Winnaretta Singer-Polignac

Kunstmäzenin mit Geld und Sachverstand

Blick in den Salon des Appartments von Coco Chanel in der Pariser Rue Cambon
Blick in den Salon des Apartments von Coco Chanel in der Pariser Rue Cambon: Ähnlich glamourös dürfte es bei Winnaretta Singer-Polignac zugegangen sein. © picture-alliance/ dpa
Von Sabine Fringes · 08.01.2015
Die Prinzessin Winnaretta Singer-Polignac ragte unter den vielen Mäzeninnen im Paris der Jahrhundertwende hervor. In ihren Salon kam alles, was Rang und Namen hatte: Marcel Proust, Jean Cocteau, Colette und François Mauriac waren ebenso bei ihr zu Gast wie Pablo Picasso und Coco Chanel. Heute vor 150 Jahren wurde sie geboren.
"Umfassend gebildet, ausgezeichnet als Musikerin, Malerin von unbezweifelbarem Talent, förderte und ermutigte sie immer wieder Kunst und Künstler. (...) Sie benutzte damals die Gelegenheit meines Aufenthalts, um sich mit mir über ein kleines Stück für Kammertheater zu besprechen, das sie (...) bei sich zu Hause aufführen wollte. Ich schlug ihr den 'Renard' vor. Der Gedanke gefiel ihr sehr."
So Igor Strawinsky. Wie kaum ein anderer Komponist profitierte er vom Mäzenatentum der Princesse de Polignac: Nicht nur unterstützte sie die Aufführungen seiner russischen Ballette mit immensen Summen. In ihrem Salon durfte er auch die Wirkung seiner Werke noch vor der eigentlichen Uraufführung testen.
Winnaretta Singer wird am 8. Januar 1865 in Yonkers, New York, in eine reiche Familie geboren. Sie ist eines von 24 Kindern des umtriebigen Großindustriellen Isaac Merrit Singer, der mit der Weiterentwicklung der Nähmaschine ein gigantisches Vermögen gemacht hat. Ihre Mutter ist Isabella Eugenie Boyer, eine schöne Pariser Hotelierstochter, die das Vorbild für die amerikanische Freiheitsstatue gewesen sein soll. Von ihr erbt sie die ebenmäßigen Gesichtszüge. Winnaretta lernt früh Klavier und Orgel, erhält Malunterricht und nimmt teil am regen Pariser Gesellschaftsleben ihrer Mutter.
"Lavendel-Ehe" mit Prince Edmond de Polignac
Mit 28 heiratet sie auf Vermittlung von Freunden den 30 Jahre älteren Prince Edmond de Polignac. Eine nahezu maßgeschneiderte Verbindung: Nicht nur vermählt sich ihr Reichtum mit dem Ansehen alteingesessenen Adels. Wie Winnaretta die Frauen, so liebt Edmond die Männer. Bis zu seinem Tod im Jahr 1901 führen die beiden eine ausgesprochen harmonische "Lavendel-Ehe". Beide sind sie vereint in ihrer Liebe zur Kunst und Musik.
"Zu dieser Zeit war es meine Absicht, verschiedene Komponisten aufzufordern, mir kurze Werke für ein kleines Orchester von etwa zwanzig Spielern zu schreiben. Mir schien, dass nach Richard Wagner und Richard Strauss die Zeit der großen Orchester vorüber sei und es reizvoll wäre, zu einem kleinen Orchester mit gut ausgewählten Spielern und Instrumenten zurückzukehren."
So die Prinzessin in ihren Memoiren. Maurice Ravel, Gabriel Fauré, Manuel de Falla, Paul Hindemith und Kurt Weill erteilte sie Kompositionsaufträge. Besonders schlug ihr Herz für die jungen Avantgardisten, die enfants terribles von Paris: Igor Strawinsky schrieb für sie den "Renard", Eric Satie das symphonische Drama "Socrates" und Francis Poulenc das "Konzert für zwei Klaviere".
"Madame de Polignac war eine stattliche Frau, unerschütterbar, undurchdringlich. (...) Ihr felsenhaftes Profil schien auf Nebel und Möwen zu warten. Ihr Gesicht glich eher einer Landschaft als einem Gesicht mit ihrer Wolke von Haaren, den blauen Augen, den schroff abfallenden Konturen. Wie alle fundamental schüchternen Menschen, war sie selbst unendlich einschüchternd."
So die britische Schriftstellerin und zeitweilige Lebensgefährtin Winnarettas Violet Trefusis. Ein herber Charme umgab die Mäzenin, die selbst eine hochbegabte Malerin und Pianistin war und mit ihrem stattlichen Erbe auch medizinische und naturwissenschaftliche Projekte unterstützte, darunter das Laboratorium der Madame Marie Curie, der sie sogar selbst bei ihren Experimenten zur Hand ging.
Flucht ins Exil nach England
Während des Zweiten Weltkriegs flieht sie ins Exil nach England. Weiterhin gibt sie Diners, unterstützt junge Künstler und organisiert Wohltätigkeitskonzerte. Im November 1942, ein Jahr vor ihrem Tod, schreibt die 77-jährige Winnaretta an ihre langjährige Freundin Nadja Boulanger:
"Überall spielt man heute Fauré, Ravel, Jean Francaix und Francis Poulenc. Mehr und mehr lebe ich für die Musik und vor allem: in der Musik. (...) Seele und Geist – das ist es, worauf es im Leben ankommt."
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