"Wir gehen ganz subjektiv vor"
Den Erfolg der Kölner Lit.Cologne erklärt sich Traude Bünger damit, dass sie als Veranstalter die Autoren einladen, für die sie eine Leidenschaft empfinden. Zu dem zehntägigen Lesefest werden unter anderen Herta Müller, Nick Hornby und Henning Mankell erwartet.
Katrin Heise: Herta Müller, Nick Hornby, Siegfried Lenz, Martin Suter, Martin Walser, Ulla Hahn, Margaret Atwood, Frank Schätzing, Henning Mankell – das sind nur einige derjenigen, die in den nächsten Tagen in Köln auf der Lit.Cologne zu erleben sein werden. Eine ganz schön ordentliche Liste von Autoren- und Schriftstellernamen. Ich begrüße die Mitorganisatorin und Programmmacherin der Lit.Cologne, Traudl Bünger, schönen guten Tag, Frau Bünger!
Traudl Bünger: Guten Tag!
Heise: Herzlichen Glückwunsch kann man ja eigentlich schon sagen zum 10. Geburtstag!
Bünger: Ja, noch nicht ganz, das können Sie erst sagen, wenn das Festival wirklich gut hinter uns liegt, aber die Geburtstagskerzen sind sozusagen schon vorbereitet.
Heise: Genau, und zum Auspusten bereit. Die erste Lit.Cologne lud 2001 zeitgleich mit der altehrwürdigen Leipziger Buchmesse zu Lesungen, war das eigentlich als Konkurrenz gedacht?
Bünger: Nicht in dem Sinne. Wir haben einfach gedacht, es fehlt einfach im Frühjahr und auch gerade hier im Rheinland ein kraftvolles Ereignis, das dem Buch irgendwie die Aufmerksamkeit gibt, die es verdient, und das eben nicht nur als Branchentreff, sondern vor allem für die Leute, die eben letztendlich die Bücher in die Hand nehmen sollen, in die Buchhandlung gehen sollen und die es lesen sollen, die sollen auch im Frühjahr richtig erfahren, was es für tolle Bücher und für Autoren zu entdecken gibt.
Heise: Und da hat sich im Reisezirkus der ganzen Schriftsteller wahrscheinlich so ein Datum auch angeboten, wenn die sowieso unterwegs sind.
Bünger: Genau, also für viele internationale Autoren ist es sogar praktisch, sie können dann eben erst zu uns kommen und dann nach Leipzig oder andersrum. Die Verlage sind mittlerweile eigentlich auch größtenteils ganz dankbar dafür. Ein bisschen schwierig ist es natürlich für viele Kollegen, die Moderatoren sind und Journalisten, die müssen sich dann ein bisschen aufteilen, und da haben wir auch schon den ein oder anderen eben nicht an dem Datum haben können, an dem wir ihn gerne gehabt hätten, weil er in Leipzig ist.
Heise: Aber ich habe ja einige Namen der Autoren schon vorgelesen, die Liste ist eben noch viel, viel länger. Inzwischen findet die Lit.Cologne eine Woche früher als die Leipziger Buchmesse statt, und ich habe gelesen, dass einige Schriftsteller nach ihrem Auftritt in Köln gar nicht mehr nach Leipzig weiterfahren. Was reizt die so an Köln?
Bünger: Also einerseits ist es natürlich mittlerweile schon ein kleiner Szenetreff geworden, das heißt, die Autoren wissen, dass sie abends im Festivalcafé Kollegen treffen werden, wo man sich dann noch mal bei Kölsch und in netter Atmosphäre am Rhein eben austauschen kann und alle erfreut sind, weil sie ihre Lesungen hinter sich hatten. Dann ist aber auch ein ganz wichtiger Punkt: Wir haben ein tolles Publikum in Köln, also ein sehr experimentierfreudiges, ein sehr neugieriges und auch durchaus anspruchsvolles, aber auch ich möchte sagen vielleicht belastbares Publikum, also man kann ihm durchaus auch was zutrauen. Und das ist natürlich toll für die Autoren. Die merken, dass man sich da richtig ausprobieren kann, und ja, Foren findet, was schon was Spezielles ist.
Heise: Sie haben das Publikum angesprochen, das strömt ja in Massen zu den Veranstaltungen, also in Köln werden Hallen mit Literatur gefüllt. Welches ist denn genau Ihr Erfolgsrezept?
