"Wir müssen schnell handeln"
Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth ist optimistisch, dass das zweite Konjunkturprogramm der Bundesregierung nicht wirkungslos verpuffen wird. Das Konjunkturpaket II sei kein "Impuls zum Verbrennen von Kapital" sagte die CDU-Politikerin.
Deutschlandradio Kultur: Zwei Drittel der Deutschen glauben nach neuesten Umfragen nicht, dass die Wirtschaftskrise in Deutschland mit Hilfe des zweiten Konjunkturprogramms wirksam bekämpft werden kann. Frau Roth, teilen Sie diese Skepsis?
Petra Roth: Als Bürger kann ich verstehen, dass die Skepsis bei zwei Dritteln vorhanden ist. Als Kommunalpolitikerin, als Oberbürgermeisterin und seit vielen, vielen Jahren mit städtischen Haushaltsfragen beschäftigt, ist das nicht so. Wir haben durch die Krise, auf die ich verzichten könnte, die Möglichkeit mit einer veränderten Geschwindigkeit Investitionsstaus in den Kommunen abzubauen.
Dazu muss man wissen, dass 70 Prozent aller Investitionen in der Bundesrepublik aus den Kommunen kommen. Wir, die Kommune, die Stadt ist der Auftraggeber für den Neubau einer Schule, den Neubau eines Kindergartens, die Straßensanierung, von Fahrstühlen, die U-Bahnen mit der Nullebene verbinden. Das sind alles Investitionsmaßnahmen in Bau, Steine, Erden, also nicht im Konsumbereich. Deshalb sage ich hier ganz überzeugungsstark aus Erfahrung: Dieses Konjunkturprogramm II der Bundesrepublik – wenn die Förderrichtlinien so ausfallen, wie wir das als Kommunale wollen, dass wir in Infrastruktur investieren – wird greifen. Die Begründung, warum es greifen wird und warum es für die Bürger wichtig ist, ist, dass damit Arbeitsplätze gesichert werden, dass damit die Auftragsbücher, die noch in diesen ersten sechs, sieben Monaten gefüllt sind, nicht abstürzen, sondern im Anschluss weiter Auftrag haben und dadurch Kurzarbeit und wenig Arbeitslosigkeit die Folge sein wird.
Deutschlandradio Kultur: Frankfurt am Main ist eine reiche Stadt, eine Bankenmetropole. Warum braucht diese Stadt zusätzliches Geld aus dem Konjunkturpaket II?
Petra Roth: Also, wir brauchen das gar nicht. Ich will es. Wenn ich "ich" sage, meine ich die Stadt Frankfurt. Es ist ja so, dass hier die Finanzierung bei dem Konjunkturpaket II über den Bund läuft und dass an die Länder ausgezahlt wird. Sie müssen eine gewisse Garantie leisten. Sie müssen auch bei anderen Programmen des Bundes eine Gegenfinanzierung leisten. Frankfurt am Main ist, so wie Sie es geschildert haben, eine effiziente Stadt, eine Stadt mit viel Arbeit und vielen Arbeitsplätzen und Unternehmen. Es ist eine einkommensstarke Steuerstadt. Wir haben einen soliden Haushalt. Wir haben keine Nettoneuverschuldung im zweiten Jahr. Wir haben Schulden abgebaut, so dass wir eine Kreditaufnahme zur Finanzierung einer Infrastruktur leisten können.
Und – jetzt wiederhole ich mich – diese Maßnahmen des Bundes geben jetzt den Kommunen die Möglichkeit, den Investitionsstau, den die Kommunen nachweislich haben, im letzten Jahr allein 63 Milliarden in der Bundesrepublik, abbauen können. Also, hier hat eine Beschleunigung stattgefunden. Etwas Vermögen und Kapital auch als Stadt zu besitzen, ist immer von Vorteil, um in Krisen dann flexibel reagieren zu können. Wir nehmen jeden Cent, den das Land Hessen in seinem Landesförderprogramm jetzt den Kommunen anbietet, ab, weil wir es uns leisten können und damit den Bürgern helfen.
Deutschlandradio Kultur: Aber Frau Roth, Sie sind zum einen Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt, andererseits auch Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages. Jetzt könnte man auch sagen, dieses Gießkannenprinzip, jede Kommune kriegt proportional gleich viel, ist eigentlich Quatsch. Gebt schwachen Städten, wie beispielsweise Offenbach, mehr. Die haben kaum ihren Haushalt irgendwie solide hingekriegt. Frankfurt kann darauf verzichten. Insgesamt haben alle mehr davon.
Petra Roth: Jetzt bin ich ja Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main. Darauf wollen wir nicht verzichten. Das ist eine Chance es zu nehmen. Wir haben die Programme in den Schubladen. Wir arbeiten jetzt auch immer auf den Arbeitsmarkt bezogen mit der Handwerkskammer Rhein-Main zusammen. Wir werden die Ausschreibung unter 5 Millionen festsetzen, so dass wir nicht europaweit ausschreiben müssen. Es ist zur Zeit eine große Diskussion, und die Bundeskanzlerin sagte vor wenigen Tagen beim Städtetag in einem Gremium, dass die Förderrichtlinien Anfang März rauskommen sollen, inwieweit Kommunen zum Nulltarif diese Mittel bekommen und wie weit andere was leisten müssen. Da vertraue ich auch auf die Bundeskanzlerin, dass hier mit einem sozialen Ausgleich nach der Bedeutung von Städten, die sich entwickeln müssen, eine Entscheidung getroffen wird.
Das möchte ich noch mal erwähnen: Es ist nicht ein Konjunkturprogramm, was dem Konsum dient. Es ist ein Konjunkturprogramm, was der Investition, der Infrastruktur in den Städten dient, und damit werden wir Arbeitsplätze und damit auch – Städte besitzen ja etwas, wir besitzen Museen, wir besitzen Kindergärten, wir besitzen kommunale Unternehmen – eine Sanierung und Modernisierung in diesen kommunalen Unternehmen finanzieren und damit den Mehrwert unserer kommunaleigenen Wirtschaft verbessern. Das ist ein geschlossener Kreislauf. Das ist nicht ein Impuls zum Verbrennen von Kapital, sondern es ist ein Impuls zur Verbesserung eines neuwertigen Infrastrukturprogramms.
Deutschlandradio Kultur: Aber man muss sehen, es ist schuldenfinanziert. Diese Schulden müssen auch wieder zurückgezahlt werden.
Petra Roth: Ja, vom Bund und vom Land, das ist richtig. Und wir setzen um. Wir zahlen bei diesem Programm die Tilgung. Das muss man sich mal überlegen. Das heißt, nach einer gewissen Zeit gehört es uns dann auch.
Deutschlandradio Kultur: Müssen Sie da nicht hoffen, dass die Krise möglichst lange dauert, damit dieser schöne warme Geldregen anhält?
