"Wir brauchen die amerikanische Unterstützung"

22.07.2013
Deutsche Behörden sind auf die Zusammenarbeit mit amerikanischen Geheimdiensten angewiesen, sagt der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl. Denn: Ohne die Technologie aus den USA seien die deutschen Dienste nicht dazu in der Lage, ihre Aufgabe "zuverlässig und flächendeckend zu erfüllen".
Hanns Ostermann: Was weiß die Bundesregierung wirklich über den US-amerikanischen Späheinsatz in Deutschland? Und wie eng arbeitet die NSA mit den deutschen Nachrichtendiensten zusammen? Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Nachrichten auftauchen, jüngstes Beispiel: Das Bundesamt für Verfassungsschutz testet eine von der NSA zur Verfügung gestellte Software. Eingesetzt würde sie aber noch nicht, so Hans-Georg Maaßen, der Verfassungsschutzpräsident. Wirklich nicht? Wie das so ist, wenn die Wahrheit scheibchenweise an die Öffentlichkeit dringt, es fällt schwer, so manchen Äußerungen noch zu glauben, nachdem vor sechs Wochen Edward Snowden das Spähprogramm "Prism" aufgedeckt hat. Hans-Peter Uhl von der CSU ist der Innenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Guten Morgen, Herr Uhl!

Hans-Peter Uhl: Guten Morgen!

Ostermann: Sind Sie noch Herr im eigenen Haus oder werden Sie von den Geheimdiensten vorgeführt?

Uhl: Nein, so weit würde ich nicht gehen, zu sagen, dass wir vorgeführt werden. Natürlich haben die Geheimdienste kein Interesse daran, zu viel über ihre Tätigkeit zu berichten, auf der anderen Seite sind sie gesetzlich verpflichtet, Vorkommnisse von besonderer Bedeutung vorzutragen. Was Sie angesprochen haben, ist die Zusammenarbeit mit dem NSA. Dieses wurde immer vorgetragen, die Zusammenarbeit muss sein, das ist auch richtig so. Dass aus der Zusammenarbeit die Beschäftigung mit einem Test, von der NSA geliefert, ein Testprogramm erfolgte, ist ein Thema, das berichtet werden sollte, und das werden wir uns auch im Detail vorführen lassen.

Ostermann: Das sollte berichtet werden, das heißt wieder im Nachhinein und nicht im Vorhinein. Diese Spähsoftware erfasst, welche Begriffe eine Zielperson in eine Suchmaschine eingegeben hat. Wurde sie denn jetzt bereits eingesetzt oder nur getestet?

Uhl: Ich glaube den beiden Präsidenten, dass dieses Tool nicht eingesetzt wurde, sondern nur getestet wurde.

Ostermann: Warum müssen Sie als politisch Zuständiger immer erst reagieren? Warum bekommen Sie scheibchenweise, wie auch wir, die Wahrheit mitgeteilt?

Uhl: Ich würde das nicht so dramatisieren, dass es scheibchenweise die Wahrheit ist, sondern es kommen immer wieder neue Berichte, die dann dramatisiert werden zum Teil auch, wie dieser Bericht hier. Es wird ja der Eindruck erweckt, als wäre damit schon ganz Deutschland überwacht worden. Das ist nicht der Fall. Deswegen gehen wir der Sache nach. Das ist ein ganz normaler Vorgang.

Ostermann: Trotzdem steht der Vorwurf im Raum, dass Daten aus Deutschland an die NSA weitergegeben werden. Das bestreitet zwar der Bundesnachrichtendienst – aber stimmt das?

Uhl: Es werden die Daten weitergegeben, die weitergegeben werden dürfen nach deutschem Datenschutzrecht. Wenn es um die Überwachung von Gefährdern und Terroristen geht, dürfen dazu Daten weitergegeben werden. Aber wenn es um die Ausspähung von unbescholtenen Bürgern geht, dürfen diese natürlich nicht weitergegeben werden. Ich glaube dem Präsidenten, dass er sich an das deutsche Recht gehalten hat.

Ostermann: Herr Uhl, Sie glauben es, aber Sie wissen es nicht?

Uhl: So ist es im Leben.

Ostermann: Andererseits kontrollieren Sie doch mit Ihrem Gremium und stellen dabei auch möglicherweise fest, wir sind machtlos und warten auf die nächste Snowden-Enthüllung.

