"Wir sind keine Wärmestube für alternde Künstler"

Moderation: Liane von Billerbeck |
Der Grafiker Klaus Staeck ist davon überzeugt, dass die Berliner Akademie der Künste bei der Wahl am kommenden Wochenende einen neuen Präsidenten erhalten wird. Allerdings werde es für diesen nicht einfach, die Interessen von rund 370 künstlerischen Einzelgängern zu bündeln, sagte Staeck im Deutschlandradio Kultur. Von der Akademie erwartet Staeck, dass sie künftig verstärkt zu gesellschaftlichen Fragen Stellung bezieht.
Von Billerbeck: Sie ist eine feine Adresse, aber ein reiner Eliteclub soll sie eben nicht sein, die Akademie der Künste. Gestern hatte sich der Schauspieler Ulrich Matthes vom Deutschen Theater Berlin dagegen ausgesprochen. Irgendwie schien der Hinweis, dass der Mann in dem Film "Der Untergang" gespielt hatte, symptomatisch für die Lage um die Wahl eines neuen Akademiepräsidenten zu sein. In den vergangenen Monaten sind öffentlich diverse Kandidaten als Präsidenten gehandelt worden und noch mehr haben, als sie hinter vorgehaltener Hand gefragt wurden, gleich abgewunken. "Dann kann ich ja keine Bücher mehr schreiben", hieß es oder "dann komm ich ja nicht mehr dazu, einen Film zu machen". Man könne sich die Zeit für diese wunderbare Aufgabe ja nicht aus den Rippen schneiden. Mancher wollte, so war es vom amtierenden Präsidenten Matthias Flügge auch zu vernehmen, nur unter bestimmten Bedingungen Präsident werden.

Freitag und Samstag soll es nun geschehen und der neue Präsident, die neue Präsidentin der Berliner Akademie der Künste gewählt werden. Und darüber wollen wir jetzt mit dem Grafiker Klaus Staeck sprechen. Er ist eines von etwa 370 Mitgliedern der Akademie der Künste und zudem Stellvertretender Direktor der Sektion Bildende Kunst. Guten Tag, Herr Staeck.

Klaus Staeck: Guten Tag, Frau von Billerbeck.

Von Billerbeck: Sie sind ja vielen auch durch Ihre Plakate bekannt. Das bekannteste kann man genau auch an der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin erwerben, nämlich jenes mit dem schönen Titel: "Arbeiter, die SPD will euch eure schönen Villen im Tessin wegnehmen!". Wie wird es denn bei der Wahl? Was ist eigentlich so schrecklich daran, hierzulande Präsident der Akademie der Künste zu werden?

Staeck: Schrecklich ist gar nichts daran, sondern eher an den Begründungen, die sie eben von den anderen Kollegen und Kolleginnen gehört haben, ist, dass ein Künstler, der mitten in der Arbeit ist, Probleme hat, so ein Amt auszufüllen, was doch viele, im Augenblick um so mehr, Erwartungen weckt, das ist das Problem. Aber wir haben in letzter Zeit viele Diskussionen gehabt. Da wurden auch viele andere noch gefragt, was eigentlich ein ganz normaler Vorgang ist, wenn es darum geht, jemanden zu finden, der in einer Situation, die nicht die einfachste ist, um es ganz vorsichtig auszudrücken, jetzt dem Gemeinwesen - was es ja auch ist, es ist ja auch ein großer Betrieb, mit 150 Mitarbeitern, worüber die meisten im Archiv beschäftigt sind, das wird immer leicht vergessen -, dass jemand gesucht wird, der dem jetzt einen Stempel aufdrückt, der in der Öffentlichkeit wiedererkennbar ist. Also noch mal, ich würde jetzt ein bisschen niedriger kochen. Ich würde viel lieber darüber reden, was denn die Akademie für Aufgaben hat. Was die Öffentlichkeit auch erwarten kann, nicht bloß vom Präsidenten. Wir wollen ja gerade das Präsidentenamt ein bisschen niedriger hängen. Das ist ja auch das Ziel, in allen Diskussionen ist das dabei rausgekommen, dass wir uns auch mit den Inhalten beschäftigen wollen. Was können wir tun? Was wird erwartet? Aber der Präsident ist einer unter Gleichen.

Von Billerbeck: Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück. Sie haben gesagt, die Akademie befindet sich ja in keiner leichten Lage derzeit. Wie ist denn die Situation der Deutschen Akademie der Künste?

