"Wir brauchen größere, schlagkräftigere Banken"

Moderation: Hanns Ostermann · 18.07.2008
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken, Manfred Weber, hat die Bankenstruktur in Deutschland als "zu kleinteilig" bezeichnet. Mit der jetzigen Struktur könnten die deutschen Banken in Europa und international "nicht angemessen mithalten", sagte Weber. Zugleich betonte er, die heimische Wirtschaft sei trotz der Finanzkrise in den USA gut aufgestellt.
Hanns Ostermann: Ich bin jetzt mit Professor Manfred Weber verbunden, dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken. Guten Morgen, Herr Weber!

Manfred Weber: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Welche Vorteile hätte es, wenn die Nummer zwei und drei unter den großen Privatbanken zusammengehen?

Weber: Ich möchte mich nicht zu einzelnen Instituten äußern. Lassen Sie mich allgemein sagen, das deutsche Bankensystem ist seit Langem zu kleinteilig. Dies führt dazu, dass wir im europäischen und internationalen Wettbewerb im Grunde nicht angemessen mithalten können. Das liegt nicht im Interesse der Kunden, das liegt nicht im Interesse der ganzen Wirtschaft. Insofern gibt es hier Handlungsbedarf, und das nicht erst seit gestern.

Ostermann: Handlungsbedarf in welcher Richtung, was wünschten Sie sich?

Weber: Wir brauchen größere, wir brauchen damit auch schlagkräftigere Banken, die wirklich in der Europa- und auch in der internationalen Liga wieder vorne mitspielen können. Das haben wir heute so nicht. Abgesehen von dem größten deutschen Kreditinstitut, der Deutschen Bank, und im europäischen Kontext der Commerzbank sind wie nach wie vor zu kleinteilig aufgestellt.

Ostermann: Bislang gehen also nach Ihrer Einschätzung zu sehr private Banken aufeinander zu oder Sparkassen oder Genossenschaftsbanken. Sie wünschten sich so etwas wie ein Crossover, sehe ich das richtig?

Weber: Dafür argumentieren wir seit Langem. Dies lehrt im Übrigen, Herr Ostermann, die Erfahrung in den anderen Ländern. Die Konsolidierung, von der ich eben sprach, ist in unseren Nachbarländern von Anfang an crossover, wie Sie sagen, säulenübergreifend erfolgt. Ein Beispiel hierfür ist der UniCredit, eine Bank, die entstanden ist aus dem Zusammengehen von vier, fünf Sparkassen mit einer privaten Bank. Bei uns in Deutschland ist dies nach wie vor nicht möglich. Man setzt auf die Konsolidierung in den Säulen, damit schließt man aber logischerweise von Anfang an alle anderen Möglichkeiten aus, die rein unternehmerisch betrachtet oft die sinnvolleren sind. Deshalb sollte man dies wirklich ändern und sollte das öffnen. Das setzt politische Erkenntnis voraus, denn hier müssen auch Gesetze geändert werden, insbesondere in den Ländern, denn heute ist der Sachverhalt so, dass öffentliche Banken private Banken sehr wohl übernehmen können und dies auch tun, umgekehrt aber nicht. Sie haben also eine Einbahnstraße hier.

Ostermann: Aber besteht nicht die Gefahr bei einer noch stärkeren Konzentration bei weniger Wettbewerb, dass das für uns Kunden teurer würde?

Weber: Wenn dem so wäre, hätten Sie völlig recht. Nur kann in Deutschland von Konzentration, von wettbewerbsbeschränkender Konzentration absolut keine Rede sein. Der Wettbewerb ist intensiv. Er würde nach meinem Dafürhalten durch ein modernes aufgestelltes Bankensystem sogar noch intensiver werden, liegt also durchaus im Interesse der Kunden. Auch das lehrt im Übrigen die Erfahrung in den anderen Ländern.

Ostermann: Was die amerikanische Finanzkrise betrifft, so haben ja auch bei uns viele Angst, dass Banken bei der Kreditvergabe zurückhaltender werden. Gilt das nur für große Investoren oder auch für Sie und mich?

Weber: Das kann ich durchaus nachvollziehen, denn in der Tat, die Meldungen, die wir bis zum heutigen Tage immer wieder aus Amerika bekommen, aber auch aus dem einen oder anderen Land und auch bei uns in Deutschland muss man sagen, ist ja das eine oder andere passiert, müssen den Kunden ein Stück weit verunsichern. Aber alle objektiven Untersuchungen, seien es von der Europäischen Zentralbank oder seien es die der Deutschen Bundesbank, zeigen, dass von irgendeiner Art Kreditklemme in Deutschland keine Rede sein kann. Die jüngsten Zahlen für das erste Quartal 2008 zeigen gerade für die privaten Banken zweistellige Zuwachsraten bei den Kreditvolumina.

Ostermann: Ich wollte Sie nicht unterbrechen. Das heißt im Klartext auch, der Mittelstand muss die Suppe gewiss nicht auslöffeln, die Gefahr sehen ja viele?

