"Wir haben einen Wandel der Gesellschaft"

Thomas Goppel im Gespräch mit Nana Brink |
Angesichts der Klausurtagung in Wildbad Kreuth fordert Ex-CSU-Generalsekretär Thomas Goppel seine Partei auf, über Kurs-Korrekturen nachzudenken und sich den Entwicklungen und geänderten Bedürfnissen in der Bevölkerung anzupassen.
Nana Brink: Heute also wird sich die CSU in Kreuth wohl eher mit sich selbst beschäftigen. Die Skandale um die Bayerische Landesbank, Milliarden-Verluste und sinkende Umfragewerte, die die volksgewohnte Partei schon unter 40 Prozent sehen – wir haben es gehört -, machen der CSU zu schaffen. Ich spreche jetzt mit Thomas Goppel, ehemaliger Generalsekretär der CSU, Ex-Bildungsminister in Bayern und er sitzt jetzt für die CSU im bayerischen Landtag. Einen schönen guten Morgen, Herr Goppel.

Thomas Goppel: Guten Morgen, Frau Brink.

Brink: Ihr Parteichef Horst Seehofer hat gestern ja markige Worte gefunden gegen die FDP. Lenkt das nicht ab von den eigenen hausgemachten Problemen der CSU?

Goppel: Wenn man sich zusammensetzt, egal wo und wer und wann, wird man immer überprüfen, wo der eigene Standort im Zusammenhang mit anderen, in die man in die Gemeinschaft verpflichtet ist, ist und dabei kommt selbstverständlich auch der Blick auf den anderen nicht zu kurz. Und dass sich andere wie Sie zum Beispiel am liebsten darauf stürzen, dass wir wieder was wissen, was die anderen noch besser machen können, das ist logisch. Umgekehrt, glaube ich, wird sehr wohl darüber geredet, was bei uns durchaus sich auch noch verbessern könnte.

Brink: Dann reden wir doch mal über sie. Das Bild der CSU ist ja bejammernswert, weit entfernt vom einstigen Selbstbewusstsein mit diesem bayerischen "mir san mir"-Gefühl, auch nicht in Berlin. Wo ist das geblieben?

Goppel: Nein. Wir haben einen Wandel der Gesellschaft und einen Wandel unserer Zeiten. Die CSU war ein Monolith und ist es selbst heute noch. Sagen Sie mir mal einen einzigen Landesverband oder eine Partei in ganz Europa, die unter demokratischen Bedingungen, also unter denen der freien Wahl der Bürger, in der Größenordnung unterwegs ist? Die sind alle in der gleichen Größenordnung im Prinzip zurückgebrochen auf ihre 30 Prozent oder gar auf die 20, wie die SPD bei uns …

Brink: Und sie unter 40!

Goppel: Moment! … sind in einer Situation, in der sie feststellen, wir sind die doppelte Menge. Die SPD war mal bei 30, da waren wir bei 60. Ganz schlicht und einfach: Die Bevölkerung hat sich gewandelt. Ob die CSU schnell genug war, ist eine Frage der Diskussion. An der beteilige ich mich heftig und will Ihnen gerne zugestehen, es gibt eine Reihe von Fragen wie in der Bildungspolitik, wo die Bevölkerung sich so gewandelt hat, dass unsere Strukturen das nicht mehr tragen, sondern eine Korrektur notwendig machen.

Brink: Es gibt ja auch viele Stimmen an der Basis, die einfach frustriert sind, wie die Partei mit den Skandalen um die Bayerische Landesbank zum Beispiel oder den Kauf der Bank Hypo Alpe Adria umgeht, und die Wähler sagen dann oder auch die Leute an der Basis, wir haben keine Argumente mehr für unsere Wähler, ihr da oben sprecht nicht mehr unsere Sprache. Sie haben es gesagt: die SPD hat ja gerade vorgemacht, was dann passiert mit einer Volkspartei.

Goppel: Ich habe Ihnen gerade zugestanden, es gibt eine Reihe von Dingen, die müssen analysiert und geändert werden. Dazu muss man Sprache ändern, dazu muss man die Personen in die Pflicht nehmen, dass sich etwas ändert. Diese Inpflichtnahme hat bei uns bis jetzt kaum stattgefunden.