Uhl: Nein, so ist es nicht. Wir sind nicht machtlos. Die Beamten wissen genau, wenn sie ein besonderes Vorkommnis, das sie hätten uns berichten müssen, nicht berichtet haben, dass sie dann erhebliche dienstrechtliche Probleme bekommen. Also sie sind bemüht, die Präsidenten und die Führung der Dienste, mit den parlamentarischen Kontrolleuren ein vernünftiges Verhältnis der Unterrichtung, der Information über wichtige Dinge aufrechtzuerhalten. Das glaube ich auch. Aber wir sollten uns schon, angesichts dieser neuen Berichte mit der Frage befassen, wie erfolgte die Zusammenarbeit zwischen den deutschen Diensten und dem amerikanischen NSA im Laufe der letzten Jahre seit 9/11. Deswegen werde ich auch darauf bestehen, dass wir die Verantwortlichen im parlamentarischen Kontrollgremium vorladen und sie um Bericht bitten. Da beginnen wir beim damaligen, nach 9/11, beim damaligen Minister Steinmeier, dem BND-Präsident Uhrlau und so weiter bis zu den heutigen Verantwortlichen.

Ostermann: Wer ist eigentlich in der Koalition in diesem Fall, bei diesem Dilemma, für das Krisenmanagement verantwortlich?

Uhl: Politisch verantwortlich ist unterhalb der Kanzlerin der Kanzleramtsminister Pofalla und darunter dann die beiden Präsidenten des BND und des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Ostermann: Ja, von den beiden hört man ja auch etwas, aber weniger von Herrn Pofalla und so gut wie nichts von der Kanzlerin. Also welche Rolle spielt das Kanzleramt.

Uhl: Das Kanzleramt überwacht den Bundesnachrichtendienst, und der Vertreter des Kanzleramts ist bei jeder Sitzung anwesend im parlamentarischen Kontrollgremium.

Ostermann: Gleichwohl hat man doch den Eindruck, dass die Koalition denkbar schlecht in diesem Fall aussieht, und ich persönlich habe den Eindruck, Herr Uhl, Sie als Abgeordneter müssen die Kohlen aus dem Feuer holen.

Uhl: Nein, so ist es nicht. Wir werden uns noch einmal – die Behauptung müssen wir auf den Prüfstein stellen, dass die Zusammenarbeit seit 9/11 zunehmend intensiver wurde, also wollen wir auf der Zeitschiene sehen, wann hat wer welche Zusammenarbeit zu verantworten, und entsprach die den deutschen Gesetzen. Noch einmal: Die Zusammenarbeit muss sein, weil wir mit deutscher Technologie gar nicht in der Lage sind, unsere Aufgabe zuverlässig flächendeckend zu erfüllen, nämlich Gefahren für den deutschen Bürger abzuwehren. Wir brauchen die amerikanische Unterstützung.

Ostermann: Müssen Sie nicht aber parallel darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre, beispielsweise einen Ermittlungsbeauftragten einzusetzen, der die Arbeit der Parlamentarier in diesem Kontrollgremium ergänzt, unterstützt.

Uhl: Ja, das ist ein Vorschlag des Kollegen Billinger, der hat einiges für sich. Wenn nicht die Gefahr bestünde, dass dieser Ermittlungsbeauftragte wieder zu sehr von der Verwaltung vereinnahmt wird und uns Parlamentariern nicht mehr so zur Verfügung steht, wie wir uns das wünschen würden. Aber wir denken über solche Vorschläge nach, und ich bin mir sicher, dass wir das System der parlamentarischen Kontrolle in den nächsten Monaten noch verbessern werden.

Ostermann: Wir haben ja in Deutschland auch ein Postgeheimnis. Müsste Artikel 10 des Grundgesetzes nicht wirklich ausgebaut werden? Das fordern die Spitzenkandidaten der Bündnisgrünen, nämlich auf ein Kommunikations- und Mediennutzungsgeheimnis.

Uhl: Das ist ein rührender Vorschlag der Grünen …

Ostermann: Warum?

Uhl: Schauen Sie, in den Zeiten, in denen durch Glasfaserkabel Milliarden von Daten, auch deutschen Daten, rund um den Erdball gejagt werden; in Zeiten, in denen Milliarden von Daten, auch deutschen Daten, in den Clouds gespeichert werden, sind wir doch gar nicht mehr national in der Lage, diese Daten zu sichern. Wir brauchen eigentlich internationale Abkommen. Das wird lange dauern. Vielleicht wird das nie kommen. Wir brauchen eine Möglichkeit, die Souveränität über unsere Daten herzustellen, das geht im Prinzip durch technische Aufrüstung, durch Verschlüsselungstechnologie. Und da ist Deutschland gefordert. Insofern betrachte ich dieses alles als einen Weckruf an uns alle, an Staat, Wirtschaft und Bürger. Wie gelingt es uns, dass wir die Souveränität über unsere Daten erlangen?

Ostermann: Hans-Peter Uhl, der Innenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Herr Uhl, ich danke Ihnen für das Gespräch heute früh!

Uhl: Danke!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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