Petra Roth: Nein. Ich verstehe die Frage schon richtig. Man kann auf jede Krise verzichten. Aber man muss vorbereitet sein auf eine Krise. Und diese Krise ist ja verhältnismäßig abrupt in die Bundesrepublik eingedrungen. Dass wir als Stadt Frankfurt handeln können, das möchte ich anderen als Vorbild auch vermitteln, zeigt, dass Kommunalpolitik, wenn sie verantwortungsbewusst gemacht wird, immer auf Krisen eingestellt ist. Aber die Intensität unserer Leistungskraft als Kommune gilt dem Arbeitsmarkt und damit den Menschen, die eine Arbeit haben und im Gestaltungsprozess dabei sein wollen.
Deutschlandradio Kultur: Dann müssen Sie aber eigentlich relativ irritiert sein. Michael Glos, der Bundeswirtschaftsminister, sagt diese Woche: Vielleicht schaffen wir es schon im Frühjahr oder im Frühsommer, dass wir aus dieser Konjunkturdelle rauskommen. Bis Sie das Geld haben, bis Sie es einsetzen, bis es wirksam wird, sind wir möglicherweise schon wo ganz anders, wo wir es nicht mehr brauchen. Hat Michael Glos nicht Recht oder sind wir alle im Moment viel zu hektisch bei dem Versuch, so schnell wie möglich viel Geld irgendwo unterzubringen?
Petra Roth: Zur Prognose, ich habe das auch zum Teil im Fernsehen gesehen und gelesen, von Michael Glos sage ich nichts dazu. Ich halte mich jetzt an den BDI, der auch keine Prognosen mehr abgibt. Keiner weiß es. Aber wenn Geld wirklich nicht ausgegeben werden muss, weil die Krise vorbei ist, dann haben beide Seiten gewonnen. Dann ist die Krise nicht gekommen, die Menschen haben keine Benachteiligung und der Staat hat dieses Geld nicht ausgeben müssen.
Noch einmal wieder auf Frankfurt: Die Bundeskanzlerin hat gesagt, im März gibt es diese Förderrichtlinie. Wenn es aber wirklich länger dauert, sind wir in der Lage, durch ein Investitionsprogramm, was Städte aufstellen müssen, 400 Millionen Euro in diesem Jahr nur für Frankfurt ausgeben zu können.
Da ist es unwichtig, ob Förderprogramme – vom Bund aufgelegt – bei uns bestätigt werden. Wir fördern mit diesen 400 Millionen in Frankfurt in diesem Jahr den Museumsneubau, weitere Kindertagesstätten, die Oberflächengestaltung von Straßen, die so genannten Schlaglöcher, wie man sagt. Die Zeil, deutschlandweit bekannt, ist mit zwölf Millionen jetzt in eine wunderschöne Einkaufsmeile verwandelt worden. Wir machen die Zufinanzierung in der Optik des urbanen Bildes zu den privaten Leistungen, die wir in der Stadt haben.
Deutschlandradio Kultur: Was machen Sie denn zusätzlich?
Petra Roth: Moment! Dieses Geld geht jetzt in den Markt. Diese 400 Millionen sind abrufbereit da. Die Pläne sind da. Und 100 Millionen können wir noch mal für Schulbauten beim Land erwarten. Die können wir finanzieren. 200 Millionen noch mal für Hochschule und dann wieder aus einem Infrastrukturprogramm zusätzliche Infrastrukturstraße, Grünanlage. Und ich habe eine Vorstellung. Ich möchte, dass das Land Hessen, wie aber auch die Bundesregierung in diese Förderrichtlinien auch die Förderung von Sportstätten einbezieht. Sportstätten, das ist der Sportplatz, auf dem die Pädagogik des Fairplay und der Integration unter wettkampfbedingten Voraussetzungen eingeübt wird. Sport in einer gedeckten Halle ist Gesundheitspolitik. Sport ist eine Form der Kommunikation unter den Nationen und Generationen. Das ist dringend notwendig in dieser Bundesrepublik Deutschland. Hier tun wir auch etwas. Egal, was kommt, wir haben ein Angebot umsetzen zu können.
Deutschlandradio Kultur: Dann frage ich Sie noch mal als Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages: Nicht alle Kommunen sind so reich wie Frankfurt. Was sollen die machen, wenn sie nicht mal das Geld, die Co-Finanzierung hinkriegen? Einfach auf das Geld verzichten oder können Kommunen sich untereinander helfen?
Petra Roth: Nein, um Gottes Willen. Ich kenne ja meine Kollegen und deren Befindlichkeit und deren Haushaltslage zum Teil sehr gut. Wir hatten ja schon Anfang diesen Jahrestausends, als die Gewerbesteuer so wegbrach, die Kommunen, die gar nicht den ganz besonderen Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau nehmen konnten. Hier muss man dann Sonderkonditionen machen. Die Bundeskanzlerin hat dies auch signalisiert. Ich plädiere dafür, dass die Kommunen, die ja eine Leistung für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung stellen – nicht nur Bildung, sondern von Straßen oder, nehmen Sie in Frankfurt in der Region den Flughafen, da partizipieren ja alle davon -, dieses umsetzen können. Da muss dann der Bund echt eine Vorleistung bringen und auch vielleicht die Bundesfinanzierung für kommunale Leistungen übernehmen.
Es ist nicht einfach, denn die Kommunen bestehen zu recht auf die kommunale Selbstverwaltung. Und der Bund kann keine Mittel direkt zur Kommune geben. Das muss alles in Ausführungsrichtlinien geregelt werden. Aber ich bleibe auch dabei, dass Städte wie Frankfurt, die gibt es ja auch noch in der Republik, diese Maßnahmen mit einem Finanzierungsanteil dann leisten müssen. Dann bleibt mehr für die Kommunen, die nicht können, weil es der gesamten Bevölkerung, dem Arbeitsmarkt, der Exportnation Deutschland hilft, hier Projekte zu finanzieren.
Deutschlandradio Kultur: Und fürs Tilgen muss man da feste Pläne machen? Kann man den Kommunen da überhaupt Vorschriften machen? Der rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel von der SPD hat gefordert, es muss da feste Pläne geben, wie Kommunen diese Schulden abtragen müssen.
Petra Roth: Immer. Kommunen können nicht Pleite gehen, wie man sagt. Kommunen haben auch eine Kommunalaufsicht. Also, entweder ist es der Regierungspräsident für die kleineren Städte. Für Frankfurt ist es das Innenministerium. Und die geben uns das vor. Die kontrollieren und genehmigen ja auch unseren Haushalt, in dem die Schuldenmarge festgesetzt wird. Manchmal wird ein Haushalt nicht genehmigt, wenn eine Kommune zu hohe Schulden drin stehen hat. Die werden jetzt genau reinschreiben, in welchen Margen wir diese Eigenfinanzierung oder Beteiligung an dem Kredit des Bundes oder der Länder zu bedienen haben. Die liegen aber noch nicht vor.
Deutschlandradio Kultur: Gehen wir mal davon aus, das Konjunkturpaket II kommt und es kommt bald.
