"Wir sind gesprächsbereit"
Der stellvertretende Ministerpräsident Baden-Württembergs, Ulrich Goll (FDP), pocht auf ein System, das Anreize für die finanzschwachen Länder biete, sich aus eigener Kraft "auf neue Wege zu begeben". Er kritisiert, dass sein Land durch die Umverteilung unverhältnismäßig benachteiligt werde.
Christopher Ricke: Wenn es um viel Geld geht, dann geht es auch schnell um Streit. Und im Länderfinanzausgleich, bei dem sieben Milliarden Euro im Jahr umgeschaufelt werden, wird ordentlich gestritten. Die größten Zahler sind Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, auch Hamburg ist noch bei den Zahlern mit dabei. Alle anderen kriegen was aus dem Topf. Heute nun eine gemeinsame Kabinettssitzung der Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Man berät über die geplante Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich. Ulrich Goll von der FDP ist der stellvertretende Ministerpräsident von Baden-Württemberg, mit ihm habe ich gesprochen und gefragt, Herr Goll, kann denn noch irgendwas den Gang nach Karlsruhe aufhalten?
Ulrich Goll: Nein, den Gang kann man jetzt nicht mehr aufhalten, das haben wir entsprechend beschlossen. Ich meine, Sie haben vorher die Geberländer genannt, man muss Baden-Württemberg als Erstes nennen, weil eigentlich, seit es einen Finanzausgleich gibt, Baden-Württemberg Geberland ist, im Gegensatz beispielsweise auch zu Bayern, die ja lange Nehmerland waren. Man muss auch von allem Anfang immer deutlich machen: Wir machen das nicht sozusagen nach dem schwäbischen Motto "Mir gebet nix" – wir sehen natürlich die Erfordernisse des Grundgesetzes und der Homogenität. Das Einzige, wogegen wir uns wehren, ist, dass wir nach dem Finanzausgleich schlechter abschneiden als vorher.
Ricke: Na ja, jetzt ist aber Solidarität an sich ja nichts Schlechtes. Immer nur nehmen, ohne selbst was zu geben, ist man auch nicht gut. Wo wäre denn ein Weg, den alle Länder gehen könnten?
Goll: Wir stellen uns eben ein System vor, was Anreize lässt, sozusagen sich aus eigener Kraft auf neue Wege zu begeben, wie zum Beispiel Niedersachsen es gemacht hat. Die Niedersachsen haben mal eines Tages die Parole ausgegeben: Wir wollen vom Nehmerland zum Geberland werden. Sie sind dicht davor, das geht auch. Aber im Allgemeinen bestehen eben keine großen Anreize. Denn wenn man sozusagen nur das Hemd aufhalten muss und die Sterntaler hineinfallen, dann ist das nicht gerade förderlich für eine Situation, für ein Land, eben aus eigener Kraft mehr aus seinen Möglichkeiten zu machen.
Ricke: Manchmal werden Länder aber auch geschwächt, wenn zum Beispiel aus Sachsen-Anhalt die besten Ingenieure nach Baden-Württemberg gehen, weil dort die Wirtschaft brummt, weil es dort die Arbeitsplätze gibt. Dann schwächt das natürlich Sachsen-Anhalt, da könnte doch Baden-Württemberg etwas zurückgeben?
Goll: Wir geben ja zurück, wir wollen auch weiter zurückgeben, ist ja keine Frage. Wir wollen uns nicht aus dem Spiel zurückziehen. Es kann nur nicht sein, dass unsere Einwohner pro Kopf nach der Finanzkraft des Landes am Anfang des Verfahrens an der Spitze sind und hinterher im hinteren Drittel. Das geht nicht. Und weil Sie das Beispiel Sachsen-Anhalt genannt haben, es gibt sicher auch andere Beispiele: Sachsen hat sich sehr gut entwickelt, auch in Sachsen-Anhalt gibt es ja übrigens sehr ordentliche Entwicklungen. Sachsen beispielsweise ist ein Land, das hat seinen Haushalt ausgeglichen, Kompliment! Also es ist nicht so, dass es da nicht ginge, wenn man den Wettbewerbsföderalismus ernst nimmt. Aber dann muss es eben jedes Land auch ernst damit meinen, auf eigene Beine zu kommen, statt sich jahrelang einfach nur darauf zu verlassen, dass der Haushalt in Ordnung kommt, weil ein paar Länder in der Republik dann das Geld rüberschieben.
Ricke: Ist das so der Eindruck, den Sie haben, dass zum Beispiel die Berliner sich zurücklehnen und sagen, na ja, die Südländer werden schon zahlen?
