Winzerschorle ohne Winzer

Von Ludger Fittkau |
Anders als bei Schinken oder manch anderen Lebensmitteln kann man sich bei Wein sicher sein: Der Rebensaft kommt tatsächlich aus der Region, die auf dem Etikett steht. Doch die Winzerschorle, also ein Mixgetränk aus Wein und Wasser, kommt längst nicht immer vom Winzer. Das soll auf Initiative von Rheinland-Pfalz der Bundesrat ändern.
Immer wenn wie heute in Berlin oder auch in Brüssel über Veränderungen des europäischen Weinrechts diskutiert wird, fragt sich Winzerin Anette Meier besorgt: Muss ihr Weingut in Rheinhessen wieder neue Etiketten für die Weinflaschen drucken, weil wieder zusätzliche Inhaltsstoffe gekennzeichnet werden müssen?

"Wir mussten dazu schreiben, enthält Sulfide. Das ist zusätzlich dazugekommen. Ansonsten kommen jetzt auch andere Inhaltsstoffe noch dazu, je nachdem was im Keller noch gemacht wird und was man verwendet ist das kennzeichnungspflichtig. Es wird halt immer unübersichtlicher für den Verbraucher auf dem Etikett."

Helmut Caspary ist Abteilungsleiter für Weinbau und Ernährung im rheinland-pfälzischen Umwelt- und Weinbauministerium. Er versichert: Die heutigen Bundesratsbeschlüsse werden nicht dazu führen, dass viele neue Flaschen-Etiketten gedruckt werden müssen. Etwa die Streichung der Herkunftsbezeichnung "bestimmtes Anbaugebiet" habe auf die großen deutschen Weinbaugebiete keine Auswirkungen, versichert er. Helmut Caspary hält anders als mancher Winzer ganz grundsätzlich die Kennzeichnungsvorschriften für den Wein nicht für unübersichtlich. Zur Demonstration hat er eine Flasche Moselwein auf den Tisch gestellt:

"Wenn man tatsächlich die obligatorischen Bestandteile des Etiketts nimmt, ist es nicht sehr kompliziert. Es kann sehr einfach gemacht werden, man kann fast gar nichts falsch machen. Das ist das Anbaugebiet, das muss draufstehen. Der Erzeugerbetrieb muss draufstehen. Für den Fall, dass es Prädikatswein ist, muss Prädikatswein draufstehen. Dann auch: welches Prädikat? Spätlese, Auslese, Kabinett. Für den Fall, dass Sulfide drin sind, müssen die auch deklariert sein."

"Wo halt wieder Redebedarf durch die Kunden oder eine Verunsicherung entsteht. Was sind Sulfide? War schon immer im Wein, ist Schwefel, ist einfach. Stößt jetzt bei einigen auf, obwohl es schon immer drin war."

Doch auch wenn sich die Verbraucher zunächst vielleicht fragen, was neue Kennzeichnungen auf der Weinflasche bedeuten – letztendlich dienen sie in der Regel tatsächlich vor allem dem Verbraucherschutz, sagt Johannes Büchel, Weinrechtsexperte der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Gerade die Kennzeichnung der Sulfide mache das deutlich:

"Das ist eine Frage der Allergen-Kennzeichnung. Allergene Inhaltsstoffe sind halt nach den Vorschriften der EU zu nennen. Es ist auch ein Schutz des Verbrauchers, der von einer solchen Allergie betroffen ist, der erwartet dies."

Aber auch die Winzer haben klare Erwartungen an die Politik. Etwa dafür zu sorgen, dass ein Mixgetränk aus Wein und Wasser, das "Winzerschorle" genannt wird, auch wirklich von einem Winzer stammt. Bisher ist das nicht vorgeschrieben. Für die Winzerin Anette Meier ist das nicht akzeptabel:

"Ja, da bin ich etwas fassungslos. Wonach soll sich der Verbraucher letztendlich noch richten?"

Immerhin: Anders als bei Schinken oder manch anderen Lebensmitteln kann man sich bei Wein sicher sein: Er kommt tatsächlich aus der Region, die auf dem Etikett steht.

"Unser rheinhessischer Wein kommt aus Rheinhessen. Da ist die Kontrolle schon sehr hoch, so dass da außer Rheinhessen-Wein nichts anderes drin sein kann."

Um auch den aktuellen Streit um die Bezeichnung "Winzerschorle" zu schlichten, will Rheinland-Pfalz bald über den Bundesrat nationales Recht verändern. Helmut Caspary, Weinbaufachmann im Mainzer Umwelt- und Weinbauministerium:

"Dass dann die Regelung, die die EU für Weine und Sekte vorschreibt, auch auf die weinhaltigen Getränke übertragen wird und wir dann tatsächlich bei Weinschorle, das gilt aber auch für andere Produkte wie beispielsweise Winzer-Glühweine, dass wir dort vorschreiben können, dass nur Eigenerzeugnisse, das heißt die Weine der Winzer, zu Weinschorle und Weinglühwein verarbeitet werden können."

Auf neue Weinetiketten müssen sich Winzer und Verbraucher zwar noch nicht nach der Bundesratssitzung heute - aber wohl im nächsten Jahr einstellen. An der Mosel und im Mittelrheintal werden das die Winzer mit Freunden tun: Denn eine neue Bezeichnung "Steillagenwein" soll als Qualitätssiegel dazu dienen, die Weine auf den alten Terrassen über den Flüssen künftig teuer vermarkten zu können.