Petra Roth: Es muss kommen und es soll so schnell wie möglich kommen. Darf ich das auch sagen? Ich habe am Dienstag in Berlin die Bundeskanzlerin gebeten, im Namen der Städte darauf zu dringen, dass Ausführungsbestimmungen an die Länder ergehen, die Kommunen zu berücksichtigen – unabhängig davon, ob sie es finanzieren können oder nicht, und zwar schnell, damit die Auftragsnachfolge im heutigen Arbeitsmarkt gesichert ist. Das hat mit Kurzarbeit zu tun und Arbeitsaufträgen.
Deutschlandradio Kultur: Also, es soll schnell gehen. Kommunale Unternehmen sollen Aufträge bekommen. Manchmal braucht man ja auch Genehmigungsverfahren.
Petra Roth: Und die freie Wirtschaft, nicht kommunale Unternehmen. Das sind PPP-Projekte. Das ist auch noch strittig im Bund, ob man die aufnehmen soll. Ich sage, ja, denn es nutzt der Gesamtwirtschaft und es ist ein Teil der Privatfinanzierung, die damit ihre Arbeitsplätze sichert unter der Beteiligung der Kommune.
Deutschlandradio Kultur: Okay, gehen wir davon aus, Sie wollen zusätzlich was machen, sagen wir mal, einen Sportplatz bauen. Dafür braucht man Genehmigungsverfahren. Das dauert. Man muss ausschreiben. Man muss gucken, wie viel Unternehmen sich bewerben, wer der günstigste ist. Aber alles soll schnell gehen. Man hat den Eindruck, lieber schnell als langfristig geplant. Weil, wenn Sie das Geld nicht abgreifen, müssen Sie das, was Sie nicht genommen haben, möglicherweise, wenn es schlecht kommt, Ende 2010 wieder zurück überweisen. Macht das Sinn?
Petra Roth: Wir in Frankfurt und in anderen Städten haben Schubladenpläne. Wir können sofort ein Projekt mit einer parlamentarischen Mehrheit beschließen und rausgeben. Und jetzt, das sagte ich vorhin schon, ist es wichtig, dass wir bei diesen Projekten unter fünf Millionen Investition bleiben, weil wir die europäische Vergaberichtlinie haben. Jede Maßnahme über fünf Millionen muss europaweit ausgeschrieben werden. Die Bundesregierung hat sich darum bemüht, diese fünf Millionen im Anbetracht der Krise auf zehn Millionen zu erhöhen. Das ist in Europa beim Kommissar für Vergabe abgelehnt worden. Aber wir Kommunen sind wach genug, jetzt kleine Projekte zu machen. Wir machen, Beispiel in Frankfurt, Sie kennen alle das Städel, dort die Städelschule. Das ist jetzt eine Maßnahme, die durch die Krise ermöglicht wird. Es ist eine Maßnahme unter fünf Millionen. Wir melden die an. Es ist eine Kultur- und Bildungseinrichtung und läuft dann schnell.
Und die Qualität der Leistung möchte ich überhaupt nicht in Zweifel ziehen. Und ich finde mich mit dem Finanzminister in der Aussage wieder, der sagt, dieses Konjunkturprogramm soll kein Konsumprogramm sein, sondern eine Investition in die Infrastruktur. Das heißt, eine Wertschöpfungskette neuerer Art eröffnen und einen Mehrwert schaffen. Da sind diese Maßnahmen, die ich Ihnen aus großen Städten erzähle, richtig. Ein Sportplatz kostet keine fünf Millionen. Also, für fünf Millionen bekommen Sie auch eine sehr ordentliche dreizügige Schule. Sie müssen das vom Planungsrecht früher haben. Sie müssen das in den B-Plänen haben. Aber vorausschauende Kommunalpolitik, Bürgermeister wissen, was sie ihren Bürgern verpflichtet sind. Da ist einfach Tagespolitik gefragt.
Deutschlandradio Kultur: Ist das dann die Methode, dieses Stückeln von Aufträgen, wie man auch die kleinen und mittleren Unternehmen vor Ort beteiligen und profitieren lassen kann?
Petra Roth: Also, für Großstädte ist die Fünf-Millionen-Grenze schon eine arge Einschnürung. Wir haben da vorgestern auch drüber gesprochen. In kleineren Städten, ich sagte eben, was ein Sportplatz kostet und eine Schule, da geht das. Aber wir haben da auch mit München drüber gesprochen, die es ebenfalls so versuchen zu handhaben. Und da die Krise in Europa ist und da das Vergaberecht europäisch ist - ich war vor Kurzem mit meiner Kollegin aus Mailand zusammen, die das als einen hochinteressanten Vorschlag empfand und sagte, wir wollen uns mal austauschen – gilt das für Mailand genauso, kleine Stücke, Pakete zu machen. Aber die können Sie sich nicht jetzt ausdenken, sondern diese kleinen Pakete müssen Sie schon haben, wie hier die Städelschule oder das jüdische Museum. Das sind alles Maßnahmen, wo wir wissen, die kosten keine fünf Millionen.
Deutschlandradio Kultur: Stichwort Personal: Der größte Teil der Mittel soll ja in Hochschulen und Schulen fließen, aber dort in die Sanierung. Da sagen die Grünen, die hier in Frankfurt am Main mit am Ruder sind: Man investiert in Beton und nicht in Köpfe. Wäre es nicht besser, man würde zusätzliche Lehrer einstellen können?
Petra Roth: Das ist nun auch in Frankfurt etwas anders mit den Grünen. Wir haben eine Goethe-Universität. Das Land hat in den letzten Jahren 1,3 Milliarden investiert in Neubau, hat gleichzeitig aber auch – dadurch, dass es eine Stiftungsuniversität ist – viele Sponsoren gewonnen. Wir haben jetzt Stiftungslehrstühle. Auch die Stadt Frankfurt bezahlt mit kommunalen Unternehmen Stiftungslehrstühle. Ob der Flughafen, wo wir beteiligt sind, Logistik macht oder die Messe die soziale Marktwirtschaft, da wird Personal, da wird also geistiger Transfer in Form von Vermittlung der Pädagogen an die Schüler geleistet durch kommunale Finanzierung. Auch in Frankfurt stellen wir mehr Betreuungspersonal im frühkindlichen Bereich ein, als die Landesrichtlinien sind. Diese Stadt Frankfurt gibt über 400 Millionen im Jahr für Bildung aus – frühkindliche Bildung, im Bildungsbereich bis rüber in den Jugendbereich und Sozialbereich, alles Bildung, den Abschluss, den Hauptschulabschluss für Schüler sichern mit kommunalen Begleitprogrammen, zusätzliches Betreuungspersonal.
Deutschlandradio Kultur: Also, Fazit: Genügend Geld für Köpfe?
