"Wir bleiben in Afghanistan"
Der Leiter der Johanniter-Auslandshilfe, Guido Dost, lehnt einen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan ab. Das wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt das falsche Signal an die Bevölkerung. Gleichzeitig stellte Dost klar, dass seine Organisation an ihrem Engagement für Afghanistan festhalte.
Frank Capellan: Nach dem Mord an einem Mitarbeiter der Welthungerhilfe im März dieses Jahres hatten viele Organisationen ihre Hilfskräfte aus Afghanistan abgezogen. Und wie unsicher die Situation auch für zivile Aufbauhelfer nach wie vor ist, dass die Arbeit am Hindukusch immer gefährlicher wird, das haben die jüngsten Entführungen und die Ermordung eines deutschen Ingenieurs gezeigt. Trotz dieser Risiken nach wie vor in Afghanistan aktiv ist auch die Johanniter-Auslandshilfe. Und mit deren Leiter, mit Guido Dost, sind wir nun verbunden. Guten Morgen.
Guido Dost: Einen schönen guten Morgen.
Capellan: Herr Dost, Sie gehen ja ganz bewusst einen anderen Weg. Sie sind nicht mit deutschen Helfern vor Ort vertreten, Sie unterstützen Hilfsprojekte mit einheimischen Kräften. Was genau machen die Johanniter in Afghanistan?
Dost: Derzeitig unterstützen die Johanniter Krankenhäuser in Kabul und Herat mit medizinischem Gerät und Medikamenten. Darüber hinaus bilden wir noch Gesundheitshelfer zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen aus.
Capellan: Es sind also Afghanen, mit denen Sie da zusammenarbeiten. Einheimische, die mit Deutschen zusammenarbeiten, die müssen keine Angst um ihr Leben haben, müssen keine Sorge um Entführungen haben?
Dost: Dadurch versuchen wir das Gefährdungspotenzial der von Ihnen gerade angesprochenen Risiken zu minimieren, dass wir also überwiegend mit der einheimischen Bevölkerung diese Projekte umsetzen. Wir haben also nur einen internationalen Mitarbeiter vor Ort, der allerdings auch kein Deutscher ist.
Capellan: Wie funktioniert denn die Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden in Afghanistan? Man hört ja eigentlich nur Schlechtes, von Korruption und Vetternwirtschaft …, die bestimmen nach wie vor auch die Strukturen im Land. Bekommen Sie das auch zu spüren?
Dost: Da wir rein medizinisch ausgerichtete Projekte durchführen, haben wir sehr spezifische Kontakte zu den Ministerien in dem Bereich und zu den lokalen Behörden, arbeiten auch schon seit sehr langer Zeit in den gleichen Regionen. Dadurch hat sich natürlich schon ein gewisses Vertrauensverhältnis etabliert. Wie das auf anderen Ebenen aussieht, kann ich an der Stelle gar nicht beurteilen.
Capellan: Und Sie kommen gut zurande mit diesem Konzept, nur mit einheimischen Helfern zu arbeiten, oder drängt es Sie manchmal doch danach, auch mit eigenen Leuten der Johanniter von hier nach Afghanistan zu gehen? Würden Sie das tun, wenn die Sicherheitslage besser wäre, als sie sich darstellt im Moment?
Dost: Das hängt immer von der Größe, der Größe, der Dimension der Projekte ab. Wir haben jetzt ein relativ überschaubares Programm in Afghanistan. Richtig ist, würden wir diese Aktivitäten ausbauen, wäre das vermutlich nicht mehr mit diesem Personalstamm, den wir derzeitig haben, möglich. Und das würde zur jetzigen Situation durchaus eine Entscheidung erfordern, ob man dann zusätzliches Personal nach Afghanistan schickt.
Capellan: Herr Dost, Sie sind ja selber auch dort im Lande gewesen.
Dost: Ja.
Capellan: Wie bewerten Sie eigentlich den Einsatz des deutschen Militärs in Afghanistan? Ist die Präsenz deutscher Soldaten eher eine Unterstützung für Hilfsprojekte, oder wird sie manchmal auch zur Belastung des zivilen Aufbaus?
Dost: Also, wir unterscheiden an dieser Stelle. Und zwar, der Zweck der Bundeswehr in Afghanistan ist natürlich ein ganz anderer, als die Gründe für eine Hilfsorganisation, in Afghanistan zu arbeiten. Für die Hilfsorganisation steht natürlich der Mensch im Mittelpunkt, die lokale Bevölkerung, der beim Aufbau des Landes geholfen werden soll.
Ich kann aber, oder ich kenne andere Szenarien, wo aber durchaus auch eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr sinnvoll und notwendig ist. Für uns trifft das einfach in Afghanistan aufgrund der Ausrichtung der Projekte nicht zu. Aber grundsätzlich ist so eine Zusammenarbeit, die Synergieeffekte ergibt, durchaus denkbar.
