"Wir brauchen eine Kursänderung"
Trotz Wirtschaftswachstum und sprudelnder Einnahmen sei die Neuverschuldung in Nordrhein-Westfalen massiv erhöht worden, wirft der FDP-Landesvorsitzende, Daniel Bahr, der rot-grünen Landesregierung vor.
Marcus Pindur: Es geht um viel Geld, aber es geht nicht um das Geld, das man hat, sondern das Geld, das man sich geliehen hat, also Schulden. Die nämlich hat die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen auf eine bisher unerreichte Spitze getrieben. In einem Nachtragshaushalt wollte sie die Neuverschuldung für 2010 auf 8,4 Milliarden Euro treiben. Und an diesen Haushalt hat aber die Opposition – in NRW sind das CDU und FDP – die Lunte gelegt in Form einer Verfassungsklage. Vorläufig hat das Landesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt gestoppt, heute wird weiter verhandelt. Und ich begrüße jetzt den nordrhein-westfälischen FDP-Vorsitzenden Daniel Bahr am Telefon. Guten Morgen, Herr Bahr!
Daniel Bahr: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: Herr Bahr, auch der ursprünglich noch von Ihnen, also von CDU und FDP beschlossene Haushalt 2010 hatte die zulässige Grenze der Neuverschuldung um 2,9 Milliarden Euro überstiegen. Ist die Klage über die Schuldenmacherei von Rot-Grün da nicht ein wenig scheinheilig?
Bahr: Nein, ist sie nicht, weil der Unterschied klar erkennbar ist. Die alte Landesregierung hat sich in schwieriger Lage angestrengt, die Neuverschuldung zu senken, und das ist ja auch gelungen. Die Neuverschuldung ist sukzessive weiter zurückgegangen. Und die neue Landesregierung hat die Neuverschuldung wieder deutlich erhöht, und das in einer Situation, in der wir einen Wirtschaftsaufschwung haben, in der wir sprudelnde Steuereinnahmen haben. Normalerweise würde man ja denken, dass bei zusätzlichen Steuereinnahmen die Neuverschuldung sinkt oder sagen wir mal mindestens gleich bleibt.
Rot-Grün hat in Düsseldorf noch eine Schüppe draufgelegt, und damit ist Rot-Grün auch unter den Landesregierungen in Deutschland ziemlich einmalig. Die Bundesregierung fährt ja einen Konsolidierungskurs und fährt die Verschuldung zurück, die meisten Länder fahren die Verschuldung zurück, nur Nordrhein-Westfalen legt noch eine Schüppe drauf, begründet das mit einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, und das können wir nicht erkennen. Wir haben Wirtschaftsaufschwung und sprudelnde Steuereinnahmen, genau deswegen sind wir vor das Verfassungsgericht gezogen, weil das ein Verfassungsbruch ist und weil das gegen die Verfassung verstößt.
Pindur: Die Landesregierung hat aber nicht nur sprudelnde Steuereinnahmen, sie hat auch ein Problem, und das heißt WestLB, und dafür wurden 1,3 Milliarden Euro zurückgelegt als Risikoabsicherung. Das müsste aber jede Landesregierung seriöserweise doch tun?
Bahr: Nein, ich glaube, eine Vorsorge ist vorher ja schon eingestellt worden. Alle Experten sagen, dass die nach den aktuellen Erkenntnissen ausreicht, denn wir wissen ja nicht, was für Risiken noch möglicherweise auf die WestLB kommen. Es zeichnet sich sogar im Moment eher eine bessere Situation ab. Wir hoffen ja, dass wir heute eine Einigung hinkriegen, die WestLB hier strukturell in ruhigeres Fahrwasser zu bekommen. Aber sich zu verschulden, um sich sozusagen eine Rücklage aus neuen Schulden zu bilden für Risiken, die im Moment überhaupt niemand abschätzen kann, das hat zu Recht ja auch in der ersten Entscheidung das Verfassungsgericht ... den Vollzug des Haushaltes insbesondere wegen einer verschuldeten Rücklage für die WestLB das Verfassungsgericht ja auch erkannt und kritisiert. Ich will dem Verfassungsgericht nicht vorgreifen, aber es spricht schon sehr viel dafür, dass das Verfassungsgericht heute in der mündlichen Verhandlung genau diese Maßnahme sehr, sehr kritisch beurteilen wird. Das kann man nicht verstehen, warum, wo Risiken noch überhaupt nicht erkennbar sind, man sich erst mal zusätzlich verschuldet. Das ist ja keine wirkliche Rücklage für Risiken, die man noch nicht abschätzen kann.
