den Jahren des Nebeneinanders sind wir auch vorsichtig geworden. Wir wissen aber, dass wir nach dem, was wir in der Vergangenheit geleistet haben, optimistisch in die Zukunft blicken können. Und wir sind so realistisch, dass wir wissen, dass es auch unterschiedliche Ansichten gibt, die miteinander in Einklang gebracht werden sollen, die aber auch nicht so erheblich sein müssen, dass man sich nicht einigen könnte. Zumindest was wir seit dem letzten Ramadan geleistet haben, gibt zu großem Optimismus Anlass.
Das gesamte Gespräch mit Ayyub Axel Köhler können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
Ayyub Axel Köhler: Guten Tag Herr Grote!
Grote: 3,3 Millionen Muslime gibt es in Deutschland, wie viele davon vertreten sie jetzt?
Köhler: Wir vertreten die Mehrzahl der islamischen Moschee-Gemeinden.
Grote: Das heißt, eine genaue Zahl können Sie nicht nennen.
Köhler: Nein, das kann man nicht.
Grote: Warum nicht?
Köhler: Es gibt keine festen Statistiken sowohl über die einzelnen Muslime als auch über die Moschee-Gemeinden. Wobei man sagen muss, es gibt eine geringe Anzahl nicht-organisierter Moschee-Gemeinden. Die meisten sind aber in Dachverbänden organisiert. Und diese Dachverbände sind vier. Die größte Dachorganisation ist die DITIB, dann ist der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, dann der Verband der islamischen Kulturzentren und der Zentralrat der Muslim in Deutschland. Andere gibt es nicht.
Grote: Ein Drittel der Muslime in Deutschland geht eigenen Angaben selten oder nie in die Moschee. Wie sollen die eingebunden werden?
Köhler: Die Zahl können wir gar nicht bestätigen. Das wissen wir nicht. Wir wissen nicht, wie viele Leute in die Moschee gehen. Wir zählen die auch nicht. Wir wissen nur, dass bei den Gebeten die Räume in den Moscheen nicht ausreichen. Zum Teil betet man im Hof oder auch auf der Straße. Das sind Muslime, die zum Großteil gar nicht organisiert sind, aber die den Service der Moschee-Gemeinden in Anspruch nehmen. …
Grote: Das heißt, Sie fühlen sich als Sprecher sämtlicher Muslim in Deutschland?
Köhler: Also, wir wollen nicht übertreiben, wir können nur die Moschee-Gemeinden vertreten, die Mitglied sind bei uns. Wir wissen, dass eine große Vielzahl von Muslimen diesen Service in Anspruch nehmen.
Grote: Die muslimische Organisation Millis Görüs ist lange Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet worden. Die ist kein Gründungsmitglied des Koordinierungsrates, bleibt sie draußen oder ist Millis Görüs noch kein Mitglied?
Köhler: Es ist so: Es sind die eben genannten Dachorganisationen, die Mitglied sind. Und Millis Görüs ist Mitglied im Islamrat. Und dass sie vom Verfassungsschutz beobachtet werden wie viele andere auch, bedeutet noch nichts …
Grote: Sie sind Erster Sprecher dieses Koordinationsrates, was dürfen Sie und was dürfen Sie nicht?
Köhler: Ich darf alles sagen, wenn ich sage, dass ist meine eigene Meinung. Aber vor allen Dingen bin ich als Sprecher für den Konsens der unter uns vieren geschlossen ist. Also ich spreche über den Konsens des Koordinationsrates. Ich versuche, die Meinung des Rates so gut wie möglich wiederzugeben.
Grote: Also, man darf Sie alles fragen, aber entscheiden dürfen Sie nicht.
Köhler: Entscheiden darf ich da nichts. Entschieden wird sehr demokratisch in den Gremien. …
Grote: In der "Süddeutschen Zeitung" von heute ist von jahrelangen Verhandlungen vor diesem Zusammenschluss die Rede. Worüber hat man sich denn da so heftig auseinander gesetzt?
Köhler: Ich würde nicht von jahrelangen Auseinandersetzungen sprechen, sondern möchte das so erklären: In den letzen beiden Jahren hat sich bei den Muslimen der Wunsch verdichtet, einen einheitlichen Ansprechpartner zu schaffen, dass die Muslime mit einer Zunge reden, dass sie nicht gegeneinander ausgespielt werden. Dazu haben sich Initiativen entwickelt, die schon mit einer Steuerungsgruppe so weit waren, dass Bundes- und Landessatzungen entwickelt worden sind. Und auf der anderen Seite hat sich auch bei den Dachverbänden die Einsicht durchgesetzt, dass niemand einen Alleinvertretungsanspruch wahr machen kann. Das hat auch damit zu tun, dass endlich die Politik Zeichen gesetzt hat. Zeichen, dass eben nicht einer der vier der alleinige Ansprechpartner wird. Und das hat dann zu der Einsicht geführt, dass es an der Zeit ist, sich nun zusammenzufinden in einem Koordinierungsrat. Es kommt ja noch hinzu, dass die Politik jetzt endlich einen islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen durchführen möchte. Und dazu brauchte man ja auch immer den alleinigen Ansprechpartner unter den Muslimen. Und da wir nun seit Jahrzehnten für islamischen Religionsunterricht eintreten, muss man natürlich sofort den kleinsten Strohhalm ergreifen, um diesem Ziel näher zu kommen. Wir haben jetzt also alle Vorleistungen erbracht, die notwendig sind, um einen islamischen Religionsunterricht beispielsweise in Nordrhein-Westfalen durchzuführen. Und das versuchen wir jetzt auch in den anderen Bundesländern zu fördern.
Grote: Rafet Öztürk von der Türkisch-Islamischen Union, der Anstalt für Religion, der hat gesagt: Wir möchten uns mit dem Zusammenschluss auch selbst auf die Probe stellen, ob wir gemeinsame Entscheidungen treffen können oder nicht. Das klingt nicht sehr Vertrauens erweckend für die Arbeit in der Zukunft, finden sie nicht?
Köhler: Nach all den Jahren des Nebeneinanders sind wir auch vorsichtig geworden. Wir wissen aber, dass wir nach dem, was wir in der Vergangenheit geleistet haben, optimistisch in die Zukunft blicken können. Und wir sind so realistisch, dass wir wissen, dass es auch unterschiedliche Ansichten gibt, die miteinander in Einklang gebracht werden sollen, die aber auch nicht so erheblich sein müssen, dass man sich nicht einigen könnte. Zumindest was wir seit dem letzten Ramadan geleistet haben, gibt zu großem Optimismus Anlass.
Das gesamte Gespräch mit Ayyub Axel Köhler können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.