"Wir halten das für ganz wichtig"

15.10.2010
Die niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Johanna Wanka, sieht die Universität Osnabrück gut auf die neue Aufgabe der Islamischen Studien für Imame und Mitarbeiter der islamischen Gemeinden vorbereitet.
Marcus Pindur: Bisher gibt es in Deutschland keine ausgebildeten islamischen Geistlichen, und das ist ein schweres Integrationsmanko, denn oft werden Imame aus dem Nahen Osten oder der Türkei eingeflogen, die ihre Schäfchen hier auf einen traditionellen, teilweise modernitätsfeindlichen Islam einschwören und meist noch nicht einmal Deutsch können. Das soll geändert werden.

An den Wissenschaftsstandorten Tübingen, Münster und Osnabrück werden jetzt mit Bundesmitteln erstmals islamwissenschaftliche Studiengänge gefördert. Die Hochschule Osnabrück liegt in Niedersachsen, und wir wollen jetzt mit der niedersächsischen Kultusministerin (Anmerkung: die offizielle Bezeichnung des Amtes lautet Ministerin für Wissenschaft und Kultur) Johanna Wanka, CDU, sprechen. Guten Morgen, Frau Wanka!

Johanna Wanka: Guten Morgen, Herr Pindur!

Pindur: Zunächst mal: Ist denn schon erkennbar, wie diese Ausbildung überhaupt aussehen wird?

Wanka: Das, was jetzt entschieden wurde vom Bund, das ist die Unterstützung für die Einrichtung eines islamischen Zentrums, eines Instituts für Islamstudien. Wir haben in Osnabrück schon eine ganze Reihe von Dingen begonnen, unter anderem gibt es in Osnabrück – das ist jetzt gestartet worden in diesem Herbst, also das läuft jetzt schon – eine Imamausbildung, Verzeihung, eine Imamweiterbildung.

Das heißt, Imame, die in der Regel im Ausland ausgebildet sind, werden hier auf deutsche Verhältnisse eingestellt, lernen also Deutsch, Grundlagen des deutschen Gesellschaftssystems, Hilfestellungen für ihre Gemeindearbeit in Deutschland, also der Versuch, diejenigen, die Imame sind, aus dem Ausland kommen, mit den deutschen Verhältnissen vertraut zu machen. Und wir halten das für ganz wichtig, und deswegen sind wir dort auch ein Stück weit vorgeprescht, weil die Imame natürlich unwahrscheinlichen Einfluss haben auf die Migranten und es deswegen ganz wichtig ist, dass sie in unser System integriert werden und nicht wie Fremdkörper von außen kommen und dann hier wirken.

Pindur: Sie wollen also komplett in Deutschland ausgebildete Imame. Das Problem, das es dabei gibt, ist aber die Jobaussichten für diese Imame, da stellen sich ja einige Fragen. Also es gibt keine Kirchensteuern in dem Sinne, die Imame werden finanziert meistens größtenteils vom türkischen Staat, von der Ditib, der Behörde, die diese Imame hierher schickt, und die wird nicht gewillt sein, in Deutschland ausgebildete Imame anzustellen.

Wanka: Wir haben dieses Weiterbildungsangebot natürlich nicht einfach im luftleeren Raum uns an der Hochschule ausgedacht und dann installiert, sondern so etwas kann nur gehen, kann nur funktionieren, wenn man mit den wichtigen Verbänden – und dazu gehört eben die Ditib – im Gespräch ist. Und hier ist dieses Angebot, dieses spezielle Angebot ist entstanden ausgehend sozusagen von einem Runden Tisch, von einem Gespräch mit den muslimischen Verbänden. Weil Sie haben völlig recht, gegen sie kann man so etwas nicht erreichen.

Also der Kontakt ist wichtig, sie müssen es begrüßen und – vielleicht kann ich es noch sagen – dieses Programm ist jetzt gestartet. 30 Studierende sind es, die jetzt begonnen haben in Osnabrück, und es sind nicht nur ausgebildete Imame, für die dieses Angebot ist, sondern auch für ehrenamtlich tätige Frauen in den Moscheen, die also dort aber mit religiöser Unterweisung befasst sind.