Weber: Nein, das sehe ich von der Finanzierung her so nicht. Was allerdings stattfindet, und das ist gut, ist, dass nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA die Risiken wieder deutlicher in den Blick genommen werden und entsprechend bepreist werden. Aber dies heißt nicht, dass wir eklatante Anstiege bei den Zinssätzen beobachten können oder zu erwarten haben. Nein, wenn es eine Sorge gibt, die man sich machen muss, und das nicht nur im deutschen Mittelstand, dann ist es ganz einfach die Frage, wie es in Amerika weitergehen wird. Wir haben hier vermutlich damit zu rechnen, dass wir eine längere Phase mit sehr schwachem Wirtschaftswachstum haben werden. Und wir sind heute zwar unabhängiger von den Vereinigten Staaten, doch sie sind nach wie vor das Schwergewicht in der Welt. Sie haben einen Anteil an der gesamten Weltwirtschaftsleistung von rund 30 Prozent. Und deshalb kann man nicht darauf setzen, dass wir uns dann einfach abkoppeln könnten. Wir kommen also in eine gewisse Schwächephase hinein. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in Deutschland für 2009 zeigen dies auch deutlich.

Ostermann: Herr Weber, was ich mich frage, da Sie auch auf die Abhängigkeit hingewiesen haben zwischen den USA und Deutschland bzw. Europa: Wenn Sie für eine Konzentration der Banken in Deutschland plädieren, dann würden wir doch bei solchen Krisen wie jetzt in den USA ins offene Messer laufen?

Weber: Wir sind so oder so heute alle miteinander verbunden. Finanzmärkte kennen keine nationalen Grenzen mehr, sie sind international organisiert. Und deshalb haben wir ja auch erlebt, dass das, was in Amerika seinen Ursprung genommen hat, über das Engagement miteinander, über die Geschäftstätigkeit, wo man gemeinsam das eine oder andere Produkt entwickelt hat, in die Bücher genommen hat, einfach Geschäfte miteinander gemacht hat, sich hier nicht einfach abkoppeln kann. Das wird auch in Zukunft nicht anders sein. Das hat im Übrigen auch sehr große Vorteile. Diese Internationalität der Finanzmärkte hat weltwirtschaftlich gesehen mit zu dem beachtlichen Aufschwung beigetragen, den wir über die letzten Jahre erlangt haben. Nicht zuletzt ermöglicht es auch Schwellenländern, auf diese Art und Weise Anschluss zu gewinnen an die alten Industrieländer.

Ostermann: Das ist die gute Nachricht, und die negative Nachricht, wenn es in den USA kränkelt, dann spüren wir das in Deutschland, in Europa sehr schnell und sehr hautnah. Das heißt, Sie haben im Prinzip die zwei Seiten einer Medaille beschrieben?

Weber: Das ist richtig, das war früher aber im Grundsatz wie gesagt auch schon so. Denken Sie nur an die Wechselkursverwerfungen, die wir manchmal noch mit der alten D-Mark haben erleben müssen, wenn es in den USA in die eine oder andere Richtung wieder ging. Die waren noch wesentlich extremer als das, was wir beispielsweise heute beim Euro erleben. Es wäre die falsche Antwort zu sagen, wir wollen uns hier abschotten. Es ist eine Diskussion, die wir ja in Deutschland immer wieder einmal auch in anderem Zusammenhang – ich erwähne nur das Stichwort Staatsfonds – führen. Das würde zu Wohlfahrtsverlusten führen. Nein, gerade wir in Deutschland haben doch die Erfahrung gemacht, dass wir durch unsere Offenheit für die Weltmärkte – und dazu zählen auch die Finanzmärkte – über die letzten Jahrzehnte hinweg profitiert haben. Das sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, aber natürlich, wenn dann unser großer Verwandter auf der anderen Seite des Teichs anfängt zu kränkeln, anfängt zu hüsteln, dann hat das auch hier gewisse Auswirkungen. Wir können aber auch darauf setzen, Herr Ostermann, lassen Sie mich das sagen, dass die deutsche Wirtschaft grundsätzlich in einer guten Verfassung ist. Deutsche Unternehmen haben in der letzten Zeit erhebliche Anstrengungen unternommen, um sich neu aufzustellen und sich neu zu positionieren auf den Weltmärkten, und das mit großem Erfolg. Jetzt kommt es darauf an, dass die Politik die richtigen Konsequenzen zieht, dass sie weiterhin die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes stärkt und dass wir keine Politik betreiben, es soll bitte alles so bleiben, wie es heute ist. Es wird nicht so bleiben. Die Welt um uns herum ändert sich, und wir sollten uns aktiv von alleine im Vorhinein frühzeitig darauf einstellen.

Ostermann: Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken, Professor Manfred Weber. Danke Ihnen für das Gespräch!

Weber: Danke Ihnen.


Das Gespräch mit Manfred Weber können Sie bis zum 18. Dezember 2008 in unsrem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio