"Wir müssen auf das Ehrenamt setzen"

Hermann Schreck im Gespräch mit Britta Bürger · 28.11.2012
Den Feuerwehren läuft der Nachwuchs weg. Das liege teils an der Landflucht, teils an der Demografie, sagt Hermann Schreck vom Deutschen Feuerwehrverband. Das über Berufsfeuerwehren aufzufangen, sei keine Option.
Britta Bürger: Tatütata, die Feuerwehr ist da! - Ob Playmobil oder Lego, für Kinder gehört das Feuerwehrspielen noch immer zu den Highlights. Und wenn die Kita zur Feuerwache pilgert, ist das ein aufregendes Erlebnis, mehr aber auch nicht. In der Realität sucht die Feuerwehr händeringend Nachwuchs. Vor allem die freiwilligen Feuerwehren auf dem Land, die sorgen sich. Im vergangenen Jahr haben sie 13.000 Helfer verloren.

Brandenburgs Feuerwehren auf Nachwuchssuche, ein Beispiel beobachtet von unserem Landeskorrespondenten Axel Flemming. Schauen wir weiter nach Süden, in den Landkreis Bayreuth. Dort ist Hermann Schreck seit 30 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr, kümmert sich ebenfalls um die Arbeit mit Jugendlichen und ist stellvertretender Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes. Ich grüße Sie, Herr Schreck!

Hermann Schreck: Hallo, grüß Gott!

Bürger: Sieht es bei Ihnen in Franken ähnlich aus wie in Brandenburg?

Schreck: Ja, wir haben generell in Bayern die Situation, dass wir seit vielen Jahren steigende Zahlen noch hatten bei den Jugendlichen, und jetzt den Einbruch seit circa zwei Jahren, dass rückläufige Zahlen in ganz Bayern, auch in Franken zu vernehmen sind und uns Jugendlichen einfach in der Gesamtheit wegbrechen.

Bürger: Warum interessieren sich junge Leute heute weniger dafür? Ist dieses Ehrenamt nicht mehr so cool?

Schreck: Ich glaube nicht, dass es daran liegt, dass Jugendliche sich nicht mehr dafür interessieren, sondern es liegt daran, dass die Rahmenbedingungen schlechter geworden sind. Wir haben prinzipiell weniger Jugendliche zur Verfügung, die geburtenschwachen Jahrgänge greifen langsam, tendenziell wird es noch schlechter werden die nächsten fünf Jahre. Und die Rahmenbedingungen, was jetzt Ausbildungsplatz, Schule betrifft, ist natürlich nicht förderlich, denn viele von den Jugendlichen bekommen keinen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz mehr in der Region, sondern müssen weg. Und damit auch nicht greifbar für ihre Heimatfeuerwehr an ihrem Wohnort.

Bürger: Also, die Landflucht auch sicher, dann schlicht, dass es weniger Kinder gibt. Stell dir vor, es brennt und keiner geht hin, solche Scherze kursieren im Internet. Sind Ihnen denn Situationen bekannt, in denen die Feuerwehr aufgrund von Personalmangel tatsächlich auch zu spät am Brandort eingetroffen ist?

Schreck: Es ist in der heutigen Situation so, dass man ehrlich damit umgehen muss. Es ist nicht hier die Feuerwehr in Deutschland mehr tagesalarmsicher. Das heißt, sie kann nicht gesichert zum Einsatz fahren, wird mit Alarmierungsplanungen ausgeglichen, aber es gibt viele Standorte vor allem im ländlichsten Bereich, bei kleinsten Feuerwehren, die tagsüber keine Mannschaftsstärke zusammenbringen oder nur ein oder zwei Personen zu Hause sind. Wird aber aufgefangen durch andere Feuerwehren aus der Nachbarschaft, die dadurch mehr belastet werden, mehr Einsätze fahren, aber dazu ist es noch nicht gekommen, dass wir einen größeren Schaden oder Menschen in Bedrängnis gebracht haben durch diesen zeitlichen Verzug.

