"Wir müssen das Verbot aussprechen"

Moderation: Katja Schlesinger |
Die Hamburger Scientology-Beauftragte Ursula Caberta hat ihre Forderung nach einem Verbot von Scientology bekräftigt. "Ich sehe keine andere Möglichkeit mehr, Menschen und die Gesellschaft mittelfristig vor dieser Organisation zu schützen", sagte Caberta. "Ich weiß, dass wir genügend Informationen haben, um das Verbot aussprechen zu können", ergänzte sie.
Katja Schlesinger: In unserem Studio in Hamburg begrüße ich jetzt Ursula Caberta, die Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology der Hamburger Innenbehörde und Autorin von "Schwarzbuch Scientology". Schönen guten Tag.
Ursula Caberta: Guten Morgen.
Schlesinger: Frau Caberta, über den aktuellen Fall, den Dorothea Jung gerade beschrieben hat, wollen Sie nichts mehr sagen. Warum?
Caberta: Na ja, wir müssen da mal ein bisschen Ruhe reinkriegen in die ganze Geschichte. Und ich glaube, das, was die Öffentlichkeit dazu wissen muss, ist in den Medien auch berichtet worden.
Schlesinger: Sie haben ja in den vergangenen Jahren in Ihrer Funktion als Scientology-Beauftragte schon etliche Scientology-Aussteiger betreut. Wenn die beiden Halbgeschwister tatsächlich Scientology den Rücken kehren wollen, wie geht so ein Loslösungsprozess im Allgemeinen vor sich?
Caberta: Das ist unterschiedlich, man kann das nicht pauschal sagen, man muss sich jeden Einzelfall, jede eigene Geschichte angucken und anhören. Weil da gibt es natürlich große Unterschiede. Und je nachdem, wie lange man dabei war, wie viel Scientology im Gehirn die Menschen zum Handeln gebracht hat, welche Funktion jemand hatte - auch nicht unwichtig: gab es Auslandsaufenthalte in den Europazentralen in Kopenhagen oder in England oder sogar in den USA - das sind alles so Geschichten, die man sich angucken muss, und jeder Einzelfall wird bei uns individuell begleitet.
Schlesinger: Haben Sie schon mal mit minderjährigen Aussteigerwilligen zu tun gehabt?
Caberta: Ja. Es ist nicht die Regel und eher selten, was man sich ja vorstellen kann, aber das haben wir auch in der Vergangenheit schon gehabt, wobei wir einige hatten – also Sie müssen sich das - solche Entscheidungen fallen nie spontan, sondern meistens ist schon vorher irgendetwas im Kopf gewesen, das vielleicht an einen Ausstieg gedacht wird.

Und wir haben beispielhaft gehabt auch die Wartenden bis zum 18. Geburtstag. Und dann kommen sie, weil sie es auch in ihrem Kopf haben, dann können die mir nichts mehr. Wenn dann so eine Leuchte angeht im Kopf, ich will hier raus, dann wird durchaus auch gesucht, wo ist der einfachste Weg. Aber das sind natürlich, ob mit 18, mit 19 oder mit 16 oder 12, das ist egal, wer Scientology-geprägt ist, hat erst mal eine Menge zu tun, in der realen Welt zurechtzukommen.

Schlesinger: Sie haben ja das Verbot von Scientology in Deutschland gefordert. Und Sie haben Ihre Meinung geändert, denn früher haben Sie auf Aufklärung gesetzt und eben nicht ein Verbot gefordert. Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?
Caberta: Weil ich - ich mache ja diese Arbeit jetzt für den Hamburger Senat seit 1992, also 15 Jahre. Und ich war von Anfang an immer der Auffassung, man muss wissen, was das genau ist, man muss das Innenleben der Organisation kennen, um übrigens auch Menschen helfen zu können, sonst können sie es nicht, und aufzuklären. Und ich war immer der Auffassung, dann irgendwann löst sich das von alleine, also die Menschen werden begreifen, was Scientology ist und sich da nicht mehr einfangen lassen.

Da habe ich mich getäuscht, ganz eindeutig. Scientology reagiert, wie sie immer reagiert haben, wenn viel Kritik kommt. Die Geschichte von Scientology ist ja jetzt 60 Jahre alt, weltweit. Und sie haben in jedem Land der Welt bisher alle kritischen Diskussionen überstanden. Es ist ja nicht so, dass wir nur in Deutschland kritisch damit umgehen.

Und ich glaube, nein, ich glaube nicht, ich weiß, dass wir genügend Informationen jetzt haben, um das Verbot aussprechen zu können. Und wir müssen es auch aussprechen. Ich sehe keine andere Möglichkeit mehr, Menschen und die Gesellschaft mittelfristig vor dieser Organisation zu schützen.
Schlesinger: Und Ihr "Schwarzbuch" soll ja bestimmt dazu beitragen, darin setzen Sie ja auf Aufklärung, haben sehr viel Informationen über Scientology darin gesammelt. Sie schreiben darüber, mit welchen Mitteln Scientology arbeitet, verwenden viele, viele Zitate von Ron Hubbard, dem Gründer von Scientology, und entlarven, wie ich finde, dadurch, also indem Sie ihn ständig zitieren, durchaus seine Lehren ja als undemokratisch, als frauenverachtend, als in keinster Weise kindgerecht.