Goll: Okay, ich bin nun schon eine ganze Reihe von Jahren im Amt und mich hat es schon 1996 und danach beeindruckt, als ich als Justizminister ins Saarland gefahren bin zur Justizministerkonferenz, und ich habe selber natürlich bei uns dann so Sparpläne aufgestellt, wie man mit dem Geld besser auskommt sozusagen, und habe gemerkt – das muss ich einfach so sagen –, dass damals da gar kein Interesse bestand an den Themen. Bis ich dann rausbekommen habe, dass natürlich der Spardruck nicht groß war, im Gegensatz sogar die Lehrer besser bezahlt waren als bei uns. Und dann habe ich gedacht, also so geht es dann eben auch nicht, dass man sich darauf verlässt, dass das Geld aus dem Finanzausgleich kommt.
Ricke: Ihr Ministerpräsident Stefan Mappus von der CDU hat sich jetzt am Wochenende durchaus kompromissbereit gezeigt in einem Interview, er sagt, es sei akzeptabel, wenn man für die nächsten Jahre bei den Zahlungen bliebe und man einen Übergang vereinbaren würde. Das klingt für mich ganz anders als die Aussage: Wir gehen vor das Bundesverfassungsgericht! Täuscht mich mein Eindruck, ist da der Tiger schon als Bettvorleger gelandet, bevor er überhaupt losgesprungen ist?
Goll: Nein, aber man muss eben klarmachen: Wir sind ja nicht irgendwie radikal oder sagen, die anderen sind uns egal, darum geht es gar nicht. Wir werden auch schauen, dass man natürlich politisch diskutiert, wobei ich in den letzten Jahren natürlich auch die Erfahrung gemacht habe, wenn es ums Geld geht, lächelt sozusagen alles mit chinesischer Höflichkeit und ist im Übrigen nicht sehr bewegungsbereit. Nein, wir waren ja mal beim Bundesverfassungsgericht und es ist schon eine bestimmte Logik drin, jetzt zu fragen, wie sieht es heute das Bundesverfassungsgericht. Denn das Bundesverfassungsgericht damals hat durchaus festgestellt, dass die Sache so, wie sie war, nicht in Ordnung ist. Dass aber dann diese Rechtsprechung doch wieder völlig aufgefangen wurde, sodass es heute fast schlimmer ist als damals, dürfte auch dem Bundesverfassungsgericht zu denken geben. Und drum ist es auch richtig, dieses Gericht noch mal draufschauen zu lassen. Parallel werden wir natürlich verhandeln. Wir sind gesprächsbereit, wir sind auch zahlungsbereit, wenn man so will, wir sind nur dagegen, dass der Finanzausgleich die Sache sozusagen auf den Kopf stellt.
Ricke: Ulrich Goll von der FDP, er ist stellvertretender Ministerpräsident Baden-Württembergs, vielen Dank, Herr Goll!
Goll: Ich danke!
Links bei dradio.de:
"Die drei Geberländer haben in großen Punkten recht"
Sachsens Ministerpräsident zur geplanten Klage gegen den Länderfinanzausgleich (DLF)
Die Klage der Geberländer Bayern, Hessen und Baden-Württemberg stellen den Länderfinanzausgleich infrage (DLF)
Ulrich Goll: Nein, den Gang kann man jetzt nicht mehr aufhalten, das haben wir entsprechend beschlossen. Ich meine, Sie haben vorher die Geberländer genannt, man muss Baden-Württemberg als Erstes nennen, weil eigentlich, seit es einen Finanzausgleich gibt, Baden-Württemberg Geberland ist, im Gegensatz beispielsweise auch zu Bayern, die ja lange Nehmerland waren. Man muss auch von allem Anfang immer deutlich machen: Wir machen das nicht sozusagen nach dem schwäbischen Motto "Mir gebet nix" – wir sehen natürlich die Erfordernisse des Grundgesetzes und der Homogenität. Das Einzige, wogegen wir uns wehren, ist, dass wir nach dem Finanzausgleich schlechter abschneiden als vorher.
Ricke: Na ja, jetzt ist aber Solidarität an sich ja nichts Schlechtes. Immer nur nehmen, ohne selbst was zu geben, ist man auch nicht gut. Wo wäre denn ein Weg, den alle Länder gehen könnten?
Goll: Wir stellen uns eben ein System vor, was Anreize lässt, sozusagen sich aus eigener Kraft auf neue Wege zu begeben, wie zum Beispiel Niedersachsen es gemacht hat. Die Niedersachsen haben mal eines Tages die Parole ausgegeben: Wir wollen vom Nehmerland zum Geberland werden. Sie sind dicht davor, das geht auch. Aber im Allgemeinen bestehen eben keine großen Anreize. Denn wenn man sozusagen nur das Hemd aufhalten muss und die Sterntaler hineinfallen, dann ist das nicht gerade förderlich für eine Situation, für ein Land, eben aus eigener Kraft mehr aus seinen Möglichkeiten zu machen.
