„Wir halten eine Bankenabgabe für den falschen Weg“

Andreas Martin mit Gespräch Ute Welty |
Andreas Martin, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), lehnt die geplante Bankenabgabe ab und fordert stattdessen eine bessere Regulierung von reinen Kapitalmarktgeschäften.
Ute Welty: Noch fehlt das große Ganze, noch fehlt der formale Regierungsbeschluss, noch fehlt das europäische Konzept. Mehr erfahren wir vielleicht morgen, wenn die französische Finanzministerin an der bundesdeutschen Kabinettssitzung teilnimmt. Es geht um die Bankenabgabe. Bisher ist bekannt, dass die Banken in einen Fonds einzahlen sollen; damit sollen dann Banken in Schieflage gestützt werden. Auf die Genossenschaftsbanken und Sparkassen soll angeblich ein Anteil von bis zu 70 Millionen Euro zukommen, bei einem Gesamtvolumen des Fonds von 1.200 Millionen Euro. Dagegen wehrt sich unter anderem Andreas Martin, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Volksbanken und Raiffeisenbanken. Guten Morgen, Herr Martin!

Andreas Martin: Ja, guten Morgen!

Welty: 70 Millionen Euro bei einer Gesamtsumme von 1.200 Millionen, verteilt eben auf die verschiedenen Volksbanken, Raiffeisenbanken und die Sparkassen – sind das wirklich dann Summen, für die es sich lohnt, sich aufzuregen, oder sind das nicht vielmehr Peanuts?

Martin: Uns geht es dabei weniger um die Summen, sondern eher um die Grundkonstruktion. Natürlich haben wir Verständnis dafür, dass die Politik und auch die Öffentlichkeit danach fragt, wie kann man die Banken an der Regulierung der Kosten der Krise beteiligen. Wenn sie aber nach Verursachergerechtigkeit gehen, dann sagen wir, die Volksbanken und Raiffeisenbanken – aber ich denke, man kann das auch für die Sparkassen sagen –, dass wir nicht zu der Verursachung dieser Krise beigetragen haben. Wir sind auch gut durch die Krise gekommen, wir haben uns sogar auch an der Rettung von Banken beteiligt, substanziell beteiligt an der Rettung der IKB und der HRE. Und wenn sie dann noch ins Visier nehmen, dass wir im letzten Jahr 1,2 Milliarden Euro an Steuern bezahlt haben, aus unserem laufenden Geschäft erwirtschaftet, dann empfinden wir es nicht als verursachungsgerecht, wenn wir zu einer Bankenabgabe herangezogen werden.

Welty: Sie haben es gerade schon selbst gesagt: es hat immer geheißen, die Volksbanken und Sparkassen hätten die Krise einigermaßen gut überstanden. Ist es dann nicht erst recht sinnvoll, ein Polster anzulegen? Die nächste Krise könnte ja auch für sie nicht ganz so gut ausgehen.

Martin: Nun legen wir diese Polster ja schon auf mehreren Ebenen an. Die erste und wichtigste Ebene ist zunächst mal die Ebene der einzelnen Bank, und hier sprechen wir das Eigenkapital der Bank an. Wir haben auch im letzten Jahr das Eigenkapital in unseren Banken erhöhen können. Das Eigenkapital ist deshalb wichtig, A um kreditvergabefähig zu sein auch in der Zukunft. Zweitens ist das Eigenkapital aber wichtig, um eben auch Risiken aus künftigen Geschäften aufzufangen. Insoweit wäre alles kontraproduktiv, was die Banken daran hindert, neues Eigenkapital zu bilden. Auch von daher halten wir eine Bankenabgabe für den falschen Weg.

Welty: Jetzt haben Sie eben über die Raiffeisenbanken und die Volksbanken gesprochen, auch die Sparkassen mit einbezogen. Es ist aber nun schon so, dass auch die Sparkassen als öffentliche Institute und als Besitzer der Landesbanken durchaus verantwortlich zeichnen für hoch spekulative Manöver?

Martin: Also, jetzt möchte ich mich nicht zu den Sparkassen äußern, da bitte ich um Verständnis. Entscheidend ist, dass die Banken, die vor Ort tätig sind – und das sind Genossenschaftsbanken und Sparkassen –, ihr Geschäft mit den Kunden vor Ort machen. Es werden Einlagen vor Ort hereingenommen und es werden Kredite vor Ort in der Regel an den Mittelstand ausgereicht. Von daher meinen wir natürlich, dass dieses Geschäft nicht systemrelevant ist und auch deshalb nicht mit Abgaben belegt werden sollte.

