"Wir knüpfen an eine große europäische Tradition an“
Nach dem Treffen der europäischen Bildungsminister in London, der so genannten Bologna-Ministerkonferenz, zeigt sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zufrieden. Die Vision von einem attraktiven gemeinsamen europäischen Hochschulraum nehme Gestalt an. Dazu bedürfe es aber noch größerer finanzieller Mittel.
Jörg Degenhardt: Bologna ist nicht nur die Stadt mit der ältesten Uni Europas. Die italienische Metropole ist seit 1999 auch Namensgeberin für den ehrgeizigen Plan, möglichst alle Hochschulen mit einem einheitlichen Punktesystem zur Leistungsbewertung vergleichbar zu machen, also einen europäischen Hochschulraum zu schaffen, und das bis 2010 – mit zweistufigem Bachelor- und Master-System oder, zählt man die Promotion dazu, mit einem dreistufigen System der Abschlüsse, um ein grenzenloses Studieren zwischen Lissabon und Zagreb etwa zu ermöglichen. Die letzen beiden Tage trafen sich in London Minister aus inzwischen 45 Staaten, um zum vierten Mal eine Inventur in Sachen Bologna-Prozess zu machen. Am Telefon begrüße ich jetzt Frau Dr. Annette Schavan, die als Bundesministerin für Bildung und Forschung in der britischen Hauptstadt dabei war. Guten Morgen, Frau Schavan!
Annette Schavan: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Wie kommt denn die Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen in Europa voran?
Schavan: Wir sind etwa auf der Mitte des Weges, wobei insgesamt für Europa bereits sogar 85 Prozent der Studiengänge umgestellt sind, das heißt, die Vision vom europäischen Hochschulraum nimmt jetzt ganz konkret Gestalt an.
Degenhardt: Ist bis 2010, so wie das vorgesehen war, ein europäischer Hochschulraum zu schaffen, oder ist das viel zu ehrgeizig?
Schavan: Ich glaube, dass bis dahin alle Weichen gestellt sind, ob es dann wirklich 100 Prozent der Studiengänge sind, wird man sehen, aber der Prozess oder das Ergebnis ist angenommen. Alle wissen, es ist für Studierende und Wissenschaftler wichtig, dass wirklich Mobilität in Europa existiert – übrigens so wie das mal vor ein paar hundert Jahren in Europa war. Wir knüpfen letztlich an eine große europäische Tradition an, und es ist wichtig für die Attraktivität Europas, wenn ein junger Japaner oder Chinese oder Inder überlegt, wohin er geht zum Studium, dann braucht es, wenn Europa attraktiv sein will, solche Vergleichbarkeit und solches europäisches Angebot.
Degenhardt: In Deutschland sind bisher nur 12,5 Prozent aller Studierenden in Bachelor- und Master-Studiengängen eingeschrieben – wenn die Zahlen stimmen – warum nicht mehr?
Schavan: Weil die großen Fächer wie Medizin und Jura noch fehlen, es sind 48 Prozent der Studiengänge umgestellt, aber in der Tat nur 12 Prozent der Studierenden davon betroffen. Und das war auch ein wichtiges Thema jetzt in Bologna: Wie schaffen wir, dass die Hochschulen vor Ort noch mehr Spielraum bekommen? Es gibt schon erste Signale aus den Ländern in Deutschland. Dieses rigide Drei-plus-zwei, also drei Jahre für Bachelor, zwei Jahre für Master, da ein bisschen beweglicher zu sein, also zum Beispiel auch Vier-plus-eins zu ermöglichen. Es gibt die Notwendigkeit, den Hochschulen auch Freiraum in der Gestaltung zu geben. Also wir wollen jetzt möglichst weiter Bürokratie abbauen, wir wollen, was die Akkreditierung, also die Anerkennung der Studiengänge angeht, noch Alternativen zur jetzigen Akkreditierung schaffen. Ein bisschen mehr Beweglichkeit und vor allen Dingen auch aktive Unterstützung der Hochschulen in diesem Prozess wird einen weiteren Fortschritt bringen.