Pindur: Wo würden Sie denn die Verschuldung zurückfahren?
Bahr: Wir haben ja erste Maßnahmen als alte Landesregierung auch gemacht, die hat die neue zurückgeschraubt. Wir haben, das ist eine unbequeme Entscheidung, aber wir haben Behörden reduziert, wir haben Stellen abgebaut, und diesen sukzessiven Stellenabbau hat die neue Landesregierung gestoppt, sie hat sogar zusätzliche, etwa 2000 Stellen jetzt geplant, neu geschaffen, sie haben gesagt, wir müssen auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung sparen. Wir haben, auch eine unbequeme Entscheidung, gesagt, wir brauchen Studienbeiträge, um auch Geld für die Hochschulen und für die Verbesserung der Ausbildung zu generieren. Das will jetzt die Landesregierung wieder streichen und das finanzieren über neue Schulden. Das ist ja keine seriöse Finanzierung, als Politik muss man auch unbequeme Entscheidungen treffen. Hat die alte Landesregierung gemacht, und das wird jetzt von dieser Landesregierung gestoppt. Stattdessen wird ein Verschuldungskurs gefahren, das halte ich für verantwortungslos.
Pindur: Was passiert denn, wenn das Landesverfassungsgericht in Münster tatsächlich diesen Nachtragshaushalt als verfassungswidrig bezeichnet? Müssten dann Neuwahlen kommen?
Bahr: Neuwahlen lösen ja das Problem nicht, sondern dann muss der Haushalt geändert werden, dann kann diese Politik der Verschuldung nicht fortgesetzt werden, sondern wir brauchen dann eine Kursänderung in der Landespolitik, nämlich dass gespart wird, dass mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger sorgsam umgegangen wird und geschaut wird: Wo kann eingespart werden, wo können auch Prioritäten gesetzt werden? Und da würden Neuwahlen, wenn Frau Kraft oder die Grünen dann in Neuwahlen gehen würden und glauben würden, sie würden durch eine Neuwahl dann einen neuen Auftrag bekommen, würde ja die Politik nicht fortgesetzt werden können, das Verfassungsgericht ja nicht kritisiert hat, dass die Landesregierung keine Mehrheit im Landtag hat, sondern es hat konkret die Haushaltspolitik kritisiert. Insofern ist die Konsequenz, dass für den Haushalt 2011, der ja jetzt beraten werden muss, dieser anders aufgestellt werden muss, und wir erwarten dann, dass er auch eine andere Mehrheit im Landtag bekommt. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist in der Tat diese Landesregierung gescheitert und dann kommen wir nicht um Neuwahlen herum.
Pindur: Herr Bahr, der Landtag müsste das mit Zweidrittelmehrheit beschließen. Könnten Sie sich eventuell auch eine andere Regierungsmehrheit vorstellen, also vielleicht auch eine Ampel?
Bahr: Wir haben es versucht zu Beginn der Legislaturperiode, und da waren die Unterschiede zwischen SPD, Grünen und FDP so groß, dass es nicht für eine gemeinsame Basis gereicht hat. Wir haben damals schon kritisiert, dass es mit den Grünen anscheinend bei öffentlichen Finanzen aber auch in der Schulpolitik und in der Industriestandortfrage in die falsche Richtung gehen. Ich fordere die Landesregierung auf, eine Kursänderung vorzunehmen, das wäre sicherlich die Voraussetzung für neue Gespräche, bin aber angesichts der Äußerungen von Frau Kraft und der Landesregierung insgesamt sehr, sehr skeptisch, ob Rot-Grün Mut und Kraft hat, diese Kursänderung vorzunehmen.
Pindur: Aber auch die FDP ist da nicht eindeutig. Der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Herr Papke, hat sich erst mit Vehemenz gegen eine Ampel gesperrt, jetzt kann er sie sich doch vorstellen. Hat die FDP vielleicht auch Angst vor Neuwahlen?
