Winzige Vorkoster in schmalen Röhren

Von Lutz Reidt |
Analysiert wird das Trinkwasser auch heute schon rund um die Uhr. Bis ein Laborbefund vorliegt, können aber durchaus bis zu 48 Stunden verstreichen. Forscher experimentieren jetzt mit leuchtenden Bakterien, die ihre Farbe in Sekundenschnelle der Qualität des Wassers anpassen.
Der Pumpenmotor legt los und zieht Leitungswasser durch die AquaBioTox. Der klobig-transparente Kasten ist etwa so groß wie ein PC, aber deutlich breiter. Hinter Plexiglaswänden sind Platinen zu erkennen, Pumpen, Motoren, Behälter und jede Menge milchig-transparente Schläuche. Einen Preis für Industrie-Design hätte das Gerät kaum verdient.

Doch das ist auch nicht der Anspruch von Andreas Jacubasch. Der Ingenieur und Regelungstechniker vom Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung in Karlsruhe zeigt auf schmale Röhrchen im Inneren der Box. Dort sind Bakterien auf winzigen Kügelchen fixiert. Sie verkosten das Wasser und schimmern dabei rötlich:

"Das Wasser wird auch erwärmt, damit es den Bakterien gut geht; und wenn die Bakterien so pflegen, dann leuchten sie auch. In diesem Fall in einem Rotton. Sie fluoreszieren, sie leuchten und dieses Leuchten nimmt ab bei Vorhandensein von Schadstoffen; und ein Kamerasystem wertet diese schwachen Signale aus und löst Alarm aus bei Vorhandensein von Schadstoffen."

Doch jetzt ist alles in Ordnung, die winzigen Vorkoster schimmern weiter rötlich vor sich hin. Auch die Befürchtung, dass die Bakterien kurzerhand ihren Arbeitsplatz verlassen und mit dem frisch verkosteten Trinkwasser ins Leitungsnetz entfleuchen könnten, entkräftet Projektleiter Thomas Bernard:

"Biologen sprechen da von Immobilisierung. Das heißt, dass die Bakterien nicht einfach weggespült werden. Sie sind aufgewachsen auf kleinen Kügelchen; die befinden sich wie in einem kleinen Reagenzglas, das man einfach austauschen kann, auswechseln kann; das hält jetzt durchaus mehrere Wochen und irgendwann muss es halt auch ausgewechselt werden; und das geht dann auch recht einfach; man muss das quasi nur 'reinstecken, die Schläuche neu anstöpseln - und fertig."

Die AquaBioTox soll aber nicht nur im Wasserwerk das Trinkwasser online überwachen, sondern vor allem im Leitungsnetz. Hier fehlt bislang ein so genannter Breitband-Sensor, der sehr empfindlich auf ein sehr breites Spektrum von Schadstoffen reagiert.

Die AquaBioTox taugt jedoch nicht für die Analyse. Sie liefert also keinen Hinweis, welche Substanz konkret in welcher Konzentration den Vorkostern missfällt. Vielmehr geht es Thomas Bernard einzig und allein um den Alarm, den die AquaBioTox automatisiert auslöst, sobald der rötliche Schimmer der Bakterien nachlässt:

"Also, diese Änderungen sind mit bloßem Auge auch gerade so erkennbar und man muss hier schon einige Kniffe anwenden, um das dann über die Sensorik auswerten zu können. Das heißt, hier ist ein Restlichtverstärker eingebaut; und das Grundprinzip ist schon so: Es sind diese Farbänderungen da und die werden automatisiert ausgewertet. Und der Witz ist ja, dass eben kein Mensch draufgucken muss, sondern dass es wirklich als Sensorsystem automatisiert läuft, und online läuft, dauerhaft läuft. Das war das Ziel hier."

Die AquaBioTox testet das zufließende Trinkwasser rund um die Uhr. Sollte etwas nicht in Ordnung sein, geht automatisch ein Alarm an die Leitzentrale im Wasserwerk – und zwar über das hausinterne Netzwerk:

Jacubasch: "Hier gibt es einen eingebauten Kontrollrechner, dieser Kontrollrechner ist ein Miniatur-PC mit der entsprechenden Netzwerk-Schnittstelle, die dann über die bekannte Netzwerkkabel ins Netz eingespeist werden."

Bernard: "Die Datenerfassung, Datenauswertung läuft hier auf einem kleinen Rechner, der hier eingebaut ist; und das Ganze ist auch internetfähig gemacht; das heißt, man kann das hier am Netzwerk ankoppeln, und dann an entsprechende Leitwarten automatisiert übertragen und das dann dort geeignet darstellen; sei es, dass dann eine Ampel, rote Lampe aufleuchtet oder ähnliches."

Eine sinnvolle Sofortmaßnahme wäre es dann, den gefährdeten Abschnitt unverzüglich vom Trinkwassernetz abzutrennen. Später werden Proben dieses Wassers im Labor untersucht, um herauszufinden, welche Substanz konkret den Alarm ausgelöst hat.

Eine sorgfältige Analyse des Trinkwassers geschieht in den Labors der Wasserwerke auch heute schon – rund um die Uhr. Laboranten fahnden nach Krankheitserregern, chemischen Stoffen und dergleichen mehr. Allerdings finden sie Substanz x oder y nur dann, wenn sie konkret danach suchen. Unbekannte Substanzen fallen durchs Fahndungs-Raster.

Außerdem können durchaus 48 Stunden verstreichen, bis ein Laborbefund vorliegt - und das wäre zum Beispiel im Falle eines Giftanschlages viel zu lang. Deswegen wäre ein Breitbandsensor im Leitungsnetz sinnvoll, weil der sofort anzeigt, wenn etwas nicht in Ordnung ist.

Ein anderes Sensorsystem nutzen die Wasserwerke in ihren Labors bereits seit langem. Statt Bakterien oder Zellkulturen kommen dabei Wasserflöhe zum Einsatz. Diese kleinen Krebstiere - auch Daphnien genannt – schwimmen in Proben des Leitungswassers. Sobald sie darin ihr Bewegungsmuster verändern, löst das Alarm aus. Das Problem dabei: Die Wasserflöhe sind zu anspruchsvoll für eine wirtschaftlich sinnvolle Online-Überwachung im Leitungsnetz:

Jacubasch: "Die wurden in unserem konkreten Projekt auch eingesetzt als Konkurrenz-Sensorsystem. Sie reagieren ähnlich empfindlich; sie müssen aber besonders gepflegt werden; das heißt, da muss extra ein Tierpfleger kommen, der sich um diese Tiere kümmert; und alle fünf Tage müssen sie auch ausgetauscht werden, einzeln abgefüllt werden, mit Pipetten hin- und hermanövriert werden; also, es ist sehr aufwändig und mit sehr viel mehr Personalkosten verbunden als dieses Gerät hier."

Die AquaBioTox wäre so wartungsfreundlich, dass die Versorger damit ihr Wasser online im weit verzweigten Leitungsnetz kontrollieren können. An festgelegten Punkten stationiert, ließe sich damit optimalerweise ein sehr engmaschiger Verbund organisieren.

An jeder Kontrollstelle wird Trinkwasser im Rohrleitungssystem angezapft, über einen Bypass durch die Box geleitet und den Bakterien zum Testen gegeben.

Mehr Sicherheit im Leitungsnetz – dank winziger Vorkoster in schmalen Röhrchen.