"Wir brauchen eine einheitliche Umweltschutzgesetzgebung"
Der Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Werner Marnette, hat das Scheitern eines bundeseinheitlichen Umweltgesetzbuches bedauert. "Gerade in einer Zeit, wo wir Investitionen brauchen, wäre das das richtige Signal gewesen", sagte der CDU-Politiker.
Christopher Ricke: Wir wollen es jetzt am aktuellen Beispiel einmal durchdeklinieren beim Umweltgesetzbuch: Das gibt es den Streit in der Koalition, und es gibt Pragmatiker. Thüringens Umweltminister von der CDU, Volker Sklenar, zum Beispiel, der sagt, man könnte es ja nach der Bundestagswahl Ende September noch mal versuchen, die geplante und wohl auch notwendige Vereinfachung von umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren in Deutschland. Ich spreche jetzt mit dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr in Schleswig-Holstein, mit Werner Marnette. Er hat die Zusatzqualifikation, vor seinem Wechsel in die Politik die Norddeutsche Affinerie geleitet zu haben, den größten Kupferproduzenten Europas. Ein Politiker also, der Spitzenmanager war. Guten Morgen, Herr Marnette!
Werner Marnette: Ja, guten Morgen!
Ricke: Wie viel Wahlkampf ist denn da jetzt drin, in diesem Getöse um das Umweltgesetzbuch?
Marnette: Ich fürchte schon viel, aber leider schadet das ja der Sache. Und aus diesem Grunde sage ich, es ist ein trauriges Kapitel, weil es gerade in einer schwierigen wirtschaftlichen Zeit dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet, denn wir brauchen eine einheitliche Umweltschutzgesetzgebung in Deutschland, die klare Richtlinien schafft und auch planbare Richtlinien schafft, denn dieses zersplitterte System, wie wir es in Deutschland hatten, hat immer wieder dazu geführt, dass es natürlich an verschiedenen Standorten unterschiedliche Kriterien gab, und das wirkt sich letzten Endes auch als Investitionsbremse aus. Und gerade in einer Zeit, wo wir Investitionen brauchen, wäre das das richtige Signal gewesen.
Ricke: Schauen wir uns das doch mal ganz praktisch an. Ich stelle ich vor, ich bin jetzt ein Industrieunternehmen, ich möchte mich bundesweit aufstellen, ich habe jetzt einen ganzen Strauß von Einzelgenehmigungen einzuholen. Und ich habe mich eigentlich schon gefreut, das Umweltgesetzbuch soll kommen, und ich kann das Ganze dann in einem integrierten Verfahren abwickeln. Sagen wir es mal positiv: Was hätte das Umweltgesetzbuch denn gebracht, hätte es wirklich eine Beschleunigung gebracht?
Marnette: Ja, es hätte eine Beschleunigung gebracht, es hätte eine Konzentration der Genehmigungsbehörden gebracht, und es hätte vor allen Dingen an unterschiedlichen Standorten in Deutschland eine Vereinheitlichung gebracht. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wir haben eine TH Luft, die regelt beispielsweise die Emissionen in die Luft, die regelt aber nur die Mindestanforderungen. Und wenn Sie in Deutschland an unterschiedlichen Standorten, das heißt in unterschiedlichen Bundesländern, aufgestellt sind und investieren wollen, haben Sie es immer wieder mit unterschiedlichen Vorgaben zu tun, weil der Gesetzgeber bislang ja nur Mindestanforderungen festgelegt hat. Das heißt, wenn Sie in Baden-Württemberg investieren wollten, in dieselbe Anlage wie beispielsweise in Hamburg, konnten Sie damit rechnen, dass in Baden-Württemberg und in Hamburg unterschiedliche Vorgaben gemacht worden sind. Das ist natürlich eine Schwächung erstens mal der Investitionsvorhaben, weil sie beispielsweise andere Investitionsbeträge aufwenden müssen, wenn beispielsweise die Luftreinhaltung in Hamburg teurer wird als in Baden-Württemberg. Das heißt, hier ist durch die Vereinheitlichung oder Harmonisierung der Vorgaben meines Erachtens ein schwerer Schaden entstanden, der unsere Position im Vergleich zum Ausland zusätzlich verschärft, denn wir haben ja ohnehin schon einen Riesenvorsprung vor den internationalen Wettbewerbern. Und wenn wir durch, ich sag mal, deutsche Kleinteilerei dies zusätzlich verschärfen, leidet der Wirtschaftsstandort Deutschland.
Ricke: Jetzt gibt es die Verbesserung, die man angestrebt hat, erst einmal nicht, aber es fehlt ja nicht nur die Verbesserung, es droht auch eine Verschlechterung, wenn ab 2010 die Bundesländer – dem Föderalismus sei Dank – in vielen Umweltfragen eigene Regelungen setzen. Wird es dann noch mal schlimmer?