Bünger: Im Prinzip versuchen wir eben mit dem Festival genau das zu tun, was ein guter Verlag oder ein gutes Feuilleton auch macht, wir versuchen die Autoren vorzustellen, die wir mögen, die wir gut finden, für die wir Leidenschaft empfinden, und wir möchten ihnen dann eben die perfekte Form bieten. Das fängt an mit dem perfekten Saal – das kann ein großer oder ein sehr kleiner sein –, geht dann weiter mit dem perfekten Moderator, wir suchen also jemanden, der eben zum Autor passt, ob es jetzt schüchtern ist oder ein draufgängerischer oder einer, der sich gerne präsentiert. Also wenn man versucht, es auf eine Formel zu bringen, dann kann man eigentlich nur sagen, wir gehen ganz subjektiv vor und laden die Autoren ein und bearbeiten die Themen, die uns interessieren, und dieses Interesse überträgt sich. Das schaffen wir, das ist unser Glück.
Heise: Das sind natürlich durchaus auch Namen, die sowieso jetzt ganz oben auf irgendwelchen Listen stehen – ich sage nur Herta Müller oder Martin Suter. Das hat ja auch ein bisschen was von Starkult, oder? Welche Chancen haben denn tatsächlich junge, unbekannte Talente, schwierige Stoffe, die jetzt nicht auf einer aktuellen Agenda stehen?
Bünger: Neben den großen Namen, neben den Bestsellerautoren finden sich bei uns auch immer ganz kleine, feine Veranstaltungen. Ich kann jetzt mal eins aus dem aktuellen Programm nennen: Peter Kurzeck wird kommen und ein Live-Erzählexperiment machen. Das Projekt heißt "Da fährt mein Zug", und er wird ohne Manuskript und ohne Textauswahl vorher in den Veranstaltungsraum gehen und nur im Gespräch dann erzählen, seine Geschichten entwickeln. Wir haben auch ein Prinzip, das machen wir schon seit einigen Jahren, um junge Talente zu fördern, das nennt sich die Lit.Cologne-Patenschaften. Da gibt es immer einen bereits eingeführteren Autor, wie eine Art Hauptband für einen noch unbekannten Newcomer. Da haben wir zum Beispiel eine österreichische Kombination in diesem Jahr, die sehr schön ist, mit Eva Menasse und Clemens Berger, ein noch ganz junger Autor, der wahrscheinlich ansonsten in Köln nicht so viel Publikum gezogen hätte und jetzt immerhin vor 150 Leuten lesen kann.
Heise: Das zehnte Mal Lit.Cologne, ab heute bis zum 20. März steht die Literatur im Mittelpunkt des Kölner Interesses. Im Deutschlandradio Kultur hören Sie eine der Programmmacherinnen der Lit.Cologne, Traudl Bünger nämlich. Frau Bünger, zehn Jahre, der Literaturkritiker der "Welt", Joachim Lottmann, der hat sich vor einigen Jahren schon am Eventcharakter in Köln auf der Lit.Cologne gerieben. Da ging es ihm ein bisschen zu wenig um die Literatur an sich, was sagen Sie dem?
Bünger: Da sprechen Sie natürlich einen Punkt an, der uns immer wieder vorgeworfen wird, auch gerade vom Feuilleton. Da kann ich nur sagen, das ist richtig, wir hauen mit einigen Sachen immer groß auf die Pauke, wir haben jetzt eine Lesung mit Frank Schätzing in der Kölnarena vor sehr großem Publikum, wir hatten "Die größte Deutschstunde der Welt" mit Bastian Sick, aber wir versuchen, uns darum zu bemühen, für jeden Autor die passende Form zu finden. Und da ist eben auch mal oder sehr oft sogar was dabei, was gar nichts mit Event zu tun hat, sondern was ganz klein, fein, still, bescheiden und klug daherkommt.
Heise: Schauen wir doch mal genauer ins Programm, Sie haben ja schon so ein paar Punkte angesprochen. Gleich zum Auftakt geht es um das Zusammenspiel oder den Gegensatz, je nachdem, zwischen Politik und Kunst. Morgen sprechen nämlich die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und Ai Weiwei als einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler Chinas über die alten Fragen, wie politisch kann, darf oder muss künstlerische Arbeit sein. Ist das auch ein Statement der Lit.Cologne?
