"Wir haben nur als europäischer Konzern eine Chance"

Moderation: Birgit Kolkmann · 09.10.2006
Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von Airbus/EADS, Rüdiger Lütjen, hat eine mögliche Beteiligung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bei Airbus befürwortet. So lange wie die Staaten Spanien und Frankreich ihren Einfluss geltend machten, sei Deutschland gut beraten, eine gleiche Struktur zu schaffen, sagte Lütjen im Deutschlandradio Kultur.
Birgit Kolkmann:: Herr Lütjen, der Co-Chef von EADS, Thomas Enders, hat sich ja Donnerstag für Hamburg ausgesprochen. Sind Sie erleichtert oder weiter besorgt?

Rüdiger Lütgen: Ja, wir sind zum einen erleichtert, auf der anderen Seite gibt es, glaube ich, keinen Grund, jetzt Entwarnung zu geben. Denn das Einsparprogramm ist beschlossen, muss aufgearbeitet werden, und Entscheidungen konkret sind ja noch nicht gefallen.

Kolkmann:: Der Konzern ist in der Krise durch Missmanagement bei Airbus, das besagt eine interne Studie. Wie konnte es dazu kommen?

Lütgen: Ja, das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, dass im Management in Toulouse man sicherlich Warnhinweise, die über den wahren Stand des Programms A380 informiert haben, nicht ernst genommen wurden. Oder vielleicht wollte man sie auch nicht hören.

Kolkmann:: Sind denn ausreichend Warnungen nach Toulouse geschickt worden?

Lütgen: Ich denke, schon, also aus dem Kollegenkreis, Betriebsräte, das mittlere Management, es gab mit Sicherheit genug Hinweise, und das Ärgerliche ist ja: Die Analyse, die jetzt stattgefunden hat, hätte vor zwei, drei Jahren stattfinden müssen. Und Anzeichen gab es mit Sicherheit.

Kolkmann:: Wo liegt denn das Hauptproblem in der Fertigung, ist es die komplexe, schwierige Verkabelung, die nicht richtig funktioniert?

Lütgen: Ja, es ist kein Fertigungsproblem, sondern in der Konstruktion, im Engineering hat man es nicht geschafft, die, ja, Konstruktion der Elektrobereiche so hinzubekommen, dass man es in der Fertigung einbauen kann.

Kolkmann:: Kann man das denn noch wieder geradebiegen?

Lütgen: Ja, das muss man, da arbeiten die Kollegen mit Hochdruck dran. Das ist ja auch das Gute an der Analyse, man kann jetzt ganz konkret an den Stellen ansetzen, die verbessert werden müssen, und ein Bereich ist natürlich die Konstruktion ….

Kolkmann:: Sie sagen, in der Führungsetage wollte man nichts von den Problemen wissen. In der Führungsetage scheint sich etwas zu tun: Der Airbus-Chef, nach drei Monaten soll er schon seinen Dienst quittieren wollen und zu einem anderen Konzern wechseln wollen. Ist das das Hauptproblem bei Airbus?

Lütgen: Die Führungsetage?

Kolkmann:: Vor allen Dingen Airbus-Chef Streiff?

Lütgen: Nee, also man kann Herrn Streiff ja nun wirklich nicht vorwerfen, dass er mit irgendeinem Vorgang bei Airbus etwas zu tun hatte, und er hat ja gerade die Analysen angestoßen. Ich kenne auch nur die Gerüchte, ich will es einfach nicht kommentieren, weil ich es mir im Moment gar nicht vorstellen kann.

Kolkmann:: Es steht ja nun sehr viel auf dem Spiel. Sollte denn die Politik nun das Druckmittel Rüstungsaufträge anwenden?