Petra Roth: Es kann auch mehr werden. Es kann aber nicht dahin kommen, dass wir 1:1, dass jedes Kind also eine Betreuungsperson zur Bildung braucht. Das heißt, wir müssen kleine Klassen haben, wir müssen eine Curricula haben, wir müssen modern, international, transparent Lehr- und Lernangebote haben, um uns europäisch auszutauschen. Und wir müssen auch in den neuen Berufen, die es gibt, die wieder in Frankfurt auch Arbeitsplätze haben, die sich alle aus der Internetpolitik ableiten, investiv sein. Das heißt wieder, dass die Kommune Grundstücke zur Verfügung stellt. Breitband haben wir, das haben wir finanziert, wir haben es dann freigegeben, dass wir großartig modern vernetzt sind. Es ergibt eins das andere. Aber grundsätzlich ist der Ausspruch auch richtig: Nicht in Beton, sondern in Köpfe.
Deutschlandradio Kultur: Frau Roth, seit letztem Sonntag wissen wir, dass Hessen demnächst wieder stabil regiert wird, und zwar von Schwarz-Gelb. Frankfurt, da, wo wir im Moment sind, wird von einer schwarz-grünen Regierung getragen. Gibt es eigentlich, was Investitionsprojekte angeht, Unterschiede zwischen Schwarz-Gelb und Schwarz-Grün?
Petra Roth: Nein. Wir haben die schwarz-grüne Koalition geschlossen, weil wir auch rechnerisch eine Mehrheit hatten. Eine andere Mehrheit war nicht möglich vor drei Jahren. Und wir haben sie voller innerer Überzeugung geschlossen, weil wir gemeinsame Ziele verwirklichen konnten, wie wir Frankfurt als Wirtschaftsmetropole, als Stadt der Wissenschaften nach vorne bringen. Das ist in Wiesbaden als Landesregierung ja nicht so gesehen worden. Und wenn die FDP sich jetzt in dieses Kabinett einbringt mit großstädtischem Anspruch, dass das Land Hessen Städte wie Kassel, Darmstadt und Frankfurt urban fördern soll, dann ist das eine ziemliche Parallelität zwischen der Großstadtpolitik Frankfurt – Schwarz-Grün – und einer Landespolitik – Schwarz-Gelb, die sich auf die Zentren konzentriert.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem wollte ich noch mal nachfragen, weil Sie als CDU-Politikerin möglicherweise, wie Ole von Beust in Hamburg, eine städtische CDU präsentieren, die sich vielleicht von dem unterscheidet, was Herr Koch präsentiert.
Petra Roth: In der Tat. Wir sind ein eigenständiger Kreisverband. Ein Landesverband hat Kreisverbände und Frankfurt ist die Großstadtpartei. Ich war auch lange Vorsitzende der Frankfurter CDU. Und die Programme, die wir schreiben, sind nicht unbedingt identisch mit dem Landesprogramm, weil wir uns an den Bedürfnissen und Bedarfen, die eine Stadt entwickelt, orientieren. Wir haben mit Schwarz-Grün jetzt einheitlich ein traditionelles Gymnasium beschlossen. Auch diese Mittel stehen im Haushalt. Wir haben mit den Grünen den Ausbau der frühkindlichen Erziehung gemacht. Wir haben mit den Grünen die Maßnahmenfinanzierung rund um den Flughafen, die ja sonst gegen den Flughafen sind, Infrastruktur gemacht. Der grüne Partner in Frankfurt ist, genauso wie wir, großstädtisch ausgerichtet. Ich bin sehr glücklich darüber, dass die Landesregierung jetzt mit dem neuen Kultusminister, mit Herrn Banzer, ein Bildungsprogramm auflegt, was der Großstadt gerecht wird.
Wir dürfen nicht vergessen, dass Kinder nicht nur 8 Stunden in der Schule zum kognitiven Lernen sein wollen, sondern dass das Lebensräume sind. Das heißt, der Schulraum, nicht das Klassenzimmer, der Schulraum muss sich verändern. Das muss ein Gelände des Wohlbefindens sein. Und dass wir dieses unterstützen, das sind alles – ich denke – Erfolge, die in Frankfurt getätigt werden, die jetzt das Land übernimmt.
Deutschlandradio Kultur: Sie sind ja vor zwei Jahren zum dritten Mal zur Oberbürgermeisterin gewählt worden. Ihre Amtszeit läuft bis 2013. Wenn wir mal in das Jahr blicken und annehmen, Schwarz-Grün ist dann vielleicht noch am Ruder, der Finanzplatz Frankfurt hat die Krise gut überstanden, was ist dann im Jahr 2013 das Besondere, das Prägende, das Attraktive an Frankfurt am Main?
Petra Roth: Also, Frankfurt sollte nach meinen Wünschen dann immer noch eine der führenden deutschen Städte sein. Wir kämpfen hart da drum. Auch andere Väter haben schöne Töchter. Da wollen wir gar nicht das Licht unter den Scheffel stellen. Auch andere Städte können etwas. Frankfurt muss sich auf das besinnen, was wir besonders gut können. Das ist Wirtschaft, die Vielfalt der Wirtschaft. Frankfurt ist an der Geographie verkehrspolitisch hervorragend über seine Geschichte angebunden. Dazu bedarf es des Ausbaus des Flughafens, der ja jetzt in die nächste Umsetzungsphase geht, was wichtig für ganz Deutschland ist. Und Frankfurt sollte – und die Geschichte Frankfurts beweist, dass wir das können – sich der neuen Herausforderungen annehmen.
Die Globalisierung hat in Frankfurt sehr früh begonnen. Ich möchte, dass Frankfurt auch die modernen elektronischen Arbeitsplätze und vor allen Dingen auch das Know-how, wie die Zukunft des Arbeitsplatzes in Metropolregionen bewältigt wird, umsetzen kann. Das heißt, die Kreativen sollen hier ein Zuhause finden. Die Kreativen sollen bis dahin mehr Chancen bekommen. Das sind Software-Firmen. Das ist die Intelligenz, die ich haben will, die Wissensnomaden. Wenn wir solch ein Zentrum der neuen Wertschöpfung von Arbeit über die Geisteswissenschaften vermitteln können, über Universitäten und Unternehmen, dann bieten wir der Region eben ein Stück Heimat auch, in der man eine Sicherheit sieht, in der Familienphase, Arbeit und Freizeit für das zu haben, was am wichtigsten ist – Kinder, Partner und Lebensqualität.
Und die Umwelt, auch da sind wir führend. Wir machen es uns ja auch nicht leicht, indem wir hier die Umweltzonen eingeführt haben. Viele haben geschimpft dagegen, haben gesagt, es ist albern, es bringt nichts. Doch, es bringt pädagogisch schon etwas, dass die Menschen wissen, die Welt ist nur einmal so da und wir müssen die Ressourcen, die wir haben, schützen. Dass die Deutsche Bank, DAS Umwelthaus der Welt in Frankfurt erstellt, dass andere nachfolgen, dass wir Kriterien erarbeiten werden, wie Hochhäuser der Zukunft auszusehen haben mit dem Nachhaltigkeitsprinzip der Greentowers, das wünsche ich mir für Frankfurt, dass man sagt: Frankfurt ist topp.