Welty: Müssen Sie nicht befürchten, dass Ihre Glaubwürdigkeit leidet unter diesem Rückzugsmanöver? Erst sind sich alle einig darüber, dass sich auf dem Finanzmarkt Einiges ändern muss, aber wenn es dann ans Eingemacht geht, dann ist es mit der Einigkeit auch schon vorbei.

Martin: Nun ist ja die Bankenabgabe nicht der einzige Weg, um etwas am Finanzmarkt zu tun. Unsere Überlegungen gehen dahin, dass die kritischen Transaktionen – und das sind die Derivativen Transaktionen, wie man sagt, die eben nicht an realwirtschaftlichen Geschäften anknüpfen, sondern reine Kapitalmarktgeschäfte darstellen – dass die Transaktionen belegt werden, zum Beispiel durch höhere Eigenkapitalanforderungen, sodass die Banken, die diese Geschäfte auch tätigen, dieses in ihren künftigen Wirtschaftsplänen entsprechend berücksichtigen müssen.

Welty: Lassen Sie uns noch mal über das Gesamtvolumen des Fonds reden. 1.200 Millionen Euro, das sind gerade mal 1,2 Milliarden Euro im Jahr. Der jetzige Bankenrettungsfonds umfasst aber insgesamt 480 Milliarden Euro für Garantien und Kapitalspritzen. Ist das nicht ohnehin alles zu klein gerechnet?

Martin: Das ist genau die Frage. Will man so einen Fonds aufbauen, um für künftige Krisen gewappnet zu sein? Dann stellt sich natürlich die Frage, wie groß müsste der eigentlich sein, um eine zweite Finanzmarktkrise zu verhindern. Die andere Fragestellung wäre richtig. Wir dürfen nie mehr in eine zweite Finanzmarktkrise kommen, und deshalb müssen die Anreize so gesetzt werden, dass Banken, insbesondere eben international tätige Banken sich ganz bewusst werden, welche Risiken sie mit welchen Geschäften eingehen, und dass tendenziell risikoreichere Geschäfte, denen keine realwirtschaftliche Grundlage zu Grunde liegt, eben mit höheren Eigenkapitalanforderungen unterlegt werden. Das wäre eine echte Vorfeldwirkung, eine echte Präventionswirkung und keine Fondskonstruktion, wo man vielleicht sogar noch im Hinterkopf haben könnte, im Zweifel ist ja da ein Fonds, der in Anspruch genommen werden könnte. Das ist unsere grundsätzliche Kritik an der Fondslösung.

Welty: Glauben Sie im Ernst, dass die Banken sich dieses Geschäft entgehen lassen werden mit hoch spekulativen Manövern ?

Martin: Ich glaube nicht, dass es darum geht, Geschäfte sich entgehen zu lassen, sondern die Geschäfte müssen entsprechend reguliert werden. Das heißt, tendenziell risikoreichere Geschäfte müssen einer stärkeren Eigenkapitalunterlegung folgen als risikoärmere Geschäfte. Das löst den Anreiz in die richtige Richtung aus.

Welty: Wenn Sie sich jetzt schon wehren gegen eine einheitliche bundesdeutsche Lösung und für eine Sonderstellung der öffentlichen Institute plädieren, wie reagieren Sie dann auf eine angedachte europäische Lösung? Die würde ja noch viel mehr Geschäftsformen und Geschäftsmodelle mit einbeziehen.

Martin: Grundsätzlich sind europäische Lösungen natürlich richtig, denn wir müssen ja auch an den Finanzplatz Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Finanzplatzes denken. Ja, europäische Lösungen, aber eben nicht in der Richtung Aufbau von Fonds, sondern in der Richtung einheitliche Regulierung von reinen Finanzmarktgeschäften.

Welty: Andreas Martin in Deutschlandradio Kultur, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Volksbanken und Raiffeisenbanken, und er als Banker ist skeptisch wegen der geplanten Bankenabgabe. Danke für das Gespräch, Herr Martin.

Martin: Sehr gerne! Auf Wiedersehen.
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