Bünger: Das ist auf jeden Fall eine Frage, die uns sehr interessiert, denn die Lit.Cologne ist ja, was Sachbuchthemen angeht, dafür bekannt, dass sie sich immer wieder in Debatten einmischt. Wir haben dieses Jahr zum Beispiel auch einen Abend zum Thema Geld mit Christina von Braun. Das ist ein Thema, also inwiefern kann und darf Literatur sich einmischen und soll sie es tun und welche Statements traut man ihr zu, verkraftet sie und wann übernimmt sie sich da. Und ich bin persönlich sehr gespannt darauf, wie Herta Müller und Ai Weiwei diese Frage für sich beantworten.
Heise: Wie politisch wird denn das Literaturfestival reagieren in Bezug auf den chinesischen Autor Liao Yiwu, der eigentlich auf der Lit.Cologne lesen wollte, von den chinesischen Behörden daran gehindert wurde, das Gleiche ist ihm auch schon mal anlässlich der Frankfurter Buchmesse passiert im Herbst. Das heißt, da haben die chinesischen Behörden die Ausreise ebenfalls verweigert. Hatten Sie nicht damit gerechnet? Wie werden Sie jetzt reagieren?
Bünger: Wir haben sehr gehofft, dass er kommen kann, und es sah auch zwischendurch nicht schlecht aus. Wir haben sehr viel dafür getan, nicht nur wir, auch das Auswärtige Amt, also wir haben da alle versucht, an einem Strick zu ziehen, auch mit den Kollegen vom Fischer Verlag, die ja sich da auch sehr viel Mühe gegeben haben. Wir haben wirklich lange Wochen gekämpft, gemeinsam mit Liao Yiwu zusammen, und letztendlich hat es nicht geklappt, das war wirklich eine große Enttäuschung. Denn wenn man so lange sich um etwas bemüht, dann wird die Hoffnung eben doch wach, dass es wahr werden könnte, und wir hätten uns sehr gefreut, ihn hier zu haben. Herta Müller hätte ihn gerne kennengelernt, also es gibt diverse Punkte, aus denen wir jetzt wirklich traurig sind. Uns geht es aber jetzt neben dem politischen Setting vor allem um den Autor Liao Yiwu, und der ist wirklich ein ganz brillanter Autor. Also die "New York Times" hat geschrieben, seine Geschichten gehören zum kulturellen Erbe der Menschheit, und das finde ich nicht zu hoch gegriffen. Also es ist wirklich eine Form, die er da gefunden hat, gerade in diesem neuen Buch "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser", über China und die Gesellschaft zu berichten, die so subtil und so vielschichtig ist, wie man es eigentlich fast nicht vorstellen konnte, zumindest nicht, wenn man wie wir ein recht einseitiges Bild von China haben. Und diesem Werk wollen wir gerne in einer Veranstaltung Raum geben und haben dafür einen alten Freund des Hauses der Lit.Cologne gewonnen für die Moderation, Roger Willemsen, der selbst ja auch Botschafter der Amnesty International ist, außerdem noch eine Dame von Amnesty International, Monika Lüke, sie ist Generalsekretärin und wird eben die Menschenrechtsseite beleuchten. Das Plenum zeigt schon, wir möchten gerne natürlich den Fall besprechen und auch ein wenig ihn politisch einordnen und uns fragen, was hat das für die Literatur, die Kunst zu bedeuten, wenn eine Regierung so rigoros verhindert, dass ein Autor seine Leser treffen kann. Aber wir wollen vor allem auch dieses ganz besondere Werk würdigen.
Heise: Sie haben jetzt schon viele Veranstaltungen erwähnt, und bei 175 ist das bestimmt auch eine ganz schwere Auswahl zu treffen. Welche liegt Ihnen ganz besonders am Herzen?
Bünger: Das wechselt. Gerade liegt mir eine sehr besonders am Herzen, weil ich gerade gestern mit Ulrich Matthes telefoniert habe, der einen ganz tollen schwedischen Autor lesen wird, Jerker Virdborg, die einfach gerade jetzt so noch mal hochgeschaukelt wurde, weil Ulrich Matthes den Text so gerne mochte und sich schon so freut auf die Veranstaltung. Das ist ein Autor, der auch in Deutschland noch nicht ganz durchgesetzt ist, und wo wir eben Herrn Matthes gewinnen konnten, so ein bisschen mit seiner Prominenz und seiner großartigen Vorlesekunst für diesen tollen Autor mit ins Boot zu steigen.