Deutschlandradio Kultur: Ganz kurz zum Schluss: Hamburg bewirbt sich jetzt als Umwelthauptstadt Europas. Wann macht das Frankfurt?
Petra Roth: Salopp würde ich da drauf sagen: Die einen bewerben sich, die anderen tun’s.
Deutschlandradio Kultur: Frau Roth, vielen Dank für das Gespräch.
Petra Roth: Als Bürger kann ich verstehen, dass die Skepsis bei zwei Dritteln vorhanden ist. Als Kommunalpolitikerin, als Oberbürgermeisterin und seit vielen, vielen Jahren mit städtischen Haushaltsfragen beschäftigt, ist das nicht so. Wir haben durch die Krise, auf die ich verzichten könnte, die Möglichkeit mit einer veränderten Geschwindigkeit Investitionsstaus in den Kommunen abzubauen.
Dazu muss man wissen, dass 70 Prozent aller Investitionen in der Bundesrepublik aus den Kommunen kommen. Wir, die Kommune, die Stadt ist der Auftraggeber für den Neubau einer Schule, den Neubau eines Kindergartens, die Straßensanierung, von Fahrstühlen, die U-Bahnen mit der Nullebene verbinden. Das sind alles Investitionsmaßnahmen in Bau, Steine, Erden, also nicht im Konsumbereich. Deshalb sage ich hier ganz überzeugungsstark aus Erfahrung: Dieses Konjunkturprogramm II der Bundesrepublik – wenn die Förderrichtlinien so ausfallen, wie wir das als Kommunale wollen, dass wir in Infrastruktur investieren – wird greifen. Die Begründung, warum es greifen wird und warum es für die Bürger wichtig ist, ist, dass damit Arbeitsplätze gesichert werden, dass damit die Auftragsbücher, die noch in diesen ersten sechs, sieben Monaten gefüllt sind, nicht abstürzen, sondern im Anschluss weiter Auftrag haben und dadurch Kurzarbeit und wenig Arbeitslosigkeit die Folge sein wird.
Deutschlandradio Kultur: Frankfurt am Main ist eine reiche Stadt, eine Bankenmetropole. Warum braucht diese Stadt zusätzliches Geld aus dem Konjunkturpaket II?
Petra Roth: Also, wir brauchen das gar nicht. Ich will es. Wenn ich "ich" sage, meine ich die Stadt Frankfurt. Es ist ja so, dass hier die Finanzierung bei dem Konjunkturpaket II über den Bund läuft und dass an die Länder ausgezahlt wird. Sie müssen eine gewisse Garantie leisten. Sie müssen auch bei anderen Programmen des Bundes eine Gegenfinanzierung leisten. Frankfurt am Main ist, so wie Sie es geschildert haben, eine effiziente Stadt, eine Stadt mit viel Arbeit und vielen Arbeitsplätzen und Unternehmen. Es ist eine einkommensstarke Steuerstadt. Wir haben einen soliden Haushalt. Wir haben keine Nettoneuverschuldung im zweiten Jahr. Wir haben Schulden abgebaut, so dass wir eine Kreditaufnahme zur Finanzierung einer Infrastruktur leisten können.
Und – jetzt wiederhole ich mich – diese Maßnahmen des Bundes geben jetzt den Kommunen die Möglichkeit, den Investitionsstau, den die Kommunen nachweislich haben, im letzten Jahr allein 63 Milliarden in der Bundesrepublik, abbauen können. Also, hier hat eine Beschleunigung stattgefunden. Etwas Vermögen und Kapital auch als Stadt zu besitzen, ist immer von Vorteil, um in Krisen dann flexibel reagieren zu können. Wir nehmen jeden Cent, den das Land Hessen in seinem Landesförderprogramm jetzt den Kommunen anbietet, ab, weil wir es uns leisten können und damit den Bürgern helfen.
Deutschlandradio Kultur: Aber Frau Roth, Sie sind zum einen Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt, andererseits auch Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages. Jetzt könnte man auch sagen, dieses Gießkannenprinzip, jede Kommune kriegt proportional gleich viel, ist eigentlich Quatsch. Gebt schwachen Städten, wie beispielsweise Offenbach, mehr. Die haben kaum ihren Haushalt irgendwie solide hingekriegt. Frankfurt kann darauf verzichten. Insgesamt haben alle mehr davon.
Petra Roth: Jetzt bin ich ja Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main. Darauf wollen wir nicht verzichten. Das ist eine Chance es zu nehmen. Wir haben die Programme in den Schubladen. Wir arbeiten jetzt auch immer auf den Arbeitsmarkt bezogen mit der Handwerkskammer Rhein-Main zusammen. Wir werden die Ausschreibung unter 5 Millionen festsetzen, so dass wir nicht europaweit ausschreiben müssen. Es ist zur Zeit eine große Diskussion, und die Bundeskanzlerin sagte vor wenigen Tagen beim Städtetag in einem Gremium, dass die Förderrichtlinien Anfang März rauskommen sollen, inwieweit Kommunen zum Nulltarif diese Mittel bekommen und wie weit andere was leisten müssen. Da vertraue ich auch auf die Bundeskanzlerin, dass hier mit einem sozialen Ausgleich nach der Bedeutung von Städten, die sich entwickeln müssen, eine Entscheidung getroffen wird.
Das möchte ich noch mal erwähnen: Es ist nicht ein Konjunkturprogramm, was dem Konsum dient. Es ist ein Konjunkturprogramm, was der Investition, der Infrastruktur in den Städten dient, und damit werden wir Arbeitsplätze und damit auch – Städte besitzen ja etwas, wir besitzen Museen, wir besitzen Kindergärten, wir besitzen kommunale Unternehmen – eine Sanierung und Modernisierung in diesen kommunalen Unternehmen finanzieren und damit den Mehrwert unserer kommunaleigenen Wirtschaft verbessern. Das ist ein geschlossener Kreislauf. Das ist nicht ein Impuls zum Verbrennen von Kapital, sondern es ist ein Impuls zur Verbesserung eines neuwertigen Infrastrukturprogramms.
Deutschlandradio Kultur: Aber man muss sehen, es ist schuldenfinanziert. Diese Schulden müssen auch wieder zurückgezahlt werden.
Petra Roth: Ja, vom Bund und vom Land, das ist richtig. Und wir setzen um. Wir zahlen bei diesem Programm die Tilgung. Das muss man sich mal überlegen. Das heißt, nach einer gewissen Zeit gehört es uns dann auch.
Deutschlandradio Kultur: Müssen Sie da nicht hoffen, dass die Krise möglichst lange dauert, damit dieser schöne warme Geldregen anhält?
Petra Roth: Nein. Ich verstehe die Frage schon richtig. Man kann auf jede Krise verzichten. Aber man muss vorbereitet sein auf eine Krise. Und diese Krise ist ja verhältnismäßig abrupt in die Bundesrepublik eingedrungen. Dass wir als Stadt Frankfurt handeln können, das möchte ich anderen als Vorbild auch vermitteln, zeigt, dass Kommunalpolitik, wenn sie verantwortungsbewusst gemacht wird, immer auf Krisen eingestellt ist. Aber die Intensität unserer Leistungskraft als Kommune gilt dem Arbeitsmarkt und damit den Menschen, die eine Arbeit haben und im Gestaltungsprozess dabei sein wollen.