Lütgen: Also ich denke, dass man nicht jetzt gleich mit Drohungen in die Gespräche starten sollte. Klar ist aber auch, dass das Unternehmen Airbus mit großer politischer Unterstützung aufgebaut wurde als europäisches Unternehmen, dass viele Vorleistungen insbesondere in Hamburg, aber auch durch die Bundesregierung geleistet wurden. Und ich denke, es ist das gute Recht der Politik zu sagen: Wir haben hier Steuermittel investiert, und wir erwarten von euch, dass hier auch in Deutschland Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden, und das ist, denke ich, eine gute Unterstützung, die wir da erfahren.

Kolkmann:: Sie haben gerade schon gesagt, gerade in Hamburg ist ja sehr viel investiert worden seitens des Senats. Wenn es tatsächlich zu einer Standortschließung käme, kommen dann hohe Regressforderungen auf den Konzern zu?

Lütgen: Das weiß ich nicht. Aber wir werden mit Sicherheit alles tun, damit das nicht zu Standortschließungen kommt. Man darf auch nicht vergessen, es wird immer von Hamburg sehr viel gesprochen, wir haben in Deutschland sieben Airbuswerke. Und es geht darum, dass wir hier alle Strukturen erhalten, alle Arbeitsplätze, alle Standorte, also mit Regressforderungen mag ich mich überhaupt nicht auseinandersetzen.

Kolkmann:: Schauen wir noch einmal Richtung Konzernzentrale in Toulouse. Es ist ja sehr, sehr genau austariert das Gleichgewicht Deutsch-Französisch in diesem binationalen Konzern. Da gibt es offenbar Ängste, dass der deutsche Einfluss etwas zurückgehen könnte. Sehen Sie das ähnlich?

Lütgen: Ach, Ängste gibt es wahrscheinlich auch auf der französischen Seite, ich rede ja auch viel mit meinen französischen Gewerkschaftskollegen. Ich glaube, es in unserem Konzern ganz wichtig, dass diese Balance erhalten wird, und wenn jetzt Lasten zu tragen sind, erwarten wir natürlich auch, dass die gleichmäßig verteilt werden und nicht zu Lasten eines Landes gehen. Insgesamt haben wir doch nur eine Chance als Airbus, als EADS, als europäischer Konzern und nicht als nationales Unternehmen.

Kolkmann:: Es wird ja nun darüber nachgedacht, ob die Bundesrepublik als Staat beim Konzern über die KfW finanziell einsteigt, also die Kreditanstalt für Wiederaufbau, staatliche Bank. Wäre das ein guter Schritt?

Lütgen: Ja, aus meiner Sicht, ja. Das mag man im EADS-Board anders sehen, aber ich glaube, solange wie die Staaten Frankreich, Spanien ihren Einfluss geltend machen, sind wir gut beraten, in der Bundesrepublik eine gleiche Struktur hinzubekommen. Wir Arbeitnehmervertreter haben eine klare Position: Wenn sich die anderen Staaten zurückziehen, werden wir nicht verlangen, dass sich Deutschland oder die Bundesregierung auch indirekt beteiligt.

Ich halte es aber für wichtig, dass wir gerade jetzt in der Umbauphase auch die deutschen Interessen im Board vertreten wissen, und ich glaube, es ist so, dass sich Daimler-Chrysler sich ja von weiteren Anteilen trennen will, da kommt es eben darauf an, dass man die auch mit konkreten Strukturen versieht, die dann auch wieder Einfluss auf die Unternehmenspolitik haben.

Kolkmann:: Von der Unternehmenspolitik noch einmal zur Verbraucherseite: Wann können denn Kunden damit rechnen, in einem Riesen-Airbus zu fliegen?

Lütgen: Also die Untersuchungen haben ja ergeben, dass die erste Maschine 2007 ausgeliefert wird, und ich bin da auch relativ optimistisch, dass jetzt die Pläne auch alle eingehalten werden. Man hat wirklich intensivst alle Arbeiten untersucht, und von daher denken wir, dass ab 2007 die Produktion wieder anlaufen wird.

Kolkmann:: Vielen Dank für das Interview in Deutschlandradio Kultur.