Pindur: Haben Sie denn den Eindruck, dass die Unterstützung der islamischen Verbände da von vollem Herzen kommt oder ist das eher mit angezogener Handbremse?

Wanka: Also ich würde so eine Wertung nie vornehmen. Wichtig ist, dass man im Gespräch ist und dass man eine Vertrauensbasis versucht zu entwickeln. Und darum bemühen wir uns in Niedersachsen schon seit geraumer Zeit.

Pindur: Zielt das im Endeffekt auch auf eine islamische Theologie ab, die sich ähnlich der christlichen Theologie auch wissenschaftlicher Methoden bedient?

Wanka: Das sind gerade Punkte, die in der Diskussion sind und die in einem solchen Institut wie jetzt, wo wir den Zuschlag bekommen haben, auch etabliert werden sollen. Was noch zu nennen ist, weil Sie sagten, Imamausbildung: Wir machen in Niedersachsen einen Schulversuch, der läuft schon seit mehreren Jahren an 42 Grundschulstandorten - über 2000 Schülerinnen islamischer Religionsunterricht. Und das sind alles Steine, Steinchen, also positiv, nicht Steine im Weg, sondern das sind einzelne Schritte in Richtung einer grundständigen Imamausbildung, die dann auch religiös bezogen ist, die wir gerne in Osnabrück installieren wollen.

Pindur: Ihr Kabinettskollege, der niedersächsische Innenminister Schünemann, hat das ja vorgeschlagen, dass man diese in Deutschland ausgebildeten Imame erst mal ausstattet mit einer halben Religionslehrerstelle. Halten Sie das für ein richtiges Konzept?

Wanka: Das habe ich noch gar nicht gehört von ihm.

Pindur: Ich hab es im "Spiegel" gelesen.

Wanka: Dann wird es natürlich stimmen. Aber über diese Ressourcen müssen wir intensiv diskutieren im Kabinett, und Ressourcen heißt Geld, aber es gibt die Bereitschaft im Kabinett – ob nun mit Frau Özkan, die für Integration zuständig ist, ob mit unserem Bildungsminister Althusmann, ob mit dem Innenminister Herrn Schünemann –, dort gemeinsam Lösungen zu finden. Und das, glaube ich, ist auch das Besondere in Niedersachsen, dass das ein sehr wichtiges Thema im Kabinett ist, was die unterschiedlichen Ressorts betrifft und wo wir gut zusammenarbeiten und auch langfristig jetzt Gesprächsrunden vereinbart haben mit den muslimischen Verbänden.

Pindur: Bildungsfragen sind ja immer wieder zentral, wenn es um die Integration geht, und ich möchte jetzt mal auf eine andere kommen, eine Bildungsfrage, die momentan im Raum steht und nicht nur Kinder islamischer Eltern betrifft, das ist das Bildungspaket der Bundesregierung. Die Kritik daran häuft sich, das sei einfach zu wenig, um eben die Biografie von Kindern aus bildungsfernen Milieus nachhaltig zum Guten zu verändern. Reichen tatsächlich diese 10 bis 15 Euro mehr für die Musikschule im Monat da aus, um diesen Kindern wirklich zu helfen?

Wanka: Das ist ja ganz vielgestaltig, was der Bund jetzt macht. Wir haben gestern in der KMK, wir hatten KMK-Sitzung, mit Frau von der Leyen auch diskutiert über das, wozu sie durch dieses Bundesverfassungsgericht verpflichtet ist: Lernförderung für Kinder, deren Eltern in der Grundsicherung sind. Und das, was Sie angesprochen haben, bedeutet eine Summe, die zur Verfügung steht nicht nur für musische Bildung oder ästhetische Bildung, auch für Sportvereine. Es ist ja jetzt schon so, dass Kinder von Hartz-IV-Empfängern kostenlos Musikschulen und vieles besuchen können, das ist schon geregelt. Hier geht es praktisch um eine Summe, die es ihnen ermöglicht, in Vereinen, die kostenpflichtig sind, sich auch zu beteiligen.

Pindur: Frau Wanka, vielen Dank für das Gespräch!

Wanka: Bitte! Auf Wiederhören!

Pindur: Die niedersächsische Kultusministerin Johanna Wanka im Deutschlandradio Kultur.
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