Bürger: Aber das Gesetz sieht ja wohl vor, dass es nicht länger als zehn Minuten dauern darf, bis die Feuerwehr am Brandort eintrifft. Das kann ja, wenn man aus einem weiter entfernten Ort zuerst anrücken muss, oft tatsächlich nicht gewährleistet werden!

Schreck: Das ist richtig. Das bayerische Feuerwehrgesetz sieht zum Beispiel eine zehnminütige Hilfsfrist vor. Wenn diese nicht eingehalten werden kann schon planerisch, dann ist die Kommune aufgerufen, hier zu handeln, und dann ist auch der Passus vorgesehen einer Pflichtfeuerwehr. Das heißt, Bürger werden verpflichtet und müssen Feuerwehrdienst machen. Gott sei Dank ist es bis heute noch nicht ...

Bürger: Das passiert tatsächlich?

Schreck: ... notwendig gewesen.

Bürger: Ah ja. Wir haben eingangs die Situation in Brandenburg beschrieben. Gibt es da eigentlich Unterschiede zwischen ehemals ostdeutschen Feuerwehren und westdeutschen, unterschiedliche Strukturen und Traditionen, die heute noch eine Rolle spielen?

Schreck: Also, von den Rahmenbedingungen, was jetzt Arbeitsplätze und Ähnliches betrifft, ist sicherlich in den neuen Bundesländern das noch schwieriger als bei uns. Wobei jetzt in Oberfranken der grenznahe Gebietbereich natürlich genau so jetzt dramatisch einbricht durch die Flucht der jüngeren Bevölkerung in andere Regionen Bayerns oder in Ballungszentren. Und die Traditionen der Feuerwehren sind zwar ein bisschen unterschiedlich, aber in der Gesamtheit haben wir die letzten Jahre ein Zusammenführen schon optimal gestalten können, denke ich. Und von daher ist die Aufgabenstellung und die Arbeitsweise aller Feuerwehren gleich in Deutschland.

Bürger: Der Nachwuchsmangel bei der Freiwilligen Feuerwehr ist unser Thema hier im Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Hermann Schreck, dem Vizepräsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes. Zu meiner Schulzeit, da führte mindestens ein Wandertag in die Feuerwehrwache, wo man dann diese Arbeitsabläufe wie in der Theatervorstellung vorgeführt bekam. Heute wissen vermutlich viele gar nicht so genau, was sie dort machen könnten. Beschreiben Sie uns doch mal, was lernen Jugendliche eigentlich bei der Freiwilligen Feuerwehr?

Schreck: Für Jugendliche ist natürlich interessant, die Kameradschaft kennenzulernen. Wir brauchen Teamplayer, keine Einzelkämpfer. Es ist der Umgang mit der Technik, mit modernster Technik natürlich eine Herausforderung, was vor allem Jungs auch interessiert daran. Was auch ein sehr positiver Effekt ist, dass junge Menschen Pflichtbewusstsein in extremem Maße bei der Feuerwehr lernen können und dieses sich dann natürlich widerspiegelt im Privaten wie aber auch am Arbeitsplatz. Von daher sind Arbeitgeber, die solchen jungen Menschen dann einen Ausbildungsplatz geben oder einen Arbeitsplatz auf der sicheren Seite, denn es sind in der Regel Personen, die eine hohe Zuverlässigkeit an den Tag legen.

Bürger: Mit welchem Alter kann man eigentlich frühestens zu einem Einsatz geschickt werden? Und gibt es auch eine Altersobergrenze?

Schreck: Also, das ist in Deutschland in den Bundesländern unterschiedlich. Bei uns in Bayern, wenn man es darauf mal fixiert, ist es so, dass man frühestens mit 12 nach dem bayerischen Feuerwehrgesetz in die Jugendfeuerwehr eintreten kann, und die Obergrenze für den aktiven Einsatzdienst ist derzeit 63 Jahre.

Bürger: Und so früh wird man schon tatsächlich zu einem Brand geschickt?

Schreck: Zum Brand nicht, eintreten kann man. Nach abgeschlossener Grundausbildung, die in dem Bereich 15, 16 beginnt, kann man, wenn man diese Grundausbildung abgeschlossen hat, unter bestimmten Voraussetzungen eingesetzt werden, nämlich dann, wenn ein erfahrener Feuerwehrdienstleistender zur Seite steht, wenn die Ausbildung, die Grundausbildung vollzogen ist, und zwar komplett, und dann nur außerhalb des unmittelbaren Gefahrenbereiches. Und ab 18 ist dann ein Feuereinsatz möglich.

Bürger: Welche Ideen hat der Feuerwehrverband, dessen Vizepräsident Sie ja sind, jetzt, um dem Mitgliederschwund zu begegnen?

Schreck: Also, wir müssen alle Möglichkeiten, die uns gegeben sind, nutzen, Mitglieder für die Zukunft zu werben. Das ist sicherlich ein attraktives Miteinander, mit den Landesverbänden um Jugendliche zu werben, aber auch ...

Bürger: Was machen Sie konkret?

Schreck: Wir machen konkret hier Werbemaßnahmen, Imagekampagnen. Wir haben zum Beispiel in Bayern derzeit ein Jahr lang eine Imagekampagne nur ausgerichtet auf Jugendfeuerwehren, laufen mit Buswerbung, mit Ansprechen, mit Aktionen vor Ort, mit Einladen ins Gerätehaus, um so einen Schnupperabend mal durchzuführen. Und über die Jugendfeuerwehr hinaus ist natürlich ein Thema für uns alle in Deutschland die Kinderfeuerwehr. Das heißt, unterhalb der Eintrittsgrenze der Jugendfeuerwehr, dass man da mit Kindern bereits die Arbeit beginnt und spielerisch sie an das Feuerwehrwesen heranführt.

Bürger: Wird auch über andere Strukturen nachgedacht? Also, etwa über mehr Berufsfeuerwehren?

Schreck: Das ist eine Struktur, die man nicht weiter verfolgen kann, weil, was wir heute haben an Berufsfeuerwehren, da sicherlich die Leistungsgrenze auch erreicht ist. Wenn wir zusätzliches Potenzial schaffen würden, sind das Kosten, die in der Fläche nicht zu schultern sind. Wer soll das bezahlen? Wir hätten einen Sicherheitsverlust, denn die Berufsfeuerwehren sind zwar profihaft ausgebildet, aber sie können in der Fläche natürlich die Hilfsfrist nicht einhalten. Und bei größeren Schadenslagen auch nicht den Manpower, den wir heute haben durch die vielen Freiwilligenstandorte, aufrechterhalten. Das heißt, wir müssen auf das Ehrenamt setzen in der Kombination mit den Berufsfeuerwehren. Aber nur bezahlte Kräfte, das wäre der falsche Weg und das wäre nicht bezahlbar.

Bürger: Sie haben gerade das Stichwort Manpower genannt. Wie ist es denn mit der Womenpower, Mädchen und Frauen, wie sieht da die Nachfrage aus bei der Feuerwehr?

Schreck: Da ist eine steigende Tendenz da, glücklicherweise. Das heißt, Mädchen sind in der Jugendfeuerwehr genau so willkommen wie Frauen dann im Erwachsenenalter bei der aktiven Einsatzmannschaft. Und hier haben wir deutliche Anstiegszahlen, die uns hoffen lassen, dass wir noch mehr Potenzial für die Zukunft aus dem Bereich der Frauen und Mädchen bekommen könnten!

Bürger: Ein Brandruf der Feuerwehr, ihr fehlt der Nachwuchs! Hermann Schreck, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes. Herzlichen Dank fürs Gespräch!

Schreck: Bitte schön!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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