Deutschlandradio Kultur: Dann müssen Sie aber eigentlich relativ irritiert sein. Michael Glos, der Bundeswirtschaftsminister, sagt diese Woche: Vielleicht schaffen wir es schon im Frühjahr oder im Frühsommer, dass wir aus dieser Konjunkturdelle rauskommen. Bis Sie das Geld haben, bis Sie es einsetzen, bis es wirksam wird, sind wir möglicherweise schon wo ganz anders, wo wir es nicht mehr brauchen. Hat Michael Glos nicht Recht oder sind wir alle im Moment viel zu hektisch bei dem Versuch, so schnell wie möglich viel Geld irgendwo unterzubringen?
Petra Roth: Zur Prognose, ich habe das auch zum Teil im Fernsehen gesehen und gelesen, von Michael Glos sage ich nichts dazu. Ich halte mich jetzt an den BDI, der auch keine Prognosen mehr abgibt. Keiner weiß es. Aber wenn Geld wirklich nicht ausgegeben werden muss, weil die Krise vorbei ist, dann haben beide Seiten gewonnen. Dann ist die Krise nicht gekommen, die Menschen haben keine Benachteiligung und der Staat hat dieses Geld nicht ausgeben müssen.
Noch einmal wieder auf Frankfurt: Die Bundeskanzlerin hat gesagt, im März gibt es diese Förderrichtlinie. Wenn es aber wirklich länger dauert, sind wir in der Lage, durch ein Investitionsprogramm, was Städte aufstellen müssen, 400 Millionen Euro in diesem Jahr nur für Frankfurt ausgeben zu können.
Da ist es unwichtig, ob Förderprogramme – vom Bund aufgelegt – bei uns bestätigt werden. Wir fördern mit diesen 400 Millionen in Frankfurt in diesem Jahr den Museumsneubau, weitere Kindertagesstätten, die Oberflächengestaltung von Straßen, die so genannten Schlaglöcher, wie man sagt. Die Zeil, deutschlandweit bekannt, ist mit zwölf Millionen jetzt in eine wunderschöne Einkaufsmeile verwandelt worden. Wir machen die Zufinanzierung in der Optik des urbanen Bildes zu den privaten Leistungen, die wir in der Stadt haben.
Deutschlandradio Kultur: Was machen Sie denn zusätzlich?
Petra Roth: Moment! Dieses Geld geht jetzt in den Markt. Diese 400 Millionen sind abrufbereit da. Die Pläne sind da. Und 100 Millionen können wir noch mal für Schulbauten beim Land erwarten. Die können wir finanzieren. 200 Millionen noch mal für Hochschule und dann wieder aus einem Infrastrukturprogramm zusätzliche Infrastrukturstraße, Grünanlage. Und ich habe eine Vorstellung. Ich möchte, dass das Land Hessen, wie aber auch die Bundesregierung in diese Förderrichtlinien auch die Förderung von Sportstätten einbezieht. Sportstätten, das ist der Sportplatz, auf dem die Pädagogik des Fairplay und der Integration unter wettkampfbedingten Voraussetzungen eingeübt wird. Sport in einer gedeckten Halle ist Gesundheitspolitik. Sport ist eine Form der Kommunikation unter den Nationen und Generationen. Das ist dringend notwendig in dieser Bundesrepublik Deutschland. Hier tun wir auch etwas. Egal, was kommt, wir haben ein Angebot umsetzen zu können.
Deutschlandradio Kultur: Dann frage ich Sie noch mal als Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages: Nicht alle Kommunen sind so reich wie Frankfurt. Was sollen die machen, wenn sie nicht mal das Geld, die Co-Finanzierung hinkriegen? Einfach auf das Geld verzichten oder können Kommunen sich untereinander helfen?
Petra Roth: Nein, um Gottes Willen. Ich kenne ja meine Kollegen und deren Befindlichkeit und deren Haushaltslage zum Teil sehr gut. Wir hatten ja schon Anfang diesen Jahrestausends, als die Gewerbesteuer so wegbrach, die Kommunen, die gar nicht den ganz besonderen Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau nehmen konnten. Hier muss man dann Sonderkonditionen machen. Die Bundeskanzlerin hat dies auch signalisiert. Ich plädiere dafür, dass die Kommunen, die ja eine Leistung für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung stellen – nicht nur Bildung, sondern von Straßen oder, nehmen Sie in Frankfurt in der Region den Flughafen, da partizipieren ja alle davon -, dieses umsetzen können. Da muss dann der Bund echt eine Vorleistung bringen und auch vielleicht die Bundesfinanzierung für kommunale Leistungen übernehmen.
Es ist nicht einfach, denn die Kommunen bestehen zu recht auf die kommunale Selbstverwaltung. Und der Bund kann keine Mittel direkt zur Kommune geben. Das muss alles in Ausführungsrichtlinien geregelt werden. Aber ich bleibe auch dabei, dass Städte wie Frankfurt, die gibt es ja auch noch in der Republik, diese Maßnahmen mit einem Finanzierungsanteil dann leisten müssen. Dann bleibt mehr für die Kommunen, die nicht können, weil es der gesamten Bevölkerung, dem Arbeitsmarkt, der Exportnation Deutschland hilft, hier Projekte zu finanzieren.
Deutschlandradio Kultur: Und fürs Tilgen muss man da feste Pläne machen? Kann man den Kommunen da überhaupt Vorschriften machen? Der rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel von der SPD hat gefordert, es muss da feste Pläne geben, wie Kommunen diese Schulden abtragen müssen.
Petra Roth: Immer. Kommunen können nicht Pleite gehen, wie man sagt. Kommunen haben auch eine Kommunalaufsicht. Also, entweder ist es der Regierungspräsident für die kleineren Städte. Für Frankfurt ist es das Innenministerium. Und die geben uns das vor. Die kontrollieren und genehmigen ja auch unseren Haushalt, in dem die Schuldenmarge festgesetzt wird. Manchmal wird ein Haushalt nicht genehmigt, wenn eine Kommune zu hohe Schulden drin stehen hat. Die werden jetzt genau reinschreiben, in welchen Margen wir diese Eigenfinanzierung oder Beteiligung an dem Kredit des Bundes oder der Länder zu bedienen haben. Die liegen aber noch nicht vor.
Deutschlandradio Kultur: Gehen wir mal davon aus, das Konjunkturpaket II kommt und es kommt bald.
Petra Roth: Es muss kommen und es soll so schnell wie möglich kommen. Darf ich das auch sagen? Ich habe am Dienstag in Berlin die Bundeskanzlerin gebeten, im Namen der Städte darauf zu dringen, dass Ausführungsbestimmungen an die Länder ergehen, die Kommunen zu berücksichtigen – unabhängig davon, ob sie es finanzieren können oder nicht, und zwar schnell, damit die Auftragsnachfolge im heutigen Arbeitsmarkt gesichert ist. Das hat mit Kurzarbeit zu tun und Arbeitsaufträgen.