Sie schreiben auch in einem Artikel, was Kindern widerfährt, die in Scientology hineingeboren werden. Und auf dem Buchrücken des Scientology-Schwarzbuches heißt es ja, Sie wollen speziell Kinder und Jugendliche vor totalitären Seelenjägern schützen. Jetzt frage ich mich, Kinder, die in Scientology hineingeboren werden, die werden Sie ja gar nicht mehr schützen können. Wen wollen Sie also mit Ihrem Buch erreichen und ansprechen?
Caberta: Also es gibt natürlich auch Maßnahmen von Scientology, wo sie gezielt Jugendliche ansprechen, auch da sage ich ja ein bisschen was zu im Buch. Aber natürlich ist das Schicksal der Eltern, die Gefahr für Kinder geht ja von Erwachsenen aus oft. Insofern, wenn Eltern reingezogen werden und ihre Kinder mitnehmen, ist das erst mal geregelt.

Aber wir haben hier auch viele Beratungsfälle, wo denn Großeltern oder Familienangehörige oder auch Freunde der Familie, wenn so eine Entwicklung sich abzeichnet und Kinder mit im Spiel sind, dass die auch ermutigt werden, dann, wenn dann schon die Erwachsenen anfangen, scientologisch zu ticken und zu handeln und nicht mehr rückholbar sind, dass man sich dann doch wirklich mindestens bemüht, den Kindern dieses Schicksal zu ersparen.

Und das soll auch eine Ermutigung für Angehörige sein, und es soll aber auch vor allen Dingen ein Buch sein, dass alle Menschen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben und vielleicht sich nicht so richtig erklären können, warum auch Jugendliche sich so verhalten, wie sie sich verhalten, wenn sie aus Scientology kommen - dass sie das verstehen lernen und dann auch einen besseren Umgang mit ihnen pflegen können.
Schlesinger: Ein Kapitel in Ihrem Buch dreht sich um das Bildungsangebot von Scientology. Und das minderjährige Mädchen, über das wir eingangs gesprochen haben, das sollte ja auf ein Internat in Dänemark, ein Scientology-Internat geschickt werden. Was wissen Sie über die Praxis und den Schulalltag in diesem Internat?
Caberta: Scientology hat ja versucht, auch in anderen Ländern, auch in Deutschland Privatschulen zu gründen, es ist ihnen nicht geglückt. Sie sind dann nach Dänemark ausgewichen. Und dieses Internat ist praktisch eine Kaderschmiede für den scientologischen Nachwuchs. Also das ist kein Bildungsangebot, sondern es wird gelehrt nach der sogenannten Studiertechnologie von L. Ron Hubbard.

Das bedeutet, dass die Lehren von Hubbard, vor allen Dingen, das bestimmte Kurse und Seminare immer gemacht werden, zum Beispiel das sogenannte Wort-Klären, wo permanent Begriffe umdefiniert werden, was eine für mich der entscheidenden mentalen Programmierungsmaßnahmen in Scientology ist. Jemand, der auf diese Schule geht, wird herangezüchtet für das System Scientology und nicht für ein Leben außerhalb in der realen Welt.
Schlesinger: Haben Sie eigentlich eine Erklärung dafür, warum Hollywood-Schauspieler, etliche Hollywood-Schauspieler, unter anderem ja Tom Cruise, so empfänglich für Scientology sind, und sich haben anwerben lassen?
Caberta: Na ja, ganz grade. Also ich verstehe immer diese Frage nicht, weil ich finde, gerade Kulturschaffende sind ja in besonderem Maße darauf angewiesen, dass sie öffentlich wahrgenommen werden, dass sie gemocht werden. Und was wir immer wieder hören von Scientology, ist, dass natürlich – und gerade für Prominente gibt es ja nun eine besondere Pflege auch.

Also Tom Cruise wird bestimmt den Drill nicht erleben, den andere erleben. Also gerade Kulturschaffende sind doch leicht einfangbar, finde ich, für Psychokram, weil sie ganz einfach auch immer bestätigt werden müssen.
Schlesinger: Ich frage mich aber, ich meine, ein intelligent denkender Mensch, der diese Hubbard-Lehren liest, dem können sich doch eigentlich nur die Haare sträuben …

Caberta: Ja, sie lesen es, die lesen es ja nicht, so dürfen Sie sich das ja nicht vorstellen. Sondern die Menschen werden ja gepackt an irgendeiner Schwäche, die sie haben, das fängt ja immer ganz banal an. Und wenn ich das richtig erinnere, hat Tom Cruise mal irgendwann behauptet – ob sie ihm das jetzt in Scientology ins Gehirn gebimst haben oder ob das wirklich so ist, weiß ich nicht –, aber er hat ja irgendwann mal behauptet, er hätte eine Lese- und Lernschwäche gehabt. Und da setzt Scientology ja ganz bewusst an.

Bei denen heißt das Ruinpunkt. Ich suche mir eine Schwäche und dann …, ich behebe das. Und dann müssen Sie sich das so vorstellen, dass um - und gerade solche Schauspieler in Hollywood oder woanders werden natürlich denn umgarnt, umworben geradezu. Die spüren Zuwendung, Zuneigung in einer Art und Weise wie alle Menschen in der Anfangsphase, aber die im besonderen Maße. Und dann hängen Sie fest.

… Und die Bücher, was wir festgestellt haben, und die Kurse, die Bücher, die lesen die gar nicht. Sondern die Aussteiger, die zu uns kommen, die bringen uns kistenweise Bücher, die sind alle eingeschweißt, von dem Hubbard. Die mache ich dann auf und lese die. Das lesen die nicht.
Schlesinger: Und schreiben darüber das "Schwarzbuch Scientology". Vielen Dank, Ursula Caberta. Das Buch "Schwarzbuch Scientology" ist übrigens im Gütersloher Verlagshaus erschienen. Herzlichen Dank.
Caberta: Bitte. Tschüss.