Es gibt sicherlich die Diskussion um Fragestellungen, wer ist da wo in welcher Form verantwortlich und zusätzlich in der Lage, was zu machen, aber es gibt nicht die Debatte, wie kriegen wir das morgen gemeinsam in den Griff. Das findet sicher heute und morgen und nächste Woche in entsprechender Form statt. Deswegen müssen nicht immer gleich Köpfe rollen, denn in allen Zusammenhängen ist nicht die erste Frage, wer überlebt, sondern die erste Frage, wie überleben wir gemeinsam eine momentane Situation.

Brink: Aber wie kann man überleben, wenn CSU-Chef Seehofer ja wieder eingeknickt ist? Den Landesbank-Skandal hätte er gerne seinen Vorgängern angehaftet, nun ist er wieder zurückgerudert und sagt, es gibt keine Vorverurteilung. Glauben Sie, dass eine Parteibasis das versteht?

Goppel: Mir gefällt, dass der Vorsitzende entdeckt hat, dass man andere genauso wenig vorverurteilt wie man ihn vorverurteilen darf, und das ist eigentlich eine Frage zur Einsicht und zur besseren Selbsterkenntnis, denn es gilt für uns alle: Wir tun die Dinge unter anderen Voraussetzungen, als wir sie nachher beurteilen. Schiedsrichter spielen kann man unglaublich gut, wenn man die Fernsehaufnahme sieht. Während des Augenblicks ist es ausgesprochen schwierig, und das gerät leider sehr in Vergessenheit.

Und Sie dürfen nicht vergessen: Die Damen und Herren rund um Sie herum, unabhängig von unserem jetzigen Gespräch – da habe ich nicht das Gefühl, das will ich gerne ausdrücklich sagen -, sind natürlich schon auch dazu angetan, immer noch mal ein bisschen zu sticheln und zusätzlich an Dramatik zuzulegen und draufzusatteln.

Schauen Sie, ich habe gesagt für nächste Woche, wir haben dem Ministerpräsidenten deutlich gemacht, dass ich mir vorstellen kann, dass wir sehr intensiv und in aller Ruhe darüber reden, wie in der Zukunft bestimmte in Pflicht Nahmen aussehen. Die "Bild"-Zeitung hat daraus gemacht, es gäbe einen scharfen Angriff geben den Ministerpräsidenten. Ich kann es leider nicht ändern, dass jemand anderer etwas anders interpretiert als ich sage. Das gilt für Vorsitzende mehr als für einfache vormalige Minister.

Brink: Was ist, wenn die CSU wirklich unter die 40-Prozent-Marke rutscht?

Goppel: Dann wird sie daran arbeiten, dass wir wieder drübergehen. Ich will Ihnen noch mal sagen: wir sind in der Bildungspolitik heftig dran. Ob die Positionen schon alle stimmen, da bin ich noch dick im Streit mit meinen Freunden, da brauche ich nicht auf die FDP herfallen, sondern das mache ich mit den eigenen Freunden aus.

Wir sind in der Familienpolitik noch nicht gesettelt genug, wir werden ständig falsch interpretiert zum Betreuungsgeld und anderem. Das heißt, wir haben Kommunikationsschwierigkeiten nach innen und nach außen. Diese Phase muss überwunden sein, dann kann man auch wieder über 40 kommen. Dass wir über 60 sogar in der Lage sind zu kommen, hat der Karl-Theodor zu Guttenberg in seinem Wahlergebnis letztes Jahr in Oberfranken bewiesen.

Brink: Könnte er denn der neue Retter der CSU sein?
Goppel: Was heißt hier "der neue Retter"? Er ist ja schon da! Also neu ist er schon nicht mehr. Wenn überhaupt, dann ist er einer von denen, auf denen Zukunftshoffnung ruht. Da ist er nicht allein, da gibt es ein paar mehr, da gibt es ein paar umstrittene und ein paar unumstrittene und bei den unumstrittenen, bin ich sicher, werden wir bald zu einer guten einvernehmlichen Lösung kommen.

Brink: Thomas Goppel, ehemaliger Generalsekretär der CSU und Ex-Landesminister, jetzt im Landtag von Bayern, und wir sprachen über den Zustand der CSU. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Goppel.

Goppel: Danke Ihnen, Frau Brink. Guten Tag!