Ricke: Manchmal werden Länder aber auch geschwächt, wenn zum Beispiel aus Sachsen-Anhalt die besten Ingenieure nach Baden-Württemberg gehen, weil dort die Wirtschaft brummt, weil es dort die Arbeitsplätze gibt. Dann schwächt das natürlich Sachsen-Anhalt, da könnte doch Baden-Württemberg etwas zurückgeben?
Goll: Wir geben ja zurück, wir wollen auch weiter zurückgeben, ist ja keine Frage. Wir wollen uns nicht aus dem Spiel zurückziehen. Es kann nur nicht sein, dass unsere Einwohner pro Kopf nach der Finanzkraft des Landes am Anfang des Verfahrens an der Spitze sind und hinterher im hinteren Drittel. Das geht nicht. Und weil Sie das Beispiel Sachsen-Anhalt genannt haben, es gibt sicher auch andere Beispiele: Sachsen hat sich sehr gut entwickelt, auch in Sachsen-Anhalt gibt es ja übrigens sehr ordentliche Entwicklungen. Sachsen beispielsweise ist ein Land, das hat seinen Haushalt ausgeglichen, Kompliment! Also es ist nicht so, dass es da nicht ginge, wenn man den Wettbewerbsföderalismus ernst nimmt. Aber dann muss es eben jedes Land auch ernst damit meinen, auf eigene Beine zu kommen, statt sich jahrelang einfach nur darauf zu verlassen, dass der Haushalt in Ordnung kommt, weil ein paar Länder in der Republik dann das Geld rüberschieben.
Ricke: Ist das so der Eindruck, den Sie haben, dass zum Beispiel die Berliner sich zurücklehnen und sagen, na ja, die Südländer werden schon zahlen?
Goll: Okay, ich bin nun schon eine ganze Reihe von Jahren im Amt und mich hat es schon 1996 und danach beeindruckt, als ich als Justizminister ins Saarland gefahren bin zur Justizministerkonferenz, und ich habe selber natürlich bei uns dann so Sparpläne aufgestellt, wie man mit dem Geld besser auskommt sozusagen, und habe gemerkt – das muss ich einfach so sagen –, dass damals da gar kein Interesse bestand an den Themen. Bis ich dann rausbekommen habe, dass natürlich der Spardruck nicht groß war, im Gegensatz sogar die Lehrer besser bezahlt waren als bei uns. Und dann habe ich gedacht, also so geht es dann eben auch nicht, dass man sich darauf verlässt, dass das Geld aus dem Finanzausgleich kommt.
Ricke: Ihr Ministerpräsident Stefan Mappus von der CDU hat sich jetzt am Wochenende durchaus kompromissbereit gezeigt in einem Interview, er sagt, es sei akzeptabel, wenn man für die nächsten Jahre bei den Zahlungen bliebe und man einen Übergang vereinbaren würde. Das klingt für mich ganz anders als die Aussage: Wir gehen vor das Bundesverfassungsgericht! Täuscht mich mein Eindruck, ist da der Tiger schon als Bettvorleger gelandet, bevor er überhaupt losgesprungen ist?
Goll: Nein, aber man muss eben klarmachen: Wir sind ja nicht irgendwie radikal oder sagen, die anderen sind uns egal, darum geht es gar nicht. Wir werden auch schauen, dass man natürlich politisch diskutiert, wobei ich in den letzten Jahren natürlich auch die Erfahrung gemacht habe, wenn es ums Geld geht, lächelt sozusagen alles mit chinesischer Höflichkeit und ist im Übrigen nicht sehr bewegungsbereit. Nein, wir waren ja mal beim Bundesverfassungsgericht und es ist schon eine bestimmte Logik drin, jetzt zu fragen, wie sieht es heute das Bundesverfassungsgericht. Denn das Bundesverfassungsgericht damals hat durchaus festgestellt, dass die Sache so, wie sie war, nicht in Ordnung ist. Dass aber dann diese Rechtsprechung doch wieder völlig aufgefangen wurde, sodass es heute fast schlimmer ist als damals, dürfte auch dem Bundesverfassungsgericht zu denken geben. Und drum ist es auch richtig, dieses Gericht noch mal draufschauen zu lassen. Parallel werden wir natürlich verhandeln. Wir sind gesprächsbereit, wir sind auch zahlungsbereit, wenn man so will, wir sind nur dagegen, dass der Finanzausgleich die Sache sozusagen auf den Kopf stellt.
Ricke: Ulrich Goll von der FDP, er ist stellvertretender Ministerpräsident Baden-Württembergs, vielen Dank, Herr Goll!
Goll: Ich danke!
Links bei dradio.de:
"Die drei Geberländer haben in großen Punkten recht"
Sachsens Ministerpräsident zur geplanten Klage gegen den Länderfinanzausgleich (DLF)
Die Klage der Geberländer Bayern, Hessen und Baden-Württemberg stellen den Länderfinanzausgleich infrage (DLF)