Capellan: Diese zahlreichen sich häufenden Entführungen, die weitere Ermordung eines Deutschen, die lassen ja die Stimmung in der deutschen Bevölkerung zunehmend kippen. Eine Mehrheit fordert den deutschen Rückzug der Bundeswehr. Die Politik hält noch, muss man sagen, dagegen. Wie stehen Sie dem gegenüber?
Dost: Ich denke, das würde zum jetzigen Zeitpunkt die falschen Signale auch in der afghanischen Bevölkerung senden, da die deutsche Bundeswehr ja durchaus auch an zivilen Aufbauprojekten tätig ist, und in diesen Aufbauprojekten wird natürlich sehr viel für Afghanistan getan. Wenn die Bundeswehr sich zurückziehen würde, hätte das die Signalwirkung, dass im Grunde die, ja die Gruppierungen, die Afghanistan jetzt wieder steuern wollen, die Überhand bekommen. Und das ist sicher nicht im Sinne der afghanischen Bevölkerung.
Capellan: Man muss ja vielleicht noch mal in Erinnerung rufen, das internationale Militär ist nicht nach Afghanistan gegangen, um das Land aufzubauen, sondern um die westliche Welt vor radikalen Islamisten, in diesem Falle vor den Taliban, zu schützen. Die Verteidigung Deutschlands beginnt am Hindukusch, dieser Satz von Ex-Verteidigungsminister Struck steht ja für diese Strategie. Terrorbekämpfung und ziviler Aufbau, nach Ihren Erfahrungen, wie passt das zusammen?
Dost: Ja, das passt insofern zusammen, dass die afghanische Bevölkerung ja nicht nur aus Taliban besteht, sondern mehrheitlich eben nicht aus Taliban. Und da ist natürlich dieser Spagat, den die Bundeswehr in Afghanistan zu leisten hat, enorm, dass sie eben durchaus etwas für die afghanische Bevölkerung tun muss, aber eben die Gruppierung der Taliban gleichzeitig bekämpfen muss. Und das ist natürlich eine Gratwanderung.
Capellan: Trotz der aktuellen dramatischen Entwicklung, blicken Sie positiv in die Zukunft Afghanistans?
Dost: Ganz offen habe ich da sicherlich gemischte Gefühle, weil man diese Entwicklung in Afghanistan einfach nur sehr, sehr schwer prognostizieren kann. Wir halten als Johanniter allerdings an unserer Arbeit fest, wie gesagt in einem Rahmen, wo wir versuchen, die Risiken kalkulierbar für uns zu halten. Wir bleiben in Afghanistan und hoffen, dass sich die Entwicklung dort positiv zeigt.
Capellan: Das war Guido Dost, Leiter der Johanniter-Auslandshilfe. Danke für das Gespräch und alles Gute für Ihre Arbeit in Afghanistan.
Guido Dost: Einen schönen guten Morgen.
Capellan: Herr Dost, Sie gehen ja ganz bewusst einen anderen Weg. Sie sind nicht mit deutschen Helfern vor Ort vertreten, Sie unterstützen Hilfsprojekte mit einheimischen Kräften. Was genau machen die Johanniter in Afghanistan?
Dost: Derzeitig unterstützen die Johanniter Krankenhäuser in Kabul und Herat mit medizinischem Gerät und Medikamenten. Darüber hinaus bilden wir noch Gesundheitshelfer zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen aus.
Capellan: Es sind also Afghanen, mit denen Sie da zusammenarbeiten. Einheimische, die mit Deutschen zusammenarbeiten, die müssen keine Angst um ihr Leben haben, müssen keine Sorge um Entführungen haben?
Dost: Dadurch versuchen wir das Gefährdungspotenzial der von Ihnen gerade angesprochenen Risiken zu minimieren, dass wir also überwiegend mit der einheimischen Bevölkerung diese Projekte umsetzen. Wir haben also nur einen internationalen Mitarbeiter vor Ort, der allerdings auch kein Deutscher ist.
Capellan: Wie funktioniert denn die Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden in Afghanistan? Man hört ja eigentlich nur Schlechtes, von Korruption und Vetternwirtschaft …, die bestimmen nach wie vor auch die Strukturen im Land. Bekommen Sie das auch zu spüren?
Dost: Da wir rein medizinisch ausgerichtete Projekte durchführen, haben wir sehr spezifische Kontakte zu den Ministerien in dem Bereich und zu den lokalen Behörden, arbeiten auch schon seit sehr langer Zeit in den gleichen Regionen. Dadurch hat sich natürlich schon ein gewisses Vertrauensverhältnis etabliert. Wie das auf anderen Ebenen aussieht, kann ich an der Stelle gar nicht beurteilen.
