"Wir haben ja schon seit Jahren Rankings"
Der Rektor der TU Braunschweig, Jürgen Hesselbach, findet die Idee, forschungsschwache Universitäten zu Fachhochschulen herunterzustufen, mehr als abwegig. Aus einer schlechten Universität würde sicherlich keine gute Fachhochschule werden, sagt er.
Nana Brink: Dieser Vorstoß könnte ein Beben in der Hochschullandschaft auslösen: Unis, die ihre Forschung vernachlässigen, sollen zu Fachhochschulen herabgesetzt werden. Und umgekehrt: Fachhochschulen, die emsig forschen, sollen künftig sich mit dem Namen Universität schmücken dürfen. Das hat der neue Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, verkündet, und das neue Ratingsystem gleich auch als Mordsaufgabe bezeichnet. Der Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten, vor allen Dingen nicht bei den kleinen Unis, die nun um ihre Existenz fürchten könnten. Bei uns am Telefon ist jetzt Jürgen Hesselbach, Rektor der TU Braunschweig und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz Niedersachsen. Schönen guten Tag, Herr Hesselbach!
Jürgen Hesselbach: Schönen guten Tag, Frau Brink!
Brink: Was halten Sie denn von diesen neuen Ratingsystem?
Hesselbach:: Also zunächst einmal stelle ich mir natürlich die Frage, ob Herr Hippler das mit dieser Wortwahl gesagt hat, weil das würde nicht ganz passen zu dem, wie er das in der "Zeit" artikuliert hat, wo er ja von der Gleichwertigkeit der Fachhochschulen gesprochen hat. Und wenn Hochschulen gleichwertig sind, dann können wir nicht den einen Hochschultyp downgraden, wie es jetzt hier so schön heißt in dem Artikel der "Financial Times". Im Übrigen würde aus einer schlechten Universität durch eine Umwandlung auch nie eine gute Fachhochschule. Und was mich eigentlich – wenn er es denn so gesagt hätte – irritieren würde, wäre die doch sehr Überbetonung der Forschung, denn zu einer guten Universität gehört eben gute Forschung, aber auch eine gute Lehre.
Brink: Was ist aber denn erst mal falsch daran zu ermitteln, wie breit eine Uni forscht, ob nur einzelne Professoren forschen und wie exzellent sie ist?
Hesselbach:: Überhaupt gar nichts. Ich meine, wir brauchen ja nur – es ist jetzt wieder die Zeit der Rankings – in das CHE-Ranking reinschauen, wo gerade die Fächer Biologie, Chemie, Pharmazie und Physik neu bewertet worden sind. Und da wird beides bewertet, nämlich einmal, sind die gut in der Lehre, sind die gut in den Studienbedingungen, und wie sieht es mit der Forschung respektive wie sieht es mit den Forschungsgeldern aus. Und das ist, denke ich, eine Betrachtung, die man machen sollte.
Und jetzt ist eines richtig, man muss die Frage stellen bei einer Universität oder bei Fakultäten oder bei Fächern, wie sieht es denn jetzt an einer Universität, wie sieht es denn mit eurer Forschungsleistung aus. Und da sind einmal Drittmittel – wobei ich eigentlich diese reine Bruttoregistertonnenzählung immer für bedenklich halte, weil Drittmittel alleine noch nichts über die Qualität der Forschung aussagen –, aber dann die Frage, wie viel Promotionen finden denn an so einem Lehrstuhl statt. Und wenn man dann feststellt, in fünf Jahren gab es mal vielleicht eine Promotion, dann muss man schon mal genauer hingucken, was ist denn da los.
Brink: Also ist es doch eigentlich ein guter Vorschlag, denn eine gute Uni zeichnet doch eigentlich aus, wie viele Professoren forschen, Sie haben es gesagt, wie viele Doktoranden sie betreuen. Das ist ja nicht unwichtig zu wissen, auch gerade für die Studenten.
Hesselbach:: Ja, das ist aber auch keine neue Erkenntnis, dass man das sich angucken muss. Der Wissenschaftsrat hat vor Jahren mal ein Papier dazu produziert, wo auch mal aufgestellt worden ist, wie die Promotionsrate, also die Zahl der Promotionen pro Professor und pro Jahr ist, und da hat er auch schon die These aufgestellt, dass man sich schon die Frage stellen muss, wenn die Promotionsrate irgendwo deutlich unter eins ist, also weniger als eine Promotion pro Professor pro Jahr ist, was ist da los und ist das dann wirklich noch universitär.