Heise: Na dann wünsche ich Ihnen viel Spaß in den kommenden zehn Tagen, viel Spaß und natürlich auch viel Kraft für die vielen, vielen Unternehmungen, für die vielen, vielen Veranstaltungen.
Bünger: Vielen Dank!
Heise: Vielen Dank, Traudl Bünger, für dieses Gespräch!
Traudl Bünger: Guten Tag!
Heise: Herzlichen Glückwunsch kann man ja eigentlich schon sagen zum 10. Geburtstag!
Bünger: Ja, noch nicht ganz, das können Sie erst sagen, wenn das Festival wirklich gut hinter uns liegt, aber die Geburtstagskerzen sind sozusagen schon vorbereitet.
Heise: Genau, und zum Auspusten bereit. Die erste Lit.Cologne lud 2001 zeitgleich mit der altehrwürdigen Leipziger Buchmesse zu Lesungen, war das eigentlich als Konkurrenz gedacht?
Bünger: Nicht in dem Sinne. Wir haben einfach gedacht, es fehlt einfach im Frühjahr und auch gerade hier im Rheinland ein kraftvolles Ereignis, das dem Buch irgendwie die Aufmerksamkeit gibt, die es verdient, und das eben nicht nur als Branchentreff, sondern vor allem für die Leute, die eben letztendlich die Bücher in die Hand nehmen sollen, in die Buchhandlung gehen sollen und die es lesen sollen, die sollen auch im Frühjahr richtig erfahren, was es für tolle Bücher und für Autoren zu entdecken gibt.
Heise: Und da hat sich im Reisezirkus der ganzen Schriftsteller wahrscheinlich so ein Datum auch angeboten, wenn die sowieso unterwegs sind.
Bünger: Genau, also für viele internationale Autoren ist es sogar praktisch, sie können dann eben erst zu uns kommen und dann nach Leipzig oder andersrum. Die Verlage sind mittlerweile eigentlich auch größtenteils ganz dankbar dafür. Ein bisschen schwierig ist es natürlich für viele Kollegen, die Moderatoren sind und Journalisten, die müssen sich dann ein bisschen aufteilen, und da haben wir auch schon den ein oder anderen eben nicht an dem Datum haben können, an dem wir ihn gerne gehabt hätten, weil er in Leipzig ist.
Heise: Aber ich habe ja einige Namen der Autoren schon vorgelesen, die Liste ist eben noch viel, viel länger. Inzwischen findet die Lit.Cologne eine Woche früher als die Leipziger Buchmesse statt, und ich habe gelesen, dass einige Schriftsteller nach ihrem Auftritt in Köln gar nicht mehr nach Leipzig weiterfahren. Was reizt die so an Köln?
Bünger: Also einerseits ist es natürlich mittlerweile schon ein kleiner Szenetreff geworden, das heißt, die Autoren wissen, dass sie abends im Festivalcafé Kollegen treffen werden, wo man sich dann noch mal bei Kölsch und in netter Atmosphäre am Rhein eben austauschen kann und alle erfreut sind, weil sie ihre Lesungen hinter sich hatten. Dann ist aber auch ein ganz wichtiger Punkt: Wir haben ein tolles Publikum in Köln, also ein sehr experimentierfreudiges, ein sehr neugieriges und auch durchaus anspruchsvolles, aber auch ich möchte sagen vielleicht belastbares Publikum, also man kann ihm durchaus auch was zutrauen. Und das ist natürlich toll für die Autoren. Die merken, dass man sich da richtig ausprobieren kann, und ja, Foren findet, was schon was Spezielles ist.
Heise: Sie haben das Publikum angesprochen, das strömt ja in Massen zu den Veranstaltungen, also in Köln werden Hallen mit Literatur gefüllt. Welches ist denn genau Ihr Erfolgsrezept?