Bahr: Nein, bei Neuwahlen würden sich die Karten ja immer wieder neu mischen. Das sehen wir jetzt gerade in Hamburg, wo die Grünen dachten, sie gehen in Neuwahlen und haben ein fulminantes Ergebnis und jetzt fallen sie, wir erinnern uns an die Neuwahl 2005 der Bundesregierung, wo sich auch die Karten komplett neu gemischt haben, und dann wäre es ja ein Wahlkampf, in dem die Regierung mit ihrer Politik gescheitert ist. Das gibt uns auch neue Chancen.
Aber die Wählerinnen und Wähler sagen natürlich, sie waren gerade erst vor neun Monaten an der Wahlurne, haben diesen Landtag gewählt, und zunächst einmal ist doch jetzt der Landtag gefordert: Wenn das Verfassungsgericht ja nicht den Landtag auflösen will oder nicht kritisiert, dass die andere Regierung ... keine Mehrheit hat, sondern die konkrete Politik kritisiert, und dann muss die Politik geändert werden, da ist natürlich auch die Chance für die Landesregierung, sich neue Mehrheiten zu suchen. Sie hat sich bisher in die Abhängigkeit der Linkspartei begeben, nur Voraussetzung wäre doch da und da ist Gerhard Papke und ich, dass sich die gesamte FDP einig, Voraussetzung ist doch immer, dass die Landesregierung erkennt, dass sie Fehler gemacht hat und einen Kurs ändert. Die Politik der Verschuldung kann nicht mehr fortgesetzt werden.
Wenn ich mir die öffentlichen Äußerungen aber anschaue, kann ich nicht erkennen, dass Frau Kraft diese Kursänderung wirklich vornimmt. Ich erlebe, dass sie als einzige Ministerpräsidentin in NRW eigentlich gegen alle Erfahrungen jetzt auch in Griechenland, in Portugal ... Alle in Europa sparen und versuchen, die Verschuldung zurückzufahren, nur Frau Kraft glaubt, dass es Investition sei, wenn man sich massiv verschuldet. Und dann werden auch noch plötzlich eine Milliarde entdeckt und keiner kann erklären, wo die eine Milliarde herkommt. Das ist alles keine seriöse Politik, und die Bürgerinnen und Bürger können das glaube ich auch nicht mehr verstehen und würden auch ihre eigenen Ersparnisse dieser Landesregierung glaube ich nicht mehr leihen wollen.
Pindur: Herr Bahr, vielen Dank für das Gespräch!
Bahr: Vielen Dank, Herr Pindur!
Pindur: Der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Daniel Bahr, heute wird vor dem Landesverfassungsgericht in Münster der Nachtragshaushalt der rot-grünen Landesregierung verhandelt.
Daniel Bahr: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: Herr Bahr, auch der ursprünglich noch von Ihnen, also von CDU und FDP beschlossene Haushalt 2010 hatte die zulässige Grenze der Neuverschuldung um 2,9 Milliarden Euro überstiegen. Ist die Klage über die Schuldenmacherei von Rot-Grün da nicht ein wenig scheinheilig?
Bahr: Nein, ist sie nicht, weil der Unterschied klar erkennbar ist. Die alte Landesregierung hat sich in schwieriger Lage angestrengt, die Neuverschuldung zu senken, und das ist ja auch gelungen. Die Neuverschuldung ist sukzessive weiter zurückgegangen. Und die neue Landesregierung hat die Neuverschuldung wieder deutlich erhöht, und das in einer Situation, in der wir einen Wirtschaftsaufschwung haben, in der wir sprudelnde Steuereinnahmen haben. Normalerweise würde man ja denken, dass bei zusätzlichen Steuereinnahmen die Neuverschuldung sinkt oder sagen wir mal mindestens gleich bleibt.
Rot-Grün hat in Düsseldorf noch eine Schüppe draufgelegt, und damit ist Rot-Grün auch unter den Landesregierungen in Deutschland ziemlich einmalig. Die Bundesregierung fährt ja einen Konsolidierungskurs und fährt die Verschuldung zurück, die meisten Länder fahren die Verschuldung zurück, nur Nordrhein-Westfalen legt noch eine Schüppe drauf, begründet das mit einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, und das können wir nicht erkennen. Wir haben Wirtschaftsaufschwung und sprudelnde Steuereinnahmen, genau deswegen sind wir vor das Verfassungsgericht gezogen, weil das ein Verfassungsbruch ist und weil das gegen die Verfassung verstößt.