Degenhardt: Von wegen Unterstützung: Sie fordern aktuell mehr Geld für die Hochschulen, habe ich gelesen heute Morgen, das haben Sie in einem Interview gesagt. Würden Sie uns vielleicht eine konkrete Summe nennen und wofür das Geld genau verwendet werden soll?
Schavan: Es ist in London auch sehr deutlich gesagt worden, wo Bachelor-Studiengänge eingeführt werden, verändern sich ja Strukturen, braucht es mehr Betreuung, zum Beispiel das Tutoren-System. Ich habe die Summe nicht im Kopf, die Hochschul-Rektorenkonferenz hat mal ausgerechnet, dass wir zwischen 10 und 15 Prozent mehr investieren müssen, damit wirklich mit Bachelor auch Qualität verbunden ist. Das ist ja das, was Studierende zum Beispiel an ausländischen Hochschulen sehr anerkennen, dass sie sagen, hier ist die Betreuung besser, hier kommt man besser voran. Und auf der anderen Seite steht ja, wo mehr investiert wird, wo Bachelor gelingt, kommen mehr zum Abschluss, unsere hohe Studienabbrecherquote in Deutschland kann damit deutlich reduziert werden, sodass die Schlussrechnung dann für alle wieder eine positive ist. Und deshalb sage ich, wir müssen jetzt die nächsten Jahre überlegen, wir haben den Hochschulpakt, das ist ein wichtiges Element, und jetzt muss in den Ländern zusätzlich überlegt werden, wie schaffen wir auch angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung jetzt noch einmal ein Plus, wie erschließen wir den Hochschulen Finanzquellen, damit wirklich die Umstellung auch mit ausreichend Qualität für die Studierenden ermöglicht werden kann.
Degenhardt: Noch mal kurz zu den Ländern: In Deutschland sind die Hochschulen bekanntlich Ländersache. Erschwert das eigentlich die Umstellung bzw. drosselt diese Tatsache das Tempo? Ich könnte auch fragen: Müssen die Landesregierungen hier vielleicht mehr Druck machen?
Schavan: Nun, die Länder waren ja in London auch vertreten, und mein Eindruck ist, die Umstellung ist allgemein akzeptiert, es gibt Konsens. Es gab immer noch Dissens in der einen oder anderen konkreten Frage, da wird es jetzt einen zweiten Schub geben. Ich finde, das ganze Projekt muss positiv besprochen werden. Und noch einmal gesagt: Unsere Hochschulen brauchen die Möglichkeit, wirklich auf unbürokratische Weise vernünftig ausgestattet diese Internationalisierung zu schaffen. Also ich halte derzeit das Gespräch zwischen Bund und Ländern für sehr konstruktiv. Ich glaube auch, dass der Hochschulpakt hilfreich sein wird. Aber klar ist, das heißt für die Hochschulen in den nächsten drei Jahren auch noch ein erhebliches Stück Arbeit.
Annette Schavan: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Wie kommt denn die Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen in Europa voran?
Schavan: Wir sind etwa auf der Mitte des Weges, wobei insgesamt für Europa bereits sogar 85 Prozent der Studiengänge umgestellt sind, das heißt, die Vision vom europäischen Hochschulraum nimmt jetzt ganz konkret Gestalt an.
Degenhardt: Ist bis 2010, so wie das vorgesehen war, ein europäischer Hochschulraum zu schaffen, oder ist das viel zu ehrgeizig?
Schavan: Ich glaube, dass bis dahin alle Weichen gestellt sind, ob es dann wirklich 100 Prozent der Studiengänge sind, wird man sehen, aber der Prozess oder das Ergebnis ist angenommen. Alle wissen, es ist für Studierende und Wissenschaftler wichtig, dass wirklich Mobilität in Europa existiert – übrigens so wie das mal vor ein paar hundert Jahren in Europa war. Wir knüpfen letztlich an eine große europäische Tradition an, und es ist wichtig für die Attraktivität Europas, wenn ein junger Japaner oder Chinese oder Inder überlegt, wohin er geht zum Studium, dann braucht es, wenn Europa attraktiv sein will, solche Vergleichbarkeit und solches europäisches Angebot.
Degenhardt: In Deutschland sind bisher nur 12,5 Prozent aller Studierenden in Bachelor- und Master-Studiengängen eingeschrieben – wenn die Zahlen stimmen – warum nicht mehr?