Brink: Aber räumt denn dann nicht dieser Vorstoß auch mit dem Mythos auf, alle Unis in Deutschland sind qualitativ gleich gut? Das stimmt ja gar nicht!
Hesselbach:: Ja, der Mythos ist schon lange meiner Meinung nach beseitigt, übrigens nicht aus der Zeit der Exzellenzinitiative, wir haben ja schon seit Jahren Rankings, wo immer wieder die Unterschiedlichkeit festgestellt wird, wobei mich so ein bisschen der Begriff stört, qualitativ gleich. Also ich finde es schön, dass unsere Hochschulen verschieden sind – es gibt ja immer den schönen Satz: andersartig, aber gleichwertig –, und es ist einfach die Frage: Wie sind die Profile der einzelnen Hochschulen? Und da kann es Hochschulen geben, die stärkeren Wert auf Lehre legen, andere stärker auf Forschung, und das sollte man bitte gleich achten.
Brink: Aber es gibt ja die Einheit von Forschung und Lehre – immer noch –, die ja hochgehalten wird. Auch von Ihnen?
Hesselbach:: Ja selbstverständlich, wir sind eine Forscher-Uni. Die TU Braunschweig ist eine forschungsstarke Universität, überhaupt gar keine Frage, mit natürlich einer besonderen Stärke im ingenieurwissenschaftlichen, aber auch naturwissenschaftlichen Bereich. Da sind wir stolz drauf. Aber ich bin auch stolz drauf, dass wir, wenn ich mir das neueste CHE-Ranking angucke, in etlichen Fächern auch in der Lehre sehr stark und sehr gut bewertet werden.
Brink: Was würde denn im Fall eines solchen Ratings, wie es jetzt vorgeschlagen wird, passieren? Was befürchten Sie denn konkret, oder was müssten Sie befürchten für Ihre Technische Uni in Braunschweig?
Hesselbach:: Also für unsere technische Universität in Braunschweig müsste ich gar nichts befürchten, weil wir bei solch einem Rating gut abschneiden würden. Aber ich sage Ihnen mal ehrlich, wie ich die politische Landschaft einschätze, wird es dazu überhaupt gar nicht wirklich kommen. Also der Versuch, Universitäten sozusagen den Status, den Prestigestatus der Universität zu entziehen, das würde überhaupt gar nicht funktionieren, da gibt es in Deutschland Randale.
Brink: Aber trotzdem ist dieser Vorschlag ja auch dadurch gekennzeichnet, dass man versucht, eine Art von Bewertungssystem, das ja nicht schlecht ist – die privaten Universitäten werden ja auch bewertet –, was soll es denn Ihrer Meinung nach sonst für Kriterien für eine Bewertung von Unis geben?
Hesselbach:: Ja, aber die gibt es doch schon. Noch mal, ich wiederhole es: Es ist doch überhaupt nichts Neues. Wir haben diverse Rankings – ich habe es gerade erwähnt, das neueste CHE-Ranking in ein paar Fächern, gerade im Bereich der Naturwissenschaften, die haben wir doch schon.
Also wir haben doch heute schon ganz klar die Erkenntnis, es gibt forschungsstarke Universitäten, es gibt aber auch Universitäten, die stärker in der Lehre profiliert sind, wir haben die hervorragenden Fachhochschulen – das möchte ich bitte auch noch mal sagen –, die einen etwas anderen Bildungsauftrag haben, stärker anwendungsorientiert, stärker in der Berufsausbildung engagiert, ganz Toll übrigens auch in Teilen, es gibt auch Fachhochschulen, die in der Forschung stark sind – ich könnte jetzt mal eine nennen, zum Beispiel wie die Esslinger Fachhochschule, um nicht hier in der Nähe zu bleiben, ist hervorragend. Und da kann man sich dann wieder die Frage stellen: Ist denn diese klassische Abgrenzung Universität – Fachhochschule, die einen machen mehr Forschung, die anderen machen mehr Lehre, ist denn die noch so richtig?