Capellan: Und Sie kommen gut zurande mit diesem Konzept, nur mit einheimischen Helfern zu arbeiten, oder drängt es Sie manchmal doch danach, auch mit eigenen Leuten der Johanniter von hier nach Afghanistan zu gehen? Würden Sie das tun, wenn die Sicherheitslage besser wäre, als sie sich darstellt im Moment?
Dost: Das hängt immer von der Größe, der Größe, der Dimension der Projekte ab. Wir haben jetzt ein relativ überschaubares Programm in Afghanistan. Richtig ist, würden wir diese Aktivitäten ausbauen, wäre das vermutlich nicht mehr mit diesem Personalstamm, den wir derzeitig haben, möglich. Und das würde zur jetzigen Situation durchaus eine Entscheidung erfordern, ob man dann zusätzliches Personal nach Afghanistan schickt.
Capellan: Herr Dost, Sie sind ja selber auch dort im Lande gewesen.
Dost: Ja.
Capellan: Wie bewerten Sie eigentlich den Einsatz des deutschen Militärs in Afghanistan? Ist die Präsenz deutscher Soldaten eher eine Unterstützung für Hilfsprojekte, oder wird sie manchmal auch zur Belastung des zivilen Aufbaus?
Dost: Also, wir unterscheiden an dieser Stelle. Und zwar, der Zweck der Bundeswehr in Afghanistan ist natürlich ein ganz anderer, als die Gründe für eine Hilfsorganisation, in Afghanistan zu arbeiten. Für die Hilfsorganisation steht natürlich der Mensch im Mittelpunkt, die lokale Bevölkerung, der beim Aufbau des Landes geholfen werden soll.
Ich kann aber, oder ich kenne andere Szenarien, wo aber durchaus auch eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr sinnvoll und notwendig ist. Für uns trifft das einfach in Afghanistan aufgrund der Ausrichtung der Projekte nicht zu. Aber grundsätzlich ist so eine Zusammenarbeit, die Synergieeffekte ergibt, durchaus denkbar.
Capellan: Diese zahlreichen sich häufenden Entführungen, die weitere Ermordung eines Deutschen, die lassen ja die Stimmung in der deutschen Bevölkerung zunehmend kippen. Eine Mehrheit fordert den deutschen Rückzug der Bundeswehr. Die Politik hält noch, muss man sagen, dagegen. Wie stehen Sie dem gegenüber?
Dost: Ich denke, das würde zum jetzigen Zeitpunkt die falschen Signale auch in der afghanischen Bevölkerung senden, da die deutsche Bundeswehr ja durchaus auch an zivilen Aufbauprojekten tätig ist, und in diesen Aufbauprojekten wird natürlich sehr viel für Afghanistan getan. Wenn die Bundeswehr sich zurückziehen würde, hätte das die Signalwirkung, dass im Grunde die, ja die Gruppierungen, die Afghanistan jetzt wieder steuern wollen, die Überhand bekommen. Und das ist sicher nicht im Sinne der afghanischen Bevölkerung.
Capellan: Man muss ja vielleicht noch mal in Erinnerung rufen, das internationale Militär ist nicht nach Afghanistan gegangen, um das Land aufzubauen, sondern um die westliche Welt vor radikalen Islamisten, in diesem Falle vor den Taliban, zu schützen. Die Verteidigung Deutschlands beginnt am Hindukusch, dieser Satz von Ex-Verteidigungsminister Struck steht ja für diese Strategie. Terrorbekämpfung und ziviler Aufbau, nach Ihren Erfahrungen, wie passt das zusammen?
Dost: Ja, das passt insofern zusammen, dass die afghanische Bevölkerung ja nicht nur aus Taliban besteht, sondern mehrheitlich eben nicht aus Taliban. Und da ist natürlich dieser Spagat, den die Bundeswehr in Afghanistan zu leisten hat, enorm, dass sie eben durchaus etwas für die afghanische Bevölkerung tun muss, aber eben die Gruppierung der Taliban gleichzeitig bekämpfen muss. Und das ist natürlich eine Gratwanderung.
Capellan: Trotz der aktuellen dramatischen Entwicklung, blicken Sie positiv in die Zukunft Afghanistans?
Dost: Ganz offen habe ich da sicherlich gemischte Gefühle, weil man diese Entwicklung in Afghanistan einfach nur sehr, sehr schwer prognostizieren kann. Wir halten als Johanniter allerdings an unserer Arbeit fest, wie gesagt in einem Rahmen, wo wir versuchen, die Risiken kalkulierbar für uns zu halten. Wir bleiben in Afghanistan und hoffen, dass sich die Entwicklung dort positiv zeigt.
Capellan: Das war Guido Dost, Leiter der Johanniter-Auslandshilfe. Danke für das Gespräch und alles Gute für Ihre Arbeit in Afghanistan.