Staeck: Na gut, sie hat ein, wenn Sie so wollen, ein Problem, was durch die Jahrhunderte auch gewachsen ist. Sie hat sechs Abteilungen und darin sehen manche Leute eine Behinderung eigentlich einer allgemeinen Präsenz, einer Erkennbarkeit der Gesamtakademie. Das ist ...

Von Billerbeck: Wie unterschiedlich sind denn diese Künste, die Literaten, die Bildenden Künstler?

Staeck: Es sind sechs Stück. Es gibt also die Literatur, die bisher auch immer den Präsidenten gestellt hat und dann gibt es die Bildende Kunst, die älteste, die Architektur, die Musik, die Darstellende Kunst und die Medienabteilung. Das sind die sechs. Und die führen auch gewollt ein gewisses Eigenleben. Wir sind ja eine Mitgliedersozietät. Das ist auch nach außen manchmal etwas schwierig zu vermitteln.

Von Billerbeck: Daraus könnte man ja schließen, dass der Präsident eigentlich gar nicht so wichtig ist, wie er in der öffentlichen Debatte geworden ist.

Staeck: Richtig, aber Sie kennen ja die Medienwelt nun genau so gut wie ich. Es geht um Personen irgendwie, weil die Leute sich auch vor den Sachdingen lieber drücken, weil das ja auch kompliziert ist. Es ist nicht ganz einfach zu sagen, was könnte denn jetzt die Akademie in einer Situation wie dieser, wo das, vorsichtig gesagt, das ganze Volk ein bisschen ratlos ist. Dann erwartet man natürlich Sinnstiftung.

Wenn Sie mich fragen, was eine Akademie leisten sollte, müsste - wissen Sie, in Zeiten, wo fasst alles privatisiert wird, wo Sie kaum noch Bühnen haben, auf denen Sie Demokratie üben können, das wird immer enger, speziell im Kulturbereich, das zu verteidigen gilt es, dafür bekommen wir von der Öffentlichkeit Geld. Oder zum Beispiel die ganze Medienfrage. Wenn Sie sich vorstellen wollen, dass demnächst die Kabelbetreiber Fernsehen machen wollen. Da geht es nachher nicht mehr um Inhalte, die Sie und mich interessieren. Da Stellung zu beziehen, einfach auch ein offenes Wort zu sagen, in Situationen, wo alle anderen, aus was für Rücksichten auch immer, schweigen, weil sie die Geldgeber nicht verschrecken wollen, weil sie die bestimmte Abhängigkeiten längst haben und da hätte die Akademie eine Aufgabe.

Um ein Thema noch zu nennen: Urheberrecht. Das ist ein zentrales Thema für alle, die an dieser Akademie Mitglieder sind und die eigentlich in dem Falle auch die anderen Künstler vertreten können, die keine eigene Vertretung haben.

Von Billerbeck: Sie haben ja gerade erwähnt, dass die Akademie auch Stellung beziehen muss in bestimmten Fragen, die jetzt offen sind, zum Beispiel in dem Karikaturenstreit hat die Akademie, wenn ich mich nicht täusche, nicht Stellung bezogen. Das war ja ein sehr drastischer Fall, wo Pressefreiheit eingeschränkt wurde, wo Künstler auch bedroht wurden. Man kann da ja unterschiedlicher Meinung sein, aber wieso passierte da nichts?

Staeck: Das ist ein gutes Beispiel, was Sie da erwähnen. Also als Satiriker ist man da ja ganz persönlich betroffen davon. Ich habe auch mehrere Interviews gegeben, als Person. Günter Grass hat sich geäußert, viele andere haben das auch getan, aber es war für mich etwas merkwürdig, dass in seinem letzten Interview in der "Kulturzeit" der scheidende Präsident gesagt hat, das wäre ein Thema für die Akademie gewesen, im Frühstadium dieses Thema zu behandeln. Dann habe ich mich natürlich gefragt, was sitzt dem für ein Journalist gegenüber. Warum fragt der nicht, warum haben Sie es dann nicht gemacht? Das war ja mein Vorwurf, dass wir immer über Dinge geredet haben im Senat, man müsste, man könnte, man sollte. Ich gehöre zu den Leuten die dann sagen: Na, dann machen wir es doch mal.

Von Billerbeck: Ein FDP-Politiker, Herr Staeck, hat ja eine Reform der Akademie der Künste an Kopf und Gliedern gefordert und daraufhin reagierte der Komponist Udo Zimmermann, der auch mal als Präsident gehandelt wurde zwischenzeitlich, damit, dass mit solchen Äußerungen die Akademie von außen beschädigt werden könnte. Wie groß ist nun der Eigenanteil der Akademie an solchen Beschädigungen?