Bünger: Im Prinzip versuchen wir eben mit dem Festival genau das zu tun, was ein guter Verlag oder ein gutes Feuilleton auch macht, wir versuchen die Autoren vorzustellen, die wir mögen, die wir gut finden, für die wir Leidenschaft empfinden, und wir möchten ihnen dann eben die perfekte Form bieten. Das fängt an mit dem perfekten Saal – das kann ein großer oder ein sehr kleiner sein –, geht dann weiter mit dem perfekten Moderator, wir suchen also jemanden, der eben zum Autor passt, ob es jetzt schüchtern ist oder ein draufgängerischer oder einer, der sich gerne präsentiert. Also wenn man versucht, es auf eine Formel zu bringen, dann kann man eigentlich nur sagen, wir gehen ganz subjektiv vor und laden die Autoren ein und bearbeiten die Themen, die uns interessieren, und dieses Interesse überträgt sich. Das schaffen wir, das ist unser Glück.
Heise: Das sind natürlich durchaus auch Namen, die sowieso jetzt ganz oben auf irgendwelchen Listen stehen – ich sage nur Herta Müller oder Martin Suter. Das hat ja auch ein bisschen was von Starkult, oder? Welche Chancen haben denn tatsächlich junge, unbekannte Talente, schwierige Stoffe, die jetzt nicht auf einer aktuellen Agenda stehen?
Bünger: Neben den großen Namen, neben den Bestsellerautoren finden sich bei uns auch immer ganz kleine, feine Veranstaltungen. Ich kann jetzt mal eins aus dem aktuellen Programm nennen: Peter Kurzeck wird kommen und ein Live-Erzählexperiment machen. Das Projekt heißt "Da fährt mein Zug", und er wird ohne Manuskript und ohne Textauswahl vorher in den Veranstaltungsraum gehen und nur im Gespräch dann erzählen, seine Geschichten entwickeln. Wir haben auch ein Prinzip, das machen wir schon seit einigen Jahren, um junge Talente zu fördern, das nennt sich die Lit.Cologne-Patenschaften. Da gibt es immer einen bereits eingeführteren Autor, wie eine Art Hauptband für einen noch unbekannten Newcomer. Da haben wir zum Beispiel eine österreichische Kombination in diesem Jahr, die sehr schön ist, mit Eva Menasse und Clemens Berger, ein noch ganz junger Autor, der wahrscheinlich ansonsten in Köln nicht so viel Publikum gezogen hätte und jetzt immerhin vor 150 Leuten lesen kann.
Heise: Das zehnte Mal Lit.Cologne, ab heute bis zum 20. März steht die Literatur im Mittelpunkt des Kölner Interesses. Im Deutschlandradio Kultur hören Sie eine der Programmmacherinnen der Lit.Cologne, Traudl Bünger nämlich. Frau Bünger, zehn Jahre, der Literaturkritiker der "Welt", Joachim Lottmann, der hat sich vor einigen Jahren schon am Eventcharakter in Köln auf der Lit.Cologne gerieben. Da ging es ihm ein bisschen zu wenig um die Literatur an sich, was sagen Sie dem?
Bünger: Da sprechen Sie natürlich einen Punkt an, der uns immer wieder vorgeworfen wird, auch gerade vom Feuilleton. Da kann ich nur sagen, das ist richtig, wir hauen mit einigen Sachen immer groß auf die Pauke, wir haben jetzt eine Lesung mit Frank Schätzing in der Kölnarena vor sehr großem Publikum, wir hatten "Die größte Deutschstunde der Welt" mit Bastian Sick, aber wir versuchen, uns darum zu bemühen, für jeden Autor die passende Form zu finden. Und da ist eben auch mal oder sehr oft sogar was dabei, was gar nichts mit Event zu tun hat, sondern was ganz klein, fein, still, bescheiden und klug daherkommt.
Heise: Schauen wir doch mal genauer ins Programm, Sie haben ja schon so ein paar Punkte angesprochen. Gleich zum Auftakt geht es um das Zusammenspiel oder den Gegensatz, je nachdem, zwischen Politik und Kunst. Morgen sprechen nämlich die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und Ai Weiwei als einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler Chinas über die alten Fragen, wie politisch kann, darf oder muss künstlerische Arbeit sein. Ist das auch ein Statement der Lit.Cologne?
Bünger: Das ist auf jeden Fall eine Frage, die uns sehr interessiert, denn die Lit.Cologne ist ja, was Sachbuchthemen angeht, dafür bekannt, dass sie sich immer wieder in Debatten einmischt. Wir haben dieses Jahr zum Beispiel auch einen Abend zum Thema Geld mit Christina von Braun. Das ist ein Thema, also inwiefern kann und darf Literatur sich einmischen und soll sie es tun und welche Statements traut man ihr zu, verkraftet sie und wann übernimmt sie sich da. Und ich bin persönlich sehr gespannt darauf, wie Herta Müller und Ai Weiwei diese Frage für sich beantworten.