Schavan: Weil die großen Fächer wie Medizin und Jura noch fehlen, es sind 48 Prozent der Studiengänge umgestellt, aber in der Tat nur 12 Prozent der Studierenden davon betroffen. Und das war auch ein wichtiges Thema jetzt in Bologna: Wie schaffen wir, dass die Hochschulen vor Ort noch mehr Spielraum bekommen? Es gibt schon erste Signale aus den Ländern in Deutschland. Dieses rigide Drei-plus-zwei, also drei Jahre für Bachelor, zwei Jahre für Master, da ein bisschen beweglicher zu sein, also zum Beispiel auch Vier-plus-eins zu ermöglichen. Es gibt die Notwendigkeit, den Hochschulen auch Freiraum in der Gestaltung zu geben. Also wir wollen jetzt möglichst weiter Bürokratie abbauen, wir wollen, was die Akkreditierung, also die Anerkennung der Studiengänge angeht, noch Alternativen zur jetzigen Akkreditierung schaffen. Ein bisschen mehr Beweglichkeit und vor allen Dingen auch aktive Unterstützung der Hochschulen in diesem Prozess wird einen weiteren Fortschritt bringen.
Degenhardt: Von wegen Unterstützung: Sie fordern aktuell mehr Geld für die Hochschulen, habe ich gelesen heute Morgen, das haben Sie in einem Interview gesagt. Würden Sie uns vielleicht eine konkrete Summe nennen und wofür das Geld genau verwendet werden soll?
Schavan: Es ist in London auch sehr deutlich gesagt worden, wo Bachelor-Studiengänge eingeführt werden, verändern sich ja Strukturen, braucht es mehr Betreuung, zum Beispiel das Tutoren-System. Ich habe die Summe nicht im Kopf, die Hochschul-Rektorenkonferenz hat mal ausgerechnet, dass wir zwischen 10 und 15 Prozent mehr investieren müssen, damit wirklich mit Bachelor auch Qualität verbunden ist. Das ist ja das, was Studierende zum Beispiel an ausländischen Hochschulen sehr anerkennen, dass sie sagen, hier ist die Betreuung besser, hier kommt man besser voran. Und auf der anderen Seite steht ja, wo mehr investiert wird, wo Bachelor gelingt, kommen mehr zum Abschluss, unsere hohe Studienabbrecherquote in Deutschland kann damit deutlich reduziert werden, sodass die Schlussrechnung dann für alle wieder eine positive ist. Und deshalb sage ich, wir müssen jetzt die nächsten Jahre überlegen, wir haben den Hochschulpakt, das ist ein wichtiges Element, und jetzt muss in den Ländern zusätzlich überlegt werden, wie schaffen wir auch angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung jetzt noch einmal ein Plus, wie erschließen wir den Hochschulen Finanzquellen, damit wirklich die Umstellung auch mit ausreichend Qualität für die Studierenden ermöglicht werden kann.
Degenhardt: Noch mal kurz zu den Ländern: In Deutschland sind die Hochschulen bekanntlich Ländersache. Erschwert das eigentlich die Umstellung bzw. drosselt diese Tatsache das Tempo? Ich könnte auch fragen: Müssen die Landesregierungen hier vielleicht mehr Druck machen?
Schavan: Nun, die Länder waren ja in London auch vertreten, und mein Eindruck ist, die Umstellung ist allgemein akzeptiert, es gibt Konsens. Es gab immer noch Dissens in der einen oder anderen konkreten Frage, da wird es jetzt einen zweiten Schub geben. Ich finde, das ganze Projekt muss positiv besprochen werden. Und noch einmal gesagt: Unsere Hochschulen brauchen die Möglichkeit, wirklich auf unbürokratische Weise vernünftig ausgestattet diese Internationalisierung zu schaffen. Also ich halte derzeit das Gespräch zwischen Bund und Ländern für sehr konstruktiv. Ich glaube auch, dass der Hochschulpakt hilfreich sein wird. Aber klar ist, das heißt für die Hochschulen in den nächsten drei Jahren auch noch ein erhebliches Stück Arbeit.