Staeck: Also als guter Protestant sagt man immer "mea culpa". Da ist man immer mitschuldig, wenn es darum geht, Schuldige zu suchen. Also ich will das gar nicht von der Hand weisen, dass wir Probleme haben. Aber wer hat die eigentlich nicht? In einer, wie sagt man heute, Neuaufstellung? Die Stunde Null gibt es nie, sondern auch wir werden von Jahr zu Jahr älter, wie der Rest der Gesellschaft. Dann aber zu fordern, dafür müssen jetzt die Jüngeren ran... Eine Akademie zeichnet Leute in der Regel auch für ihr Lebenswerk aus, indem sie sie zu Mitgliedern wählt.

Und diese Äußerung von Herrn Otto, von der FDP - jeder weiß ja, wie man heute in die Medien kommen muss, man muss etwas ganz Wildes erklären. Wenn ich schon höre: Erneuerung an Haupt und Glieder, das soll er mir mal erklären, was er damit meint. Nein, wenn Politik sich auch da engagiert, was für einen Kulturausschussvorsitzenden eigentlich ja fast Pflicht wäre, dann erwarte ich eine hilfreiche Unterstützung. Im Sinne von Klärung.

Von Billerbeck: In welchem Sinne?

Staeck: Dass man sagt, was erwartet denn die Politik nun wirklich. Will denn Politik wirklich beraten werden? Also, in mir haben Sie jemanden, der nun wirklich aktiv, seit 40 Jahren intensiv, aktiv in der Politik und Kunst sich bewegt. Ich habe fast überhaupt keinen Politiker, muss ich leider sagen, getroffen, der beraten werden möchte und dann auch den Rat, der hin und wieder gegeben wird, annimmt.

Von Billerbeck: Also es sind alles Sonntagsreden?

Staeck: Es sind ein bisschen Sonntagsreden. Dann gibt es aber Leute, die sagen: Kultur ist wichtig und wir brauchen die Kultur, wenn wir nicht zu sehr auf den Weg der Barbarei geraten wollen. So machen wir auch viele Veranstaltungen zum Beispiel, was alles gar nicht wahrgenommen wird, in Brandenburg, weil wir bisher Berlin-Brandenburgische Akademie waren. Ich selbst war in vielen, vielen Schulen. Rechtsradikalismus ist ein Thema, was man vor Ort besprechen kann. Nicht als Kongress in der Akademie am Hanseatenweg zum Beispiel. Da bin ich jemand, der auch immer getrieben hat, zu sagen: Leute, wir haben eine Verantwortung, wir sind privilegiert, wir werden von der Öffentlichkeit finanziert und diese Verantwortung müssen wir wahrnehmen. Wir sind keine Wärmestube für alternde Künstler. Das war immer klar. Das aber nicht unbedingt alle so denken.

Wissen Sie, es sind auch 370 Einzelgänger. Künstler sind per se in ihrer Arbeit, mit ihrer Arbeit Einzelgänger. Und das zu bündeln, da jemanden zu finden auch, der die Menschen motiviert, der die Mitarbeiter, die zum großen Teil eine wunderbare Arbeit leisten, die so motiviert, dass von uns aus die Leidenschaft dann wieder geweckt wird zu sagen, wir müssen in dieser Gesellschaft, die an vielerlei Verwerfungen leidet im Augenblick, da müssen wir aktiver hineingehen. Wobei immer noch mal gesagt, die Akademie, wenn sie politisch Stellung nimmt, in eine relativ schwierige Lage kommt, 370 Leute mit ganz verschiedenen Meinungen zu repräsentieren.

Von Billerbeck: Wenn am Freitag, Samstag kein Präsident oder keine Präsidentin gewählt wird. Dann gibt es für den schlimmsten Fall die Möglichkeit der Einsetzung eines Staatskommissars. Was würde das für die Akademie bedeuten?

Staeck: Ich bin kein guter Partner für Wenn-dann-Fragen. Ich bin überzeugt, es wir einen geben, es wird Kandidaten geben und die werden auch gewählt werden. Deshalb erübrigt sich diese Spekulation in der Öffentlichkeit, nach Kommissar und was da so alles rumgeistert. Ich habe noch niemand ernstzunehmend gehört, der uns diese Möglichkeit uns angedroht hat.