Brink: Und Ihrer Meinung nach? Ist sie richtig oder nicht?
Hesselbach:: Ich würde mich an diesen Begrifflichkeiten nicht so festbeißen wollen, sondern ich meine, wir haben heute ein differenziertes Hochschulsystem, und dazu sollte man stehen.
Brink: Jürgen Hesselbach, Rektor der Technischen Uni Braunschweig und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz Niedersachsen. Herr Hesselbach, schönen Dank für das Gespräch!
Hesselbach:: Gern geschehen! Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jürgen Hesselbach: Schönen guten Tag, Frau Brink!
Brink: Was halten Sie denn von diesen neuen Ratingsystem?
Hesselbach:: Also zunächst einmal stelle ich mir natürlich die Frage, ob Herr Hippler das mit dieser Wortwahl gesagt hat, weil das würde nicht ganz passen zu dem, wie er das in der "Zeit" artikuliert hat, wo er ja von der Gleichwertigkeit der Fachhochschulen gesprochen hat. Und wenn Hochschulen gleichwertig sind, dann können wir nicht den einen Hochschultyp downgraden, wie es jetzt hier so schön heißt in dem Artikel der "Financial Times". Im Übrigen würde aus einer schlechten Universität durch eine Umwandlung auch nie eine gute Fachhochschule. Und was mich eigentlich – wenn er es denn so gesagt hätte – irritieren würde, wäre die doch sehr Überbetonung der Forschung, denn zu einer guten Universität gehört eben gute Forschung, aber auch eine gute Lehre.
Brink: Was ist aber denn erst mal falsch daran zu ermitteln, wie breit eine Uni forscht, ob nur einzelne Professoren forschen und wie exzellent sie ist?
Hesselbach:: Überhaupt gar nichts. Ich meine, wir brauchen ja nur – es ist jetzt wieder die Zeit der Rankings – in das CHE-Ranking reinschauen, wo gerade die Fächer Biologie, Chemie, Pharmazie und Physik neu bewertet worden sind. Und da wird beides bewertet, nämlich einmal, sind die gut in der Lehre, sind die gut in den Studienbedingungen, und wie sieht es mit der Forschung respektive wie sieht es mit den Forschungsgeldern aus. Und das ist, denke ich, eine Betrachtung, die man machen sollte.
Und jetzt ist eines richtig, man muss die Frage stellen bei einer Universität oder bei Fakultäten oder bei Fächern, wie sieht es denn jetzt an einer Universität, wie sieht es denn mit eurer Forschungsleistung aus. Und da sind einmal Drittmittel – wobei ich eigentlich diese reine Bruttoregistertonnenzählung immer für bedenklich halte, weil Drittmittel alleine noch nichts über die Qualität der Forschung aussagen –, aber dann die Frage, wie viel Promotionen finden denn an so einem Lehrstuhl statt. Und wenn man dann feststellt, in fünf Jahren gab es mal vielleicht eine Promotion, dann muss man schon mal genauer hingucken, was ist denn da los.
Brink: Also ist es doch eigentlich ein guter Vorschlag, denn eine gute Uni zeichnet doch eigentlich aus, wie viele Professoren forschen, Sie haben es gesagt, wie viele Doktoranden sie betreuen. Das ist ja nicht unwichtig zu wissen, auch gerade für die Studenten.
Hesselbach:: Ja, das ist aber auch keine neue Erkenntnis, dass man das sich angucken muss. Der Wissenschaftsrat hat vor Jahren mal ein Papier dazu produziert, wo auch mal aufgestellt worden ist, wie die Promotionsrate, also die Zahl der Promotionen pro Professor und pro Jahr ist, und da hat er auch schon die These aufgestellt, dass man sich schon die Frage stellen muss, wenn die Promotionsrate irgendwo deutlich unter eins ist, also weniger als eine Promotion pro Professor pro Jahr ist, was ist da los und ist das dann wirklich noch universitär.
Brink: Aber räumt denn dann nicht dieser Vorstoß auch mit dem Mythos auf, alle Unis in Deutschland sind qualitativ gleich gut? Das stimmt ja gar nicht!
Hesselbach:: Ja, der Mythos ist schon lange meiner Meinung nach beseitigt, übrigens nicht aus der Zeit der Exzellenzinitiative, wir haben ja schon seit Jahren Rankings, wo immer wieder die Unterschiedlichkeit festgestellt wird, wobei mich so ein bisschen der Begriff stört, qualitativ gleich. Also ich finde es schön, dass unsere Hochschulen verschieden sind – es gibt ja immer den schönen Satz: andersartig, aber gleichwertig –, und es ist einfach die Frage: Wie sind die Profile der einzelnen Hochschulen? Und da kann es Hochschulen geben, die stärkeren Wert auf Lehre legen, andere stärker auf Forschung, und das sollte man bitte gleich achten.
Brink: Aber es gibt ja die Einheit von Forschung und Lehre – immer noch –, die ja hochgehalten wird. Auch von Ihnen?
Hesselbach:: Ja selbstverständlich, wir sind eine Forscher-Uni. Die TU Braunschweig ist eine forschungsstarke Universität, überhaupt gar keine Frage, mit natürlich einer besonderen Stärke im ingenieurwissenschaftlichen, aber auch naturwissenschaftlichen Bereich. Da sind wir stolz drauf. Aber ich bin auch stolz drauf, dass wir, wenn ich mir das neueste CHE-Ranking angucke, in etlichen Fächern auch in der Lehre sehr stark und sehr gut bewertet werden.
Brink: Was würde denn im Fall eines solchen Ratings, wie es jetzt vorgeschlagen wird, passieren? Was befürchten Sie denn konkret, oder was müssten Sie befürchten für Ihre Technische Uni in Braunschweig?
Hesselbach:: Also für unsere technische Universität in Braunschweig müsste ich gar nichts befürchten, weil wir bei solch einem Rating gut abschneiden würden. Aber ich sage Ihnen mal ehrlich, wie ich die politische Landschaft einschätze, wird es dazu überhaupt gar nicht wirklich kommen. Also der Versuch, Universitäten sozusagen den Status, den Prestigestatus der Universität zu entziehen, das würde überhaupt gar nicht funktionieren, da gibt es in Deutschland Randale.
Brink: Aber trotzdem ist dieser Vorschlag ja auch dadurch gekennzeichnet, dass man versucht, eine Art von Bewertungssystem, das ja nicht schlecht ist – die privaten Universitäten werden ja auch bewertet –, was soll es denn Ihrer Meinung nach sonst für Kriterien für eine Bewertung von Unis geben?
Hesselbach:: Ja, aber die gibt es doch schon. Noch mal, ich wiederhole es: Es ist doch überhaupt nichts Neues. Wir haben diverse Rankings – ich habe es gerade erwähnt, das neueste CHE-Ranking in ein paar Fächern, gerade im Bereich der Naturwissenschaften, die haben wir doch schon.
Also wir haben doch heute schon ganz klar die Erkenntnis, es gibt forschungsstarke Universitäten, es gibt aber auch Universitäten, die stärker in der Lehre profiliert sind, wir haben die hervorragenden Fachhochschulen – das möchte ich bitte auch noch mal sagen –, die einen etwas anderen Bildungsauftrag haben, stärker anwendungsorientiert, stärker in der Berufsausbildung engagiert, ganz Toll übrigens auch in Teilen, es gibt auch Fachhochschulen, die in der Forschung stark sind – ich könnte jetzt mal eine nennen, zum Beispiel wie die Esslinger Fachhochschule, um nicht hier in der Nähe zu bleiben, ist hervorragend. Und da kann man sich dann wieder die Frage stellen: Ist denn diese klassische Abgrenzung Universität – Fachhochschule, die einen machen mehr Forschung, die anderen machen mehr Lehre, ist denn die noch so richtig?
Brink: Und Ihrer Meinung nach? Ist sie richtig oder nicht?
Hesselbach:: Ich würde mich an diesen Begrifflichkeiten nicht so festbeißen wollen, sondern ich meine, wir haben heute ein differenziertes Hochschulsystem, und dazu sollte man stehen.
Brink: Jürgen Hesselbach, Rektor der Technischen Uni Braunschweig und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz Niedersachsen. Herr Hesselbach, schönen Dank für das Gespräch!
Hesselbach:: Gern geschehen! Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.