Heise: Wie politisch wird denn das Literaturfestival reagieren in Bezug auf den chinesischen Autor Liao Yiwu, der eigentlich auf der Lit.Cologne lesen wollte, von den chinesischen Behörden daran gehindert wurde, das Gleiche ist ihm auch schon mal anlässlich der Frankfurter Buchmesse passiert im Herbst. Das heißt, da haben die chinesischen Behörden die Ausreise ebenfalls verweigert. Hatten Sie nicht damit gerechnet? Wie werden Sie jetzt reagieren?
Bünger: Wir haben sehr gehofft, dass er kommen kann, und es sah auch zwischendurch nicht schlecht aus. Wir haben sehr viel dafür getan, nicht nur wir, auch das Auswärtige Amt, also wir haben da alle versucht, an einem Strick zu ziehen, auch mit den Kollegen vom Fischer Verlag, die ja sich da auch sehr viel Mühe gegeben haben. Wir haben wirklich lange Wochen gekämpft, gemeinsam mit Liao Yiwu zusammen, und letztendlich hat es nicht geklappt, das war wirklich eine große Enttäuschung. Denn wenn man so lange sich um etwas bemüht, dann wird die Hoffnung eben doch wach, dass es wahr werden könnte, und wir hätten uns sehr gefreut, ihn hier zu haben. Herta Müller hätte ihn gerne kennengelernt, also es gibt diverse Punkte, aus denen wir jetzt wirklich traurig sind. Uns geht es aber jetzt neben dem politischen Setting vor allem um den Autor Liao Yiwu, und der ist wirklich ein ganz brillanter Autor. Also die "New York Times" hat geschrieben, seine Geschichten gehören zum kulturellen Erbe der Menschheit, und das finde ich nicht zu hoch gegriffen. Also es ist wirklich eine Form, die er da gefunden hat, gerade in diesem neuen Buch "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser", über China und die Gesellschaft zu berichten, die so subtil und so vielschichtig ist, wie man es eigentlich fast nicht vorstellen konnte, zumindest nicht, wenn man wie wir ein recht einseitiges Bild von China haben. Und diesem Werk wollen wir gerne in einer Veranstaltung Raum geben und haben dafür einen alten Freund des Hauses der Lit.Cologne gewonnen für die Moderation, Roger Willemsen, der selbst ja auch Botschafter der Amnesty International ist, außerdem noch eine Dame von Amnesty International, Monika Lüke, sie ist Generalsekretärin und wird eben die Menschenrechtsseite beleuchten. Das Plenum zeigt schon, wir möchten gerne natürlich den Fall besprechen und auch ein wenig ihn politisch einordnen und uns fragen, was hat das für die Literatur, die Kunst zu bedeuten, wenn eine Regierung so rigoros verhindert, dass ein Autor seine Leser treffen kann. Aber wir wollen vor allem auch dieses ganz besondere Werk würdigen.
Heise: Sie haben jetzt schon viele Veranstaltungen erwähnt, und bei 175 ist das bestimmt auch eine ganz schwere Auswahl zu treffen. Welche liegt Ihnen ganz besonders am Herzen?
Bünger: Das wechselt. Gerade liegt mir eine sehr besonders am Herzen, weil ich gerade gestern mit Ulrich Matthes telefoniert habe, der einen ganz tollen schwedischen Autor lesen wird, Jerker Virdborg, die einfach gerade jetzt so noch mal hochgeschaukelt wurde, weil Ulrich Matthes den Text so gerne mochte und sich schon so freut auf die Veranstaltung. Das ist ein Autor, der auch in Deutschland noch nicht ganz durchgesetzt ist, und wo wir eben Herrn Matthes gewinnen konnten, so ein bisschen mit seiner Prominenz und seiner großartigen Vorlesekunst für diesen tollen Autor mit ins Boot zu steigen.
Heise: Na dann wünsche ich Ihnen viel Spaß in den kommenden zehn Tagen, viel Spaß und natürlich auch viel Kraft für die vielen, vielen Unternehmungen, für die vielen, vielen Veranstaltungen.
Bünger: Vielen Dank!
Heise: Vielen Dank, Traudl Bünger, für dieses Gespräch!