Marnette: Ja, dann wird es natürlich schlimmer, dann entwickelt jedes Bundesland wieder individuelle Vorschriften. Das wirkt sich natürlich auch innerhalb Deutschlands unterschiedlich aus, wo man gerne investiert und wie lange es dauert, Genehmigungsverfahren durchzubekommen. Gerade in einer Zeit, in der wir Investitionen brauchen, müssen Genehmigungsverfahren, die beispielsweise nach dem Emissionsschutzrecht durchgeführt werden, die müssen beschleunigt werden. Investoren brauchen Planungssicherheit. Die müssen in ein Buch reinschauen können, und sie können nachlesen, so muss ich investieren. Das muss ich beispielsweise für eine Anlage tun, damit sie dem deutschen Standard entspricht. Heute und zukünftig wird es dann wiederum so sein, dass man zwar eine Anlage plant, aber dann wieder individuell in den einzelnen Bundesländern, je nachdem, wo ich investieren will, das aushandeln muss. Das führt zu einer Verunsicherung und zu einem Verlust an Planungssicherheit. Und deshalb ist das äußert kritisch für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Ricke: Aber Herr Marnette, jetzt bin ich ein besonders umweltfreundlicher Unternehmer, ein besonders umweltfreundlicher Investor …
Marnette: Was ich ja mal war, im Übrigen.
Ricke: Ich kann mich doch einfach hinsetzen und sagen, ich suche mir unter allen Ländern die strengste Gesetzgebung aus, richte danach meine Investition, dann wird das überall genehmigt.
Marnette: Ja, so schön und so einfach ist es ja nicht. Wenn Sie ein großes Unternehmen haben, dann haben Sie ja auch zusammenhängende Logistik- und Produktionsstrukturen. Dann haben Sie nicht die Möglichkeit beispielsweise zu sagen, ich investiere eben nicht in Hamburg, sondern ich investiere in Nordrhein-Westfalen. Diese Gelegenheit haben Sie ja nicht immer. Und aus diesem Grunde ist es so wichtig, dass harmonisiert wird. Ich habe es am eigenen Leibe erlebt. Dieselbe Anlage in Hamburg zu bauen oder in Lünen zu bauen oder in Stolberg zu bauen, führte zu einer unterschiedlichen Gesetzgebung, abgesehen davon, dass man es mit einer unterschiedlichen Anzahl von Genehmigungsbehörden zu tun hatte. Hamburg war günstig, weil dort die Genehmigungsverfahren konzentriert sind. Im Flächenland Nordrhein-Westfalen haben Sie es mit mehreren Aufsichtsbehörden und Entscheidungsbehörden zu tun, was natürlich zwangsläufig zu einer Verlängerung der Genehmigungsverfahren führt. Deshalb ist es so wichtig, dass Umweltschutz in Deutschland harmonisiert wird, sonst klafft die Lücke zum internationalen Wettbewerb nachher noch größer auseinander. Und deshalb brauchen wir klare Vorgaben im Umweltschutz hier in Deutschland.
Ricke: Vielen Dank, Herr Marnette! Herr Marnette ist der CDU-Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr in Schleswig-Holstein.
Das Gespräch mit Werner Marnette können Sie bis zum 3. Juli 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Werner Marnette: Ja, guten Morgen!
Ricke: Wie viel Wahlkampf ist denn da jetzt drin, in diesem Getöse um das Umweltgesetzbuch?
Marnette: Ich fürchte schon viel, aber leider schadet das ja der Sache. Und aus diesem Grunde sage ich, es ist ein trauriges Kapitel, weil es gerade in einer schwierigen wirtschaftlichen Zeit dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet, denn wir brauchen eine einheitliche Umweltschutzgesetzgebung in Deutschland, die klare Richtlinien schafft und auch planbare Richtlinien schafft, denn dieses zersplitterte System, wie wir es in Deutschland hatten, hat immer wieder dazu geführt, dass es natürlich an verschiedenen Standorten unterschiedliche Kriterien gab, und das wirkt sich letzten Endes auch als Investitionsbremse aus. Und gerade in einer Zeit, wo wir Investitionen brauchen, wäre das das richtige Signal gewesen.
Ricke: Schauen wir uns das doch mal ganz praktisch an. Ich stelle ich vor, ich bin jetzt ein Industrieunternehmen, ich möchte mich bundesweit aufstellen, ich habe jetzt einen ganzen Strauß von Einzelgenehmigungen einzuholen. Und ich habe mich eigentlich schon gefreut, das Umweltgesetzbuch soll kommen, und ich kann das Ganze dann in einem integrierten Verfahren abwickeln. Sagen wir es mal positiv: Was hätte das Umweltgesetzbuch denn gebracht, hätte es wirklich eine Beschleunigung gebracht?