Deutschlandradio Kultur: Also, es soll schnell gehen. Kommunale Unternehmen sollen Aufträge bekommen. Manchmal braucht man ja auch Genehmigungsverfahren.
Petra Roth: Und die freie Wirtschaft, nicht kommunale Unternehmen. Das sind PPP-Projekte. Das ist auch noch strittig im Bund, ob man die aufnehmen soll. Ich sage, ja, denn es nutzt der Gesamtwirtschaft und es ist ein Teil der Privatfinanzierung, die damit ihre Arbeitsplätze sichert unter der Beteiligung der Kommune.
Deutschlandradio Kultur: Okay, gehen wir davon aus, Sie wollen zusätzlich was machen, sagen wir mal, einen Sportplatz bauen. Dafür braucht man Genehmigungsverfahren. Das dauert. Man muss ausschreiben. Man muss gucken, wie viel Unternehmen sich bewerben, wer der günstigste ist. Aber alles soll schnell gehen. Man hat den Eindruck, lieber schnell als langfristig geplant. Weil, wenn Sie das Geld nicht abgreifen, müssen Sie das, was Sie nicht genommen haben, möglicherweise, wenn es schlecht kommt, Ende 2010 wieder zurück überweisen. Macht das Sinn?
Petra Roth: Wir in Frankfurt und in anderen Städten haben Schubladenpläne. Wir können sofort ein Projekt mit einer parlamentarischen Mehrheit beschließen und rausgeben. Und jetzt, das sagte ich vorhin schon, ist es wichtig, dass wir bei diesen Projekten unter fünf Millionen Investition bleiben, weil wir die europäische Vergaberichtlinie haben. Jede Maßnahme über fünf Millionen muss europaweit ausgeschrieben werden. Die Bundesregierung hat sich darum bemüht, diese fünf Millionen im Anbetracht der Krise auf zehn Millionen zu erhöhen. Das ist in Europa beim Kommissar für Vergabe abgelehnt worden. Aber wir Kommunen sind wach genug, jetzt kleine Projekte zu machen. Wir machen, Beispiel in Frankfurt, Sie kennen alle das Städel, dort die Städelschule. Das ist jetzt eine Maßnahme, die durch die Krise ermöglicht wird. Es ist eine Maßnahme unter fünf Millionen. Wir melden die an. Es ist eine Kultur- und Bildungseinrichtung und läuft dann schnell.
Und die Qualität der Leistung möchte ich überhaupt nicht in Zweifel ziehen. Und ich finde mich mit dem Finanzminister in der Aussage wieder, der sagt, dieses Konjunkturprogramm soll kein Konsumprogramm sein, sondern eine Investition in die Infrastruktur. Das heißt, eine Wertschöpfungskette neuerer Art eröffnen und einen Mehrwert schaffen. Da sind diese Maßnahmen, die ich Ihnen aus großen Städten erzähle, richtig. Ein Sportplatz kostet keine fünf Millionen. Also, für fünf Millionen bekommen Sie auch eine sehr ordentliche dreizügige Schule. Sie müssen das vom Planungsrecht früher haben. Sie müssen das in den B-Plänen haben. Aber vorausschauende Kommunalpolitik, Bürgermeister wissen, was sie ihren Bürgern verpflichtet sind. Da ist einfach Tagespolitik gefragt.
Deutschlandradio Kultur: Ist das dann die Methode, dieses Stückeln von Aufträgen, wie man auch die kleinen und mittleren Unternehmen vor Ort beteiligen und profitieren lassen kann?
Petra Roth: Also, für Großstädte ist die Fünf-Millionen-Grenze schon eine arge Einschnürung. Wir haben da vorgestern auch drüber gesprochen. In kleineren Städten, ich sagte eben, was ein Sportplatz kostet und eine Schule, da geht das. Aber wir haben da auch mit München drüber gesprochen, die es ebenfalls so versuchen zu handhaben. Und da die Krise in Europa ist und da das Vergaberecht europäisch ist - ich war vor Kurzem mit meiner Kollegin aus Mailand zusammen, die das als einen hochinteressanten Vorschlag empfand und sagte, wir wollen uns mal austauschen – gilt das für Mailand genauso, kleine Stücke, Pakete zu machen. Aber die können Sie sich nicht jetzt ausdenken, sondern diese kleinen Pakete müssen Sie schon haben, wie hier die Städelschule oder das jüdische Museum. Das sind alles Maßnahmen, wo wir wissen, die kosten keine fünf Millionen.
Deutschlandradio Kultur: Stichwort Personal: Der größte Teil der Mittel soll ja in Hochschulen und Schulen fließen, aber dort in die Sanierung. Da sagen die Grünen, die hier in Frankfurt am Main mit am Ruder sind: Man investiert in Beton und nicht in Köpfe. Wäre es nicht besser, man würde zusätzliche Lehrer einstellen können?
Petra Roth: Das ist nun auch in Frankfurt etwas anders mit den Grünen. Wir haben eine Goethe-Universität. Das Land hat in den letzten Jahren 1,3 Milliarden investiert in Neubau, hat gleichzeitig aber auch – dadurch, dass es eine Stiftungsuniversität ist – viele Sponsoren gewonnen. Wir haben jetzt Stiftungslehrstühle. Auch die Stadt Frankfurt bezahlt mit kommunalen Unternehmen Stiftungslehrstühle. Ob der Flughafen, wo wir beteiligt sind, Logistik macht oder die Messe die soziale Marktwirtschaft, da wird Personal, da wird also geistiger Transfer in Form von Vermittlung der Pädagogen an die Schüler geleistet durch kommunale Finanzierung. Auch in Frankfurt stellen wir mehr Betreuungspersonal im frühkindlichen Bereich ein, als die Landesrichtlinien sind. Diese Stadt Frankfurt gibt über 400 Millionen im Jahr für Bildung aus – frühkindliche Bildung, im Bildungsbereich bis rüber in den Jugendbereich und Sozialbereich, alles Bildung, den Abschluss, den Hauptschulabschluss für Schüler sichern mit kommunalen Begleitprogrammen, zusätzliches Betreuungspersonal.
Deutschlandradio Kultur: Also, Fazit: Genügend Geld für Köpfe?
Petra Roth: Es kann auch mehr werden. Es kann aber nicht dahin kommen, dass wir 1:1, dass jedes Kind also eine Betreuungsperson zur Bildung braucht. Das heißt, wir müssen kleine Klassen haben, wir müssen eine Curricula haben, wir müssen modern, international, transparent Lehr- und Lernangebote haben, um uns europäisch auszutauschen. Und wir müssen auch in den neuen Berufen, die es gibt, die wieder in Frankfurt auch Arbeitsplätze haben, die sich alle aus der Internetpolitik ableiten, investiv sein. Das heißt wieder, dass die Kommune Grundstücke zur Verfügung stellt. Breitband haben wir, das haben wir finanziert, wir haben es dann freigegeben, dass wir großartig modern vernetzt sind. Es ergibt eins das andere. Aber grundsätzlich ist der Ausspruch auch richtig: Nicht in Beton, sondern in Köpfe.
Deutschlandradio Kultur: Frau Roth, seit letztem Sonntag wissen wir, dass Hessen demnächst wieder stabil regiert wird, und zwar von Schwarz-Gelb. Frankfurt, da, wo wir im Moment sind, wird von einer schwarz-grünen Regierung getragen. Gibt es eigentlich, was Investitionsprojekte angeht, Unterschiede zwischen Schwarz-Gelb und Schwarz-Grün?
Petra Roth: Nein. Wir haben die schwarz-grüne Koalition geschlossen, weil wir auch rechnerisch eine Mehrheit hatten. Eine andere Mehrheit war nicht möglich vor drei Jahren. Und wir haben sie voller innerer Überzeugung geschlossen, weil wir gemeinsame Ziele verwirklichen konnten, wie wir Frankfurt als Wirtschaftsmetropole, als Stadt der Wissenschaften nach vorne bringen. Das ist in Wiesbaden als Landesregierung ja nicht so gesehen worden. Und wenn die FDP sich jetzt in dieses Kabinett einbringt mit großstädtischem Anspruch, dass das Land Hessen Städte wie Kassel, Darmstadt und Frankfurt urban fördern soll, dann ist das eine ziemliche Parallelität zwischen der Großstadtpolitik Frankfurt – Schwarz-Grün – und einer Landespolitik – Schwarz-Gelb, die sich auf die Zentren konzentriert.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem wollte ich noch mal nachfragen, weil Sie als CDU-Politikerin möglicherweise, wie Ole von Beust in Hamburg, eine städtische CDU präsentieren, die sich vielleicht von dem unterscheidet, was Herr Koch präsentiert.
Petra Roth: In der Tat. Wir sind ein eigenständiger Kreisverband. Ein Landesverband hat Kreisverbände und Frankfurt ist die Großstadtpartei. Ich war auch lange Vorsitzende der Frankfurter CDU. Und die Programme, die wir schreiben, sind nicht unbedingt identisch mit dem Landesprogramm, weil wir uns an den Bedürfnissen und Bedarfen, die eine Stadt entwickelt, orientieren. Wir haben mit Schwarz-Grün jetzt einheitlich ein traditionelles Gymnasium beschlossen. Auch diese Mittel stehen im Haushalt. Wir haben mit den Grünen den Ausbau der frühkindlichen Erziehung gemacht. Wir haben mit den Grünen die Maßnahmenfinanzierung rund um den Flughafen, die ja sonst gegen den Flughafen sind, Infrastruktur gemacht. Der grüne Partner in Frankfurt ist, genauso wie wir, großstädtisch ausgerichtet. Ich bin sehr glücklich darüber, dass die Landesregierung jetzt mit dem neuen Kultusminister, mit Herrn Banzer, ein Bildungsprogramm auflegt, was der Großstadt gerecht wird.
Wir dürfen nicht vergessen, dass Kinder nicht nur 8 Stunden in der Schule zum kognitiven Lernen sein wollen, sondern dass das Lebensräume sind. Das heißt, der Schulraum, nicht das Klassenzimmer, der Schulraum muss sich verändern. Das muss ein Gelände des Wohlbefindens sein. Und dass wir dieses unterstützen, das sind alles – ich denke – Erfolge, die in Frankfurt getätigt werden, die jetzt das Land übernimmt.
Deutschlandradio Kultur: Sie sind ja vor zwei Jahren zum dritten Mal zur Oberbürgermeisterin gewählt worden. Ihre Amtszeit läuft bis 2013. Wenn wir mal in das Jahr blicken und annehmen, Schwarz-Grün ist dann vielleicht noch am Ruder, der Finanzplatz Frankfurt hat die Krise gut überstanden, was ist dann im Jahr 2013 das Besondere, das Prägende, das Attraktive an Frankfurt am Main?
Petra Roth: Also, Frankfurt sollte nach meinen Wünschen dann immer noch eine der führenden deutschen Städte sein. Wir kämpfen hart da drum. Auch andere Väter haben schöne Töchter. Da wollen wir gar nicht das Licht unter den Scheffel stellen. Auch andere Städte können etwas. Frankfurt muss sich auf das besinnen, was wir besonders gut können. Das ist Wirtschaft, die Vielfalt der Wirtschaft. Frankfurt ist an der Geographie verkehrspolitisch hervorragend über seine Geschichte angebunden. Dazu bedarf es des Ausbaus des Flughafens, der ja jetzt in die nächste Umsetzungsphase geht, was wichtig für ganz Deutschland ist. Und Frankfurt sollte – und die Geschichte Frankfurts beweist, dass wir das können – sich der neuen Herausforderungen annehmen.
Die Globalisierung hat in Frankfurt sehr früh begonnen. Ich möchte, dass Frankfurt auch die modernen elektronischen Arbeitsplätze und vor allen Dingen auch das Know-how, wie die Zukunft des Arbeitsplatzes in Metropolregionen bewältigt wird, umsetzen kann. Das heißt, die Kreativen sollen hier ein Zuhause finden. Die Kreativen sollen bis dahin mehr Chancen bekommen. Das sind Software-Firmen. Das ist die Intelligenz, die ich haben will, die Wissensnomaden. Wenn wir solch ein Zentrum der neuen Wertschöpfung von Arbeit über die Geisteswissenschaften vermitteln können, über Universitäten und Unternehmen, dann bieten wir der Region eben ein Stück Heimat auch, in der man eine Sicherheit sieht, in der Familienphase, Arbeit und Freizeit für das zu haben, was am wichtigsten ist – Kinder, Partner und Lebensqualität.
Und die Umwelt, auch da sind wir führend. Wir machen es uns ja auch nicht leicht, indem wir hier die Umweltzonen eingeführt haben. Viele haben geschimpft dagegen, haben gesagt, es ist albern, es bringt nichts. Doch, es bringt pädagogisch schon etwas, dass die Menschen wissen, die Welt ist nur einmal so da und wir müssen die Ressourcen, die wir haben, schützen. Dass die Deutsche Bank, DAS Umwelthaus der Welt in Frankfurt erstellt, dass andere nachfolgen, dass wir Kriterien erarbeiten werden, wie Hochhäuser der Zukunft auszusehen haben mit dem Nachhaltigkeitsprinzip der Greentowers, das wünsche ich mir für Frankfurt, dass man sagt: Frankfurt ist topp.
Deutschlandradio Kultur: Ganz kurz zum Schluss: Hamburg bewirbt sich jetzt als Umwelthauptstadt Europas. Wann macht das Frankfurt?
Petra Roth: Salopp würde ich da drauf sagen: Die einen bewerben sich, die anderen tun’s.
Deutschlandradio Kultur: Frau Roth, vielen Dank für das Gespräch.