Pindur: Die Landesregierung hat aber nicht nur sprudelnde Steuereinnahmen, sie hat auch ein Problem, und das heißt WestLB, und dafür wurden 1,3 Milliarden Euro zurückgelegt als Risikoabsicherung. Das müsste aber jede Landesregierung seriöserweise doch tun?
Bahr: Nein, ich glaube, eine Vorsorge ist vorher ja schon eingestellt worden. Alle Experten sagen, dass die nach den aktuellen Erkenntnissen ausreicht, denn wir wissen ja nicht, was für Risiken noch möglicherweise auf die WestLB kommen. Es zeichnet sich sogar im Moment eher eine bessere Situation ab. Wir hoffen ja, dass wir heute eine Einigung hinkriegen, die WestLB hier strukturell in ruhigeres Fahrwasser zu bekommen. Aber sich zu verschulden, um sich sozusagen eine Rücklage aus neuen Schulden zu bilden für Risiken, die im Moment überhaupt niemand abschätzen kann, das hat zu Recht ja auch in der ersten Entscheidung das Verfassungsgericht ... den Vollzug des Haushaltes insbesondere wegen einer verschuldeten Rücklage für die WestLB das Verfassungsgericht ja auch erkannt und kritisiert. Ich will dem Verfassungsgericht nicht vorgreifen, aber es spricht schon sehr viel dafür, dass das Verfassungsgericht heute in der mündlichen Verhandlung genau diese Maßnahme sehr, sehr kritisch beurteilen wird. Das kann man nicht verstehen, warum, wo Risiken noch überhaupt nicht erkennbar sind, man sich erst mal zusätzlich verschuldet. Das ist ja keine wirkliche Rücklage für Risiken, die man noch nicht abschätzen kann.
Pindur: Wo würden Sie denn die Verschuldung zurückfahren?
Bahr: Wir haben ja erste Maßnahmen als alte Landesregierung auch gemacht, die hat die neue zurückgeschraubt. Wir haben, das ist eine unbequeme Entscheidung, aber wir haben Behörden reduziert, wir haben Stellen abgebaut, und diesen sukzessiven Stellenabbau hat die neue Landesregierung gestoppt, sie hat sogar zusätzliche, etwa 2000 Stellen jetzt geplant, neu geschaffen, sie haben gesagt, wir müssen auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung sparen. Wir haben, auch eine unbequeme Entscheidung, gesagt, wir brauchen Studienbeiträge, um auch Geld für die Hochschulen und für die Verbesserung der Ausbildung zu generieren. Das will jetzt die Landesregierung wieder streichen und das finanzieren über neue Schulden. Das ist ja keine seriöse Finanzierung, als Politik muss man auch unbequeme Entscheidungen treffen. Hat die alte Landesregierung gemacht, und das wird jetzt von dieser Landesregierung gestoppt. Stattdessen wird ein Verschuldungskurs gefahren, das halte ich für verantwortungslos.
Pindur: Was passiert denn, wenn das Landesverfassungsgericht in Münster tatsächlich diesen Nachtragshaushalt als verfassungswidrig bezeichnet? Müssten dann Neuwahlen kommen?
Bahr: Neuwahlen lösen ja das Problem nicht, sondern dann muss der Haushalt geändert werden, dann kann diese Politik der Verschuldung nicht fortgesetzt werden, sondern wir brauchen dann eine Kursänderung in der Landespolitik, nämlich dass gespart wird, dass mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger sorgsam umgegangen wird und geschaut wird: Wo kann eingespart werden, wo können auch Prioritäten gesetzt werden? Und da würden Neuwahlen, wenn Frau Kraft oder die Grünen dann in Neuwahlen gehen würden und glauben würden, sie würden durch eine Neuwahl dann einen neuen Auftrag bekommen, würde ja die Politik nicht fortgesetzt werden können, das Verfassungsgericht ja nicht kritisiert hat, dass die Landesregierung keine Mehrheit im Landtag hat, sondern es hat konkret die Haushaltspolitik kritisiert. Insofern ist die Konsequenz, dass für den Haushalt 2011, der ja jetzt beraten werden muss, dieser anders aufgestellt werden muss, und wir erwarten dann, dass er auch eine andere Mehrheit im Landtag bekommt. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist in der Tat diese Landesregierung gescheitert und dann kommen wir nicht um Neuwahlen herum.
Pindur: Herr Bahr, der Landtag müsste das mit Zweidrittelmehrheit beschließen. Könnten Sie sich eventuell auch eine andere Regierungsmehrheit vorstellen, also vielleicht auch eine Ampel?
Bahr: Wir haben es versucht zu Beginn der Legislaturperiode, und da waren die Unterschiede zwischen SPD, Grünen und FDP so groß, dass es nicht für eine gemeinsame Basis gereicht hat. Wir haben damals schon kritisiert, dass es mit den Grünen anscheinend bei öffentlichen Finanzen aber auch in der Schulpolitik und in der Industriestandortfrage in die falsche Richtung gehen. Ich fordere die Landesregierung auf, eine Kursänderung vorzunehmen, das wäre sicherlich die Voraussetzung für neue Gespräche, bin aber angesichts der Äußerungen von Frau Kraft und der Landesregierung insgesamt sehr, sehr skeptisch, ob Rot-Grün Mut und Kraft hat, diese Kursänderung vorzunehmen.
Pindur: Aber auch die FDP ist da nicht eindeutig. Der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Herr Papke, hat sich erst mit Vehemenz gegen eine Ampel gesperrt, jetzt kann er sie sich doch vorstellen. Hat die FDP vielleicht auch Angst vor Neuwahlen?
Bahr: Nein, bei Neuwahlen würden sich die Karten ja immer wieder neu mischen. Das sehen wir jetzt gerade in Hamburg, wo die Grünen dachten, sie gehen in Neuwahlen und haben ein fulminantes Ergebnis und jetzt fallen sie, wir erinnern uns an die Neuwahl 2005 der Bundesregierung, wo sich auch die Karten komplett neu gemischt haben, und dann wäre es ja ein Wahlkampf, in dem die Regierung mit ihrer Politik gescheitert ist. Das gibt uns auch neue Chancen.
Aber die Wählerinnen und Wähler sagen natürlich, sie waren gerade erst vor neun Monaten an der Wahlurne, haben diesen Landtag gewählt, und zunächst einmal ist doch jetzt der Landtag gefordert: Wenn das Verfassungsgericht ja nicht den Landtag auflösen will oder nicht kritisiert, dass die andere Regierung ... keine Mehrheit hat, sondern die konkrete Politik kritisiert, und dann muss die Politik geändert werden, da ist natürlich auch die Chance für die Landesregierung, sich neue Mehrheiten zu suchen. Sie hat sich bisher in die Abhängigkeit der Linkspartei begeben, nur Voraussetzung wäre doch da und da ist Gerhard Papke und ich, dass sich die gesamte FDP einig, Voraussetzung ist doch immer, dass die Landesregierung erkennt, dass sie Fehler gemacht hat und einen Kurs ändert. Die Politik der Verschuldung kann nicht mehr fortgesetzt werden.
Wenn ich mir die öffentlichen Äußerungen aber anschaue, kann ich nicht erkennen, dass Frau Kraft diese Kursänderung wirklich vornimmt. Ich erlebe, dass sie als einzige Ministerpräsidentin in NRW eigentlich gegen alle Erfahrungen jetzt auch in Griechenland, in Portugal ... Alle in Europa sparen und versuchen, die Verschuldung zurückzufahren, nur Frau Kraft glaubt, dass es Investition sei, wenn man sich massiv verschuldet. Und dann werden auch noch plötzlich eine Milliarde entdeckt und keiner kann erklären, wo die eine Milliarde herkommt. Das ist alles keine seriöse Politik, und die Bürgerinnen und Bürger können das glaube ich auch nicht mehr verstehen und würden auch ihre eigenen Ersparnisse dieser Landesregierung glaube ich nicht mehr leihen wollen.
Pindur: Herr Bahr, vielen Dank für das Gespräch!
Bahr: Vielen Dank, Herr Pindur!
Pindur: Der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Daniel Bahr, heute wird vor dem Landesverfassungsgericht in Münster der Nachtragshaushalt der rot-grünen Landesregierung verhandelt.