Marnette: Ja, es hätte eine Beschleunigung gebracht, es hätte eine Konzentration der Genehmigungsbehörden gebracht, und es hätte vor allen Dingen an unterschiedlichen Standorten in Deutschland eine Vereinheitlichung gebracht. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wir haben eine TH Luft, die regelt beispielsweise die Emissionen in die Luft, die regelt aber nur die Mindestanforderungen. Und wenn Sie in Deutschland an unterschiedlichen Standorten, das heißt in unterschiedlichen Bundesländern, aufgestellt sind und investieren wollen, haben Sie es immer wieder mit unterschiedlichen Vorgaben zu tun, weil der Gesetzgeber bislang ja nur Mindestanforderungen festgelegt hat. Das heißt, wenn Sie in Baden-Württemberg investieren wollten, in dieselbe Anlage wie beispielsweise in Hamburg, konnten Sie damit rechnen, dass in Baden-Württemberg und in Hamburg unterschiedliche Vorgaben gemacht worden sind. Das ist natürlich eine Schwächung erstens mal der Investitionsvorhaben, weil sie beispielsweise andere Investitionsbeträge aufwenden müssen, wenn beispielsweise die Luftreinhaltung in Hamburg teurer wird als in Baden-Württemberg. Das heißt, hier ist durch die Vereinheitlichung oder Harmonisierung der Vorgaben meines Erachtens ein schwerer Schaden entstanden, der unsere Position im Vergleich zum Ausland zusätzlich verschärft, denn wir haben ja ohnehin schon einen Riesenvorsprung vor den internationalen Wettbewerbern. Und wenn wir durch, ich sag mal, deutsche Kleinteilerei dies zusätzlich verschärfen, leidet der Wirtschaftsstandort Deutschland.
Ricke: Jetzt gibt es die Verbesserung, die man angestrebt hat, erst einmal nicht, aber es fehlt ja nicht nur die Verbesserung, es droht auch eine Verschlechterung, wenn ab 2010 die Bundesländer – dem Föderalismus sei Dank – in vielen Umweltfragen eigene Regelungen setzen. Wird es dann noch mal schlimmer?
Marnette: Ja, dann wird es natürlich schlimmer, dann entwickelt jedes Bundesland wieder individuelle Vorschriften. Das wirkt sich natürlich auch innerhalb Deutschlands unterschiedlich aus, wo man gerne investiert und wie lange es dauert, Genehmigungsverfahren durchzubekommen. Gerade in einer Zeit, in der wir Investitionen brauchen, müssen Genehmigungsverfahren, die beispielsweise nach dem Emissionsschutzrecht durchgeführt werden, die müssen beschleunigt werden. Investoren brauchen Planungssicherheit. Die müssen in ein Buch reinschauen können, und sie können nachlesen, so muss ich investieren. Das muss ich beispielsweise für eine Anlage tun, damit sie dem deutschen Standard entspricht. Heute und zukünftig wird es dann wiederum so sein, dass man zwar eine Anlage plant, aber dann wieder individuell in den einzelnen Bundesländern, je nachdem, wo ich investieren will, das aushandeln muss. Das führt zu einer Verunsicherung und zu einem Verlust an Planungssicherheit. Und deshalb ist das äußert kritisch für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Ricke: Aber Herr Marnette, jetzt bin ich ein besonders umweltfreundlicher Unternehmer, ein besonders umweltfreundlicher Investor …
Marnette: Was ich ja mal war, im Übrigen.
Ricke: Ich kann mich doch einfach hinsetzen und sagen, ich suche mir unter allen Ländern die strengste Gesetzgebung aus, richte danach meine Investition, dann wird das überall genehmigt.
Marnette: Ja, so schön und so einfach ist es ja nicht. Wenn Sie ein großes Unternehmen haben, dann haben Sie ja auch zusammenhängende Logistik- und Produktionsstrukturen. Dann haben Sie nicht die Möglichkeit beispielsweise zu sagen, ich investiere eben nicht in Hamburg, sondern ich investiere in Nordrhein-Westfalen. Diese Gelegenheit haben Sie ja nicht immer. Und aus diesem Grunde ist es so wichtig, dass harmonisiert wird. Ich habe es am eigenen Leibe erlebt. Dieselbe Anlage in Hamburg zu bauen oder in Lünen zu bauen oder in Stolberg zu bauen, führte zu einer unterschiedlichen Gesetzgebung, abgesehen davon, dass man es mit einer unterschiedlichen Anzahl von Genehmigungsbehörden zu tun hatte. Hamburg war günstig, weil dort die Genehmigungsverfahren konzentriert sind. Im Flächenland Nordrhein-Westfalen haben Sie es mit mehreren Aufsichtsbehörden und Entscheidungsbehörden zu tun, was natürlich zwangsläufig zu einer Verlängerung der Genehmigungsverfahren führt. Deshalb ist es so wichtig, dass Umweltschutz in Deutschland harmonisiert wird, sonst klafft die Lücke zum internationalen Wettbewerb nachher noch größer auseinander. Und deshalb brauchen wir klare Vorgaben im Umweltschutz hier in Deutschland.
Ricke: Vielen Dank, Herr Marnette! Herr Marnette ist der CDU-Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr in Schleswig-Holstein.
Das Gespräch mit Werner Marnette können